Wappen, Name, Konterfei

Kaiser Ferdinand I. hatte 1559 als oberster Münzherr des Reichs eine Münzordnung erlassen, die unter anderem auch die Gestaltung der Zahlungsmittel festlegte. Die Vorderseite zierte demnach „unser und des Reichs Keyserlicher Adler mit zweyen köpfen unnd des Reichs Apffel in des Adlers brust und in demselbigen allwegen die zieffer wieviell kreutzer das selbig stuck gelte“. Die Umschrift solle den Kaiser selbst nennen. „Auff der andern seiten des Müntzherrn oder Stands wappen mit sampt seiner gewönlichen umbschrifft und der Jarzall.“ Ein für Regensburg er­worbener Guldentaler von 1574 entspricht diesem Proto­typen. So erscheint auf seiner Vorderseite neben den genannten Motiven die Umschrift „MAXIMILIAN·IMP·AUG·PF·DECRETO“. Über die Abkürzung PF wurde viel gerätselt, vermutlich steht sie für „publicari fecit“/„ließ öffentlich machen“. Die Rückseite zeigt das Regensburger Stadtwappen mit den gekreuzten Schlüsseln in einer Kartusche und der Jahreszahl. Die Umschrift „MONETA·REIPUBLICAE·RATISBONENSIS“ verweist auf die Präge- und Ausgabestätte der Münze.

Kimon, Silber, Dekadrachme von Syrakus, 35 mm (Abb. 50% vergrößert), ca. 405 – 400 v. Chr., Vorderseite: Wagenlenker in Viergespann; Staatliche Museen zu Berlin, Münz­kabinett; © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Foto: Antonia Weiße
Kimon, Silber, Dekadrachme von Syrakus, 35 mm (Abb. 50% vergrößert), ca. 405 – 400 v. Chr., Vorderseite: Wagenlenker in Viergespann; Staatliche Museen zu Berlin, Münz­kabinett; © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Foto: Antonia Weiße

Sowohl die Kaiser selbst als auch diejenigen Stände, denen sie das Münzprivileg zugestanden hatten, erkannten rasch das Werbepotenzial eines Mediums, das Bilder und Botschaften in großer Auflagenhöhe unter die Leute bringen konnte. Die politische Ikonographie nannte die Münze deshalb „das visuelle Massenmedium schlechthin“, das der „multiplizierenden Imagepflege“ (Jutta Schumann) diente. So verwundert es kaum, dass bald schon das Fürstenporträt an die Stelle des Reichssymbols trat. Tatsächlich behauptet der Verfasser eines Buchs mit dem vielsagenden Titel „Münz-Belustigung“ aus dem Jahr 1730, kein Mittel eigne sich besser als Münzen, um die Gestalt der „irdischen Götter“ (als solche wurden Fürsten damals noch betrachtet) langfristig zu überliefern. Skulpturen könnten verstümmelt werden, Gemälde verlorengehen, Kunstwerke seien insgesamt vergänglich, Münzen aber durch ihr Material prinzipiell ewig haltbar. Ein weiterer Vorteil läge in ihrer Verbreitung, transportierten sie das Bild des Fürsten dadurch problemlos selbst über Ländergrenzen hinweg und vermochten so die Ortsgebundenheit von Denkmälern, Grabmonumenten und Baudekorationen spielend hinter sich zu lassen. Ein anderer Barockautor nennt im Jahr 1759 den für die Münzbildnisse zuständigen Berufszweig: Während Historiker und Gelehrte die Eigenschaften und Verdienste eines Fürsten in schriftlicher Form zu verewigen hätten, so „beschäftiget sich mit gleichem Eiffer der Grabstichel geschickter Stempelschneider und Müntz-Graveurs, dessen Bildnis in Stahl und Eisen zu schneiden, damit die Nachwelt solches über viel hundert Jahre, auch in Gold und Silber möge betrachten und bewundern können“. Letztlich könne man durch die kontinuierliche, bei Thronwechseln und Regierungsantritten neu ansetzende Münzproduktion „gantze Reihen ordentlich aufeinander folgenden Kayser, Könige, Churfürsten, Fürsten und Grafen machen“. Auch in unserer Zeit wurde angesichts solcher Münzreihen von einer „Bildnisgalerie aus Metall“ (Volker Heenes) gesprochen.

In der Antike erwies sich die Kunstfertigkeit des Stempelschneiders am individuellen Vermögen, der beschränkten Fläche des Münzrunds Reliefs von großer Detailtreue  und  höchstem  ästhetischen  Anspruch aufzuprägen. Deshalb konnte Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) die Köpfe auf syrakusanischen Dekadrachmen problemlos mit antiker Großplastik vergleichen. Bei den neuzeitlichen Stempelschneidern indes trat aufgrund des Porträtauftrags an die Stelle künstlerischer Erfindungsgabe und weitestgehender Idealisierung der seit der Renaissance geltende Anspruch auf möglichst große Ähnlichkeit mit dem lebenden Modell. Deshalb heißt es in Zedlers Universallexikon 1739, ein wohlerfahrener Graveur müsse „die nach dem Leben allerähnlichsten Contrefaits in den härtesten Stahl und edeln Stein einzugraben“ wissen.

Kimon, Silber, Dekadrachme von Syrakus, 35 mm (Abb. 50% vergrößert), ca. 405 – 400 v. Chr., Rückseite: Kopf der Quellnymphe Arethusa, KI(mon) im Band eingraviert (Signatur des Kimon); Staatliche Museen zu Berlin, Münz­kabinett; © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Foto: Antonia Weiße
Kimon, Silber, Dekadrachme von Syrakus, 35 mm (Abb. 50% vergrößert), ca. 405 – 400 v. Chr., Rückseite: Kopf der Quellnymphe Arethusa, KI(mon) im Band eingraviert (Signatur des Kimon); Staatliche Museen zu Berlin, Münz­kabinett; © Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett / Foto: Antonia Weiße

Das Vorgehen eines Stempelschneiders lässt sich am Beispiel eines sog. Regensburger Fünfdukatenstücks demonstrieren (Abb. S. 19/20, Nr. 7). Als Christoph Daniel Oexlein um 1740 mit der Schaffung des Prägestempels für die Goldmünze beauftragt wurde, benötigte er eine Porträtvorlage des amtierenden Kaisers Karl VII. Wir wissen nicht, welchen Musters er sich bediente, aber in den benachbarten Kupferstichzentren Augsburg und Nürnberg dürfte er an geeignete Blätter gelangt sein. Auch wenn die Darstellung des entschlossenen Profils mit der Adlernase und dem bekrönenden Lorbeerkranz (ein Rückverweis auf den römischen Ursprung des Kaisertums) imperiale Macht suggeriert, deutet der Harnisch auf die wahre Geschichte des Wittelsbachers hin, der sich in einem Erbfolgekrieg gegen Habsburg zu behaupten versuchte – mit spärlichem Erfolg: Nach ihm gab sein Sohn die Krone mittelbar wieder an das Haus Habsburg zurück. Die Münze freilich lässt die Majestät des Kaisers ungeachtet seiner realen Macht in Gold erstrahlen.

Öxlein hat sein Werk signiert: Der Armabschnitt des Harnischs zeigt das Monogramm „C.D.ŒXL“. Dies belegt sein Selbstverständnis, das sich mit demjenigen Kimons begegnet: Die Stempelschneider betrachteten sich als Künstler, als Bildhauer im kleinen Format. Als Kimon in Syrakus seine Stempel schnitt, wurden derlei Schöpfungen mit den altgriechischen Vokabeln charaktér (der Stempel für die Vorderseite) und typos (für die Rückseite) bezeichnet. Dem Rohling wurde durch einen Hammerschlag ganz buchstäblich das die Münze charakterisierende Besondere aufgeprägt. Bis in die Neuzeit hinein blieb der Stempelschneider in diesem Sinne „charakterprägend“, und er war wesentlich an der Herausbildung eines jeweils zeitgemäßen Herrschertyps beteiligt. Kein anderes Werk der bildenden Kunst konnte eine ähnlich hohe Auflage erzielen wie die Münze, und so gilt auch in diesem Punkt das, was 1730 geschrieben wurde: „Es kommen davon sehr viele Stücke in die entlegensten Länder, und auf die spätesten Zeiten, dahingegen von diesem oder jenem großen Prinzen nur ein prächtiger Obeliscus oder eine künst­liche Bild-Säule an einem Orte anzutreffen, welche auch die darnach begierigsten Menschen schwerlich zu Gesichte bekommen.“

Förderer dieser Erwerbungen: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung