Im Dachgeschoss des Ostfriesischen Landesmuseums Emden (OLME) werden zahlreiche Objekte der in der Frühen Neuzeit eingerichteten Rüstkammer präsentiert. 1582 wurde das 20 Jahre zuvor erstmals erwähnte Zeughaus im wenige Jahre zuvor erbauten Renaissance-Rathaus im Zentrum der Stadt untergebracht. Aufgrund der Spannungen in den Niederlanden, die 1568 im 80 Jahre währenden Krieg mündeten, hatten die Emder begonnen, ihre Bürgerwehr aufzurüsten. Da aber die Emder nach der Vertreibung der ostfriesischen Grafenfamilie aus ihrer Stadt ab 1595 durch eine niederländische Garnison beschützt wurden, kam die Ausrüstung niemals zum Einsatz. Die Rüstkammer besaß bereits um 1700 musealen Charakter und war weit über die Region hinaus bekannt.
Dennoch waren die Emder Bürger verpflichtet, sich an den Waffen auszubilden und in 23 Kompanien zu organisieren, um gegebenenfalls an der Seite der Söldner für den Schutz der Handelsstadt sorgen zu können. Eine Kompanie bestand aus Anwohnern benachbarter Straßenzüge, wodurch gewährleistet wurde, dass die Mitglieder sich gut kannten. Sie waren mit Harnischen, Waffen und Accessoires ausgestattet, die auch heute noch auf den Reichtum und das Selbstverständnis der Einwohner hinweisen.
Wie etwa Dreiviertel Emdens wurde das Renaissance-Rathaus im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die kunst- und kulturgeschichtlich bedeutsamen Exponate waren aber rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden und werden seit 1962 wieder im neuerbauten, in Erinnerung an den Vorgängerbau als Rathaus am Delft bezeichneten Museumsgebäude ausgestellt. Mit mehr als 2.500 Objekten ist die im kommunalen Eigentum befindliche Emder Rüstkammer die größte in Norddeutschland. Die große Anzahl an Waffen der unterschiedlichsten Gattungen macht sie genauso bedeutsam wie viele seltene Exemplare.
Aus konservatorischen Gründen kann keine einzige der 28 erhaltenen Fahnen der frühneuzeitlichen Emder Bürgerwehr gezeigt werden. Die jahrhundertelange ungeschützte Präsentation im zugigen Dachgeschoss hat die Textilien zerschlissen. Und so sind seit zwei Jahrzehnten alle Exemplare magaziniert. Die hier vorgestellte Fahne ist aus gelber Seide gewebt und zentral mit dem Symbol der bürgerlichen Kriegskammer bemalt worden: ein aus einer Wolke hervorragender gepanzerter Arm mit einem Säbel in der ungeschützten Hand. Unter der von einem bekrönten Eichenkranz eingefassten Darstellung verweist die Jahreszahl 1743 auf den Zeitpunkt der Fertigung. Über der Darstellung finden sich neben dem Wahlspruch „Pugno Pro Patria“ (ich kämpfe für meine Heimat) die Namen der drei Stifter der Fahne: „Hopm: B: Campen. Luit: P: Stael: Fend: I: Dÿk:“. Bartholomeus Jacobs Campen (geb. 1707 in Emden, gest. 1748 in Emden) war Bäckermeister und insgesamt dreimal verheiratet. Vier seiner Enkelsöhne waren Gründungsmitglieder der bis heute bestehenden „Naturforschenden Gesellschaft zu Emden von 1814“. Bei Petrus Stael dürfte es sich um den Goldschmiedegesellen Pieter Jeronimus Staal (geb. um 1714 in Emden) gehandelt haben, der 1739 geheiratet hatte. Über Johannes van Dyk ist nur bekannt, dass er 1762 als Leutnant der Bürgerwehr mit einer Witwe vor den Traualtar trat. Alle dienten als Offiziere in der 4. Kompanie und wurden 1743 befördert: Campen zum Hauptmann, Staal zum Leutnant und van Dyk zum Fähnrich.
Das Seidentuch ist vor allem an den Rändern zerschlissen und weist viele Fehlstellen auf. Die einzige bekannte Restaurierung fand 1902 – 1904 im herzoglichen Friederikeninstitut in Dessau statt, wo die Fahne vermutlich nur eingenetzt wurde, um sie vor weiterem Zerfall zu bewahren.
Um den Besuchern des OLME aber einen Blick auf das farbenfrohe und überwiegend detailreiche Unikat bieten zu können, das so viel von der Emder Stadtgeschichte erzählt, bitten wir Sie, liebe Leserinnen und Leser von Arsprototo, um Ihre finanzielle Unterstützung, um zumindest diese eine Fahne restaurieren zu lassen.
Aiko Schmidt M. A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostfriesischen Landesmuseum Emden.