Beschreibung
Alfred Döblins (1878-1957) Rolle und Bedeutung in der deutsche Literatur kann mit jener Bertolt Brechts verglichen werden. Ist Brecht der große Innovator der Moderne auf dem Theater, so ist es Döblin bei der erzählenden Prosa. 1912/13 war er der Wortführer bei der Auseinandersetzung der führenden Berliner Expressionistengruppe mit dem italienischen Futurismus. In den zwanziger Jahren war Döblin Mitinitiator der Berliner Autorengruppe Gruppe 1925, in der die Wirkungsmöglichkeiten der Literatur in der modernen Gesellschaft erörtert und adäquate Schreibkonzepte erprobt wurden. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre entwickelte Döblin – zum Teil in Diskussionen mit Brecht und anderen – jene Prinzipien einer gestischen und montierenden Schreibweise, die zu den Hauptmerkmalen des epischen Theaters werden sollten. 1929 schuf er mit Berlin Alexanderplatz den maßgebenden Großstadtroman der deutschen Literatur im 20.Jahrhundert. Döblin hatte dafür einen eigenen Stil entwickelt, der sich der Montagetechnik bedient. Das Manuskript von Berlin Alexanderplatz, das sich als herausragender Autograph in dem ca. 40.000 Blatt umfassenden Nachlaß befindet, hat neben seinem wissenschaftlichen Wert auch noch einen hohen Anschauungswert. In den fortlaufenden eigenhändigen Manuskripttext sind selbst verschiedenen Dokumente eingeklebt, montiert.Döblin war Gründungsmitglied der Literaturklasse der Preußischen Akademie der Künste, bis er Deutschland 1933 verlassen mußte. Er floh über die Schweiz nach Frankreich und später weiter in die USA. Nach dem Exil kehrte er bereits 1945 als französischer Kulturoffizier nach Deutschland zurück. Mit der Zeitschrift Das goldene Tor, Rundfunkvorträgen und mit der Gründung der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur beteiligte sich Alfred Döblin nachdrücklich am kulturellen Wiederaufbau. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war er mit Theodor Heuss befreundet, demgegenüber er 1953 in einem berühmten Brief seine erneute Emigration aus Deutschland begründete.Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach wurde 1955 als Haus der Exil-Literatur gegründet. Die Schicksale der Literatur in zwanzigsten Jahrhundert, vor allem in der ersten Jahrhunderthälfte zu dokumentieren, ist seine zentrale Aufgabe. Der schriftstellerische Nachlaß Alfred Döblins war von 1961-95 als Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft Döblin im Deutschen Literaturarchiv. Er wurde dort mit hohem Aufwand erschlossen, durch ständige Neuankäufe ergänzt und der literaturwissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt. Der Nachlaß war in diesen 34 Jahren der meistbenutzte Schriftstellernachlaß im Archiv. Von den vier großen deutschsprachigen Epikern der Moderne befinden sich zumeist wegen der Exilschicksale drei Nachlässe im Ausland (Th. Mann, Musil, Kafka). Im Falle Döblins war es die letzte Chance wenigstens einen dieser wichtigen Nachlässe ungeteilt in Deutschland zu halten. Daß dies möglich wurde, ist nach langfristigen Kaufverhandlungen mit den Erben, den gemeinsamen finanziellen Anstrengungen von der Kulturstiftung der Länder, dem Bundesministerium des Innern, der Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg und der Deutschen Schillergesellschaft zu verdanken.