Förderungen

Frohes Fest

Lovis Corinth, Bacchanale, 1896, 117 × 204 cm; Landesmuseum Hannover; © Landesmuseum Hannover
Lovis Corinth, Bacchanale, 1896, 117 × 204 cm; Landesmuseum Hannover; © Landesmuseum Hannover

Ein bunter Reigen Nackter tanzt ekstatisch auf einer Wiesenlandschaft: Satyrn, Mänaden – die Anhängerinnen des Bacchus – und der Weingott selbst geben sich ausgelassen dem Fest hin. Ironisch stark überzeichnet stehen sie als Sinnbild für triebhafte Lust. Das Sujet ist seit der Renaissance ein vielfach rezipiertes Motiv in der bildenden Kunst. Zu Beginn der 1890er-Jahre nahm sich auch der Maler Lovis Corinth (1858 –1925) dieses Themas vermehrt an. Mit dem „Bacchanale“, entstanden 1896 während seiner Münchner Zeit, brüskierte Corinth das bürgerliche Publikum mit seiner drastischen Darstellung im repräsentativen Großformat. 2016 wurde das „Bacchanale“ an die Erben des als Jude verfolgten Unternehmers Alfred Michaelis Salomon (1878 –1945) restituiert, nachdem Salomon in Vorbereitung auf das Exil 1936 seine Besitztümer hatte veräußern müssen. Auch das Werk des deutschen Impressionisten war bei der Auktion in „Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus“ in Berlin zwangsversteigert worden. Im Landesmuseum Hannover strahlt das Gemälde jetzt in einer der weltweit umfangreichsten Corinth-Sammlungen.

Förderer dieser Erwerbung: Kultur­stiftung der Länder, die Beauftragte der Bundes­regierung für Kultur und Medien, Ernst von Siemens Kunststiftung, Förderkreis der Landesgalerie, Kunstfreunde der Landes­galerie, RHH-Stiftung

 

Tischlein wandel Dich

Schreib- und Spieltisch von David Roentgen, um 1780/90; Roentgen-Museum Neuwied; © Roentgen-Museum Neuwied / Foto: Wolfgang Thillmann
Schreib- und Spieltisch von David Roentgen, um 1780/90; Roentgen-Museum Neuwied; © Roentgen-Museum Neuwied / Foto: Wolfgang Thillmann

Wie gekonnt Abraham Roentgen (1711–1793) und sein Sohn David (1743 –1807) aktuelle Möbeltrends aus den Niederlanden, England oder Frankreich für ihre eigenen Entwürfe adaptierten, um sie auf dem heimischen wie dem internationalen Markt anzubieten, gehört zu den bekannten Erfolgsformeln der legendären Neuwieder Manufaktur. Handwerklich hochwertig, technisch perfekt und in immer neuen populären Typen präsentierten sich die raffiniert-schlichten Möbel, furniert mit edlen Tropenhölzern aus den Kolonien und ausgestattet mit vergoldeten Messingbeschlägen und -einlagen, die in dem wie polierter Marmor spiegelnden, hochglänzend lackierten Holz dezente Lichtakzente setzen. Auch dass David Roentgen einen französischen Möbeltypus wie den kombinierten Schreib- und Spieltisch übernahm und auf seine unnachahmliche Weise als Wandelmöbel neu konzipierte, war bekannt. Hierbei handelte es sich um ein über 20 Jahre entwickeltes Modell, dessen Formensprache Geschmacksveränderungen angepasst wurde, aber im Prinzip unverändert blieb. Neu hingegen ist der bisher nur aus schriftlichen Quellen bekannte Beleg, dass man sich in Neuwied – offenbar parallel zur Einrichtung eines eigenen exklusiven Ladengeschäftes in der Rue de Grenelle nahe der vornehmen Rue de St. Honoré in Paris – sehr eng am französischen Vorbild orientierte, also für den französischen Geschmack gleichsam maßgeschneiderte Möbel anbot. Die Eröffnung von Roentgens einzigem Geschäft im Jahr 1781 stand wohl in direktem Zusammenhang mit dem kostspieligen Erwerb der Mitgliedschaft in der Pariser Gilde der Ebenisten im Jahr zuvor, die es Roentgen erlaubte, dort unter seinem eigenen Namen zu verkaufen. Der nun über den deutschen Kunsthandel mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder angekaufte zierliche Schreib- und Spieltisch im elegant-zurückgenommenen klassizistischen Formenrepertoire der Zeit um 1780/90 überraschte die Experten. Das mit Messingrollen als flexibles Ausstattungsstück für den Salon ausgewiesene Möbel mit seiner abnehmbaren Tischplatte – zum Schreiben und Kartenspielen – und dem versenkbaren  Einsatz  für  Schach  oder Dame sowie das im 18. Jahrhundert von der Aristokratie ausgehend ungemein populäre Tric-Trac, das mit Backgammon vergleichbar ist. Allerdings, man möchte sagen, typisch Neuwied, bietet der Tisch ein gewisses Mehr an Qualität wie an Einfallsreichtum: Statt der üblichen drei Verwendungen sind hier vier bis fünf möglich. Die kostbaren Materialien, eine anspruchsvolle Ausstattung und die bis ins Detail qualität­volle und für Roentgen charakteristische Verarbeitung verweisen unübersehbar darauf, dass es sich bei diesem Tisch nicht um ein Gebrauchs-, sondern ein Luxus­objekt handelt. Seine vielfältigen Funktionen erinnern an die vergangene, vorrevolu­tionäre Schreib- und Spielkultur, an den geselligen Zeitvertreib im Paris des 18. Jahrhunderts, im Winter und bei Nacht unterstützt vom Schein der beiden am Tischrand einzusetzenden Kerzen in silbernen Leuchtern. Unrestauriert erworben und in nahezu unangetastet authentischem Zustand, erhofft sich die Roentgen-Forschung anhand dieses Möbels auch näheren Aufschluss über die eleganten Oberflächen der Möbel, deren marmorähnliche Brillanz schon die Zeitgenossen rühmten.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Otto Wolff Stiftung

 

Berechnend

Seine Genialität stellte der Franzose Charles Xavier Thomas (1785 –1870) nicht nur bei der Entwicklung seiner ausgeklügelten Rechen­maschine unter Beweis, sondern auch bei deren Vermarktung: 1851 war seine Erfindung bei der Londoner Weltausstellung ausgezeichnet worden, woraufhin Thomas die Serienproduktion an­visierte. Um die Popularisierung seiner Staffel­walzen-Rechenmaschine mit Hilfe ausgewählter Persönlichkeiten voranzutreiben, ließ er neben einigen kleineren Modellen eine Handvoll prachtvoller, großer Arithmomètres für einflussreiche Machthaber seiner Zeit fertigen. Zu den Empfängern dieser Prunkexemplare gehörten u. a. der König beider Sizilien Ferdinand II., Louis Napoléon Bonaparte und der russische Zar Nikolaus I. Dessen Rechenapparat gelangte nun aus französischem Privatbesitz in das Arithmeum der Universität Bonn: Die weltweit umfassendste Sammlung historischer Rechenmaschinen erwarb damit das letzte bekannte, noch nicht in musealer Hand befindliche Exemplar dieser Sonderserie von Thomas’ bahnbrechender Erfindung. Das bereits vor der kommerziellen Verbreitung gefertigte Arithmomètre ist noch heute in seine originale Schatulle aus Ebenholz und Schildpatt eingelassen. Im Deckel offenbart sich die französische Widmung für den Beschenkten.

1853, zwei Jahre nachdem Thomas seine „Werbegeschenke“ bedeutenden Persönlichkeiten überreicht hatte, brachte er seine Erfindung zur Serienreife. Robust und einfach zu bedienen, avancierte das Thomas-Arithmomètre schließlich zum Erfolg mit Breitenwirkung und diente in der weiteren Entwicklung des mechanischen Rechnens als Prototyp, u. a. für die ab 1878 in Glashütte gefertigten Rechenmaschinen.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Uni­versität Bonn, Stiftung Diskrete Mathematik /Arithmeum

 

Vulkan mit Brief und Siegel

Johann Christian Clausen Dahl, Der Vesuv gesehen vom Posilippo, 1847, 7 x 11,3 cm. Auf der Rückseite einer Einladungskarte der Dresdner Gesellschaft für Botanik und Gartenbau „Flora“; © Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum
Johann Christian Clausen Dahl, Der Vesuv gesehen vom Posilippo, 1847, 7 x 11,3 cm. Auf der Rückseite einer Einladungskarte der Dresdner Gesellschaft für Botanik und Gartenbau „Flora“; © Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum

Über 20 Jahre lag seine Reise bereits zurück. Doch noch immer zehrte Johan Christian Clausen Dahl (1788 –1857) von den inspirierenden Seherfahrungen seines einjäh­rigen Italien-Aufenthaltes als junger Künstler. Nicht vor Ort, unter dem unmittelbaren Eindruck der süd­lichen Landschaft, sondern im Dresdner Atelier schuf der norwe­gische Maler 1847 die nur 7 × 11,3 cm große Studie (oben ca. 35% größer abgebildet) des rauchenden Vesuvs, gesehen vom Hügelzug des Posilippo. Dahl hatte den Vulkan am Golf von Neapel selbst mehrfach bestiegen; sogar Zeuge seines Ausbruchs war er im Dezember 1820 geworden und hatte ihm im Anschluss eine Fülle von Darstellungen gewidmet. Im Hinblick auf die Errichtung des Deutschen Romantik-Museums durch das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt ist die Erwerbung der stimmungsvollen Ölskizze ein wahrer Glücksfall: Sie wird dort künftig den hochwertigen Bestand romantischer Landschaftsmalerei aufs Schönste ergänzen.

Ebenfalls in die Sammlung des Freien  Deutschen  Hochstifts  gelangt ein Briefgedicht Friedrich von Hardenbergs (1772 –1801) an Gottfried August Bürger (1747–1794) vom 18. Mai 1789. Insgesamt 27 gereimte Verse umfasst das literaturgeschichtliche Zeugnis, in dem der siebzehnjährige, später unter dem Pseudonym Novalis bekannt gewordene von Hardenberg seine aufrichtige Bewunderung für den 25 Jahre älteren Dichter zum Ausdruck bringt. Als Faltbrief mit Siegel und Anschrift erhalten, fügt sich das kostbare Autograph des Frühromantikers hervorragend in die Frankfurter Sammlung ein, bewahrt das Freie Deutsche Hochstift doch neben Großteilen seines Nachlasses seit 1956 einen weiteren Brief des jungen Schwärmers an sein Vorbild.

Förderer der Erwerbung des Briefgedichtes von Friedrich von Hardenberg an Gottfried August Bürger: Kulturstiftung der Länder, Cronstett-Hynspergische Evange­lische Stiftung, Rudolf-August Oetker-Stiftung, Hessische Kulturstiftung, FAZIT-Stiftung

Förderer der Erwerbung der Ölskizze von Johan Christian Clausen Dahl: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Hessische Kulturstiftung

 

Berückend

Lotte Laserstein, Rückenakt ­(Madeleine), um 1956, 46 × 38 cm; Schwules Museum, Berlin; © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Robert M.
Lotte Laserstein, Rückenakt ­(Madeleine), um 1956, 46 × 38 cm; Schwules Museum, Berlin; © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Robert M.

Der weibliche Rücken fängt den Blick ein, einen hellen Akzent im Bild setzt ein Blatt Papier, in dessen Betrachtung das  dargestellte  Modell  versunken scheint. Die Ölstudie „Rückenakt (Madeleine)“ fertigte Lotte Laserstein (1898 –1993) für das heute lediglich fotografisch überlieferte Gemälde „Malerin und Modell“ von 1956 an.  Geschlecht und Sexualität reflektierend, widmete Lotte Laserstein ihre Kunst der Repräsentation des weib­lichen Körpers und seiner Nacktheit. Insbesondere Frauen, die normative Geschlechterrollen  unterlaufen, ­gewährte sie Bildraum: selbstbestimmt, androgyn, sinnlich.

Lasersteins Namen „wird man sich merken müssen“, konstatierte das Berliner Tageblatt noch 1929. Doch nach ihrer Emigration 1937 geriet die als Jüdin im nationalsozialistischen Deutschland verfolgte Künstlerin hierzulande in Vergessenheit. Erst 2003 trat sie mit einer großen Retrospektive wieder aus der Reihe der Künstlerinnen der „vergessenen Generation“ hervor. Mit dem Erwerb des „Rückenakts“ durch das Schwule Museum hält die Berliner Künstlerin Einzug in eine Sammlung, die sich den Lebenswelten der LGBT*I*Q-Communities verschrieben hat. Insbesondere für die bisher wenig präsentierte Darstellung weib­licher Lebenswelten setzt der Ankauf daher ein wichtiges Zeichen.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Stiftung Preußische Seehandlung