Kunst des Dialogs

Liebe Leserin, lieber Leser,

kaum ein Thema ist emotionaler besetzt als das der „Beutekunst“, jener Kunstwerke und Kulturgüter, die, ganz allgemein gesagt, ein Land einem anderen in Kriegszeiten genommen und nicht zurückgegeben hat – auch wenn wir, nicht ganz zu Recht, das Thema heute allzu einseitig mit dem Raub deutscher Kunstwerke durch russische Trophäenkommissionen nach dem Zweiten Weltkrieg gleichsetzen. Von den Raubzügen der deutschen Truppen und den enormen Zerstörungen, die sie zuvor in der Sowjetunion hinterließen, wird dagegen wenig gesprochen.

Emotional ist dieses Thema, weil es hier wie dort an Wunden rührt, die nicht verheilen können und: weil es um Kunst geht, Kunst, die Menschen berührt und Identität verleiht, ganz gleich, ob diese Kunst nun nationalen Ursprungs ist oder – wie bei antiken Schätzen häufig – andere Herkunftsorte hat, mit unter gar aus Ländern oder Kulturen stammt, die aus Atlanten und Gegenwart längst verschwunden sind. Kaum ein Thema ist historisch, moralisch und juristisch facettenreicher als das der Beutekunst, und was ist darüber nicht alles schon geschrieben und ­gestritten worden.

Das Editorial der Weihnachtsausgabe von Arsprototo ist nicht der Ort, all diese Gedanken zu wieder­holen. Unser Heft soll Ihnen vielmehr ein Projekt vorstellen, das die Kulturstiftung der Länder seit bald zehn Jahren und durch alle politischen Wechselfälle hindurch bewegt: den Deutsch-Russischen Museumsdialog, in welchem deutsche und russische Kulturgutverluste von Wissenschaftlern aus beiden Ländern gemeinsam erforscht werden. Wir sind überzeugt davon, dass es neben der völkerrechtlichen Dimension des Themas eine wissenschaftliche und kollegiale geben muss, ja dass die eine ohne die andere kaum existieren kann.

Neues Vertrauen und Licht ins Dunkel aus Vorurteilen und Halbwahrheiten können nur der Austausch und die Fakten bringen – zum Wohle der Kunst. Denn um diese geht es uns, wo immer sie ist; es geht um Sicherung und Aufarbeitung, um Differenzierung und Präzisierung. Damit ist viel gewonnen! Mehr, seien wir realistisch, lässt die derzeitige politische Lage wohl nicht zu. Wir alle sehen, was um uns herum gerade geschieht. Aber wir haben eine langfristige Perspektive. Und die heißt Entspannung, Offenlegung und Zugänglichkeit.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien frohe Feiertage und einen schönen Jahreswechsel. Und wenn ich mir etwas wünschen darf, dann, dass wir, die Kulturstiftung der Länder, auch 2015 auf Ihre Unterstützung und Ihre Spenden zählen dürfen. Und eine Empfehlung noch: Dem Land Berlin ist dieses Heft gewidmet, und wer, wenn nicht die großartige Malerin und Zeichnerin Jeanne Mammen, hat dieser Stadt ein Gesicht gegeben? Wir erzählen Ihnen die ganze Geschichte.

Ihre

Isabel Pfeiffer-Poensgen