Beschreibung der Welt
Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Weltbürger war er in Geist und Tat. Lange bevor es Flugzeuge gab, sah und beschrieb er die tagtägliche Globalisierung, anderthalb Jahrhunderte bevor das Wort überhaupt erfunden wurde: Alexander von Humboldt – Naturwissenschaftler vom Geographen bis zum Zoologen, Berliner von Geburt, doch vom Gefühl her Pariser, königlicher Kammerherr in Preußen und doch aufgeklärter Freigeist im Herzen, ein Mann, dem Engstirnigkeit und Konventionen immer verhasst bleiben sollten, im Öffentlichen wie Privaten.
Mit seinen Reisen nach Lateinamerika – auf eigene Faust, mit eigenem Geld – wurde Humboldt in den Augen seiner Zeitgenossen zum „zweiten Kolumbus“, zum wissenschaftlichen Entdecker, der die Neue Welt jedoch nicht mit dem Schwert eroberte, sondern mit dem Zeichenstift. Kein Wunder, dass sein Name bis heute in Mittelamerika einen legendären Klang besitzt.
„Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein“, schrieb Humboldt im Juni 1799, als er sich zur Überquerung des Atlantiks aufmachte. Wie durch ein Wunder unversehrt, kehrte er fünf Jahre später aus Hitze und Kälte, Regenwald und Wüste, Schluchten und Vulkangebirgen zurück – im Gepäck seine Tagebücher, in denen er mit universalem Forscherblick alles, was ihm bemerkenswert erschien, aufgeschrieben und -gezeichnet hatte. Zeit seines Lebens blieb ihm dieser Schatz an Weltwissen, den er auf seiner abenteuerlichen Reise gesammelt hatte, Fundament seiner Arbeit.
Nicht minder wechselhaft indessen sollte sich die weitere Geschichte der Tagebücher gestalten: Aus dem Familiensitz der Humboldt-Nachkommen, Schloss Tegel, im Mai 1945 durch die Rote Armee abtransportiert, kehrten die Bücher erst 1958 in die Deutsche Staatsbibliothek in Ost-Berlin zurück. Nach der Wiedervereinigung gelangten sie in die Berliner Staatsbibliothek, die sie – nun als Depositum der Eigentümerfamilie – bewahrte, bis sie 2005 nach Tegel zurückgeführt wurden. Nun feiern wir das glückliche Ende dieser Reise: Denn nach langen Verhandlungen und mit großer Unterstützung auch der Kulturstiftung der Länder konnten die „Amerikanischen Reisetagebücher“ Alexander von Humboldts durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erworben werden.
Die gefährlichsten Weltanschauungen besäßen immer diejenigen, die die Welt nie angeschaut hätten, wird Humboldt oft zitiert. Einer Zeit in unserer Geschichte, für welche diese bittere Erkenntnis besonders gilt, möchten wir uns in einem Essay in diesem Heft zuwenden: dem Nationalsozialismus mit seinem Kunstraub von – nicht nur – jüdischem Besitz. Welche Herausforderungen die Aufklärung von Provenienzen für deutsche Museen mit sich bringt, aber auch, welche Ergebnisse es auf diesem langen Weg bereits zu vermelden gibt, lesen Sie ab Seite 46.
Mir bleibt, Ihnen und Ihren Familien einen schönen Frühlingsanfang zu wünschen, und Ihnen in dieser Ausgabe von Arsprototo – nach unserem Jubiläumsheft wieder im vertrauten Layout – besonders den Artikel von Uta Baier über Otto Dill zu empfehlen, jenen großartigen Maler, mit dessen Porträt wir das Land Rheinland-Pfalz würdigen möchten, dem dieses Heft gewidmet ist.
Ihre Isabel Pfeiffer-Poensgen