Originale in Bibliotheken und Archiven retten – 35 Modellprojekte zum Originalerhalt starten bundesweit
Die Erfahrungen aus diesen Maßnahmen sollen auch nachfolgenden Projekten zugänglich gemacht werden, sodass Archive und Bibliotheken bewährte Praktiken übernehmen und anwenden können. Zwei Beispiele aus den diesjährigen Modellprojekten:
Stiftung Sing-Akademie zu Berlin: Die Telemanniana der Sing-Akademie zu Berlin – Etablierung von geeigneten Restaurierungsverfahren für durch Tintenfraß stark geschädigte Autografe
Die Sing-Akademie zu Berlin überliefert ein Konvolut der zentralen Werke des Barock-Komponisten Georg Philipp Telemann (1681-1767). Über vier Jahrzehnte war Telemann die prägende Figur des kirchlichen und weltlichen Musiklebens Hamburgs. Die in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz als Depositum gelagerten Schriften, überwiegend Handschriften, sind durch Tintenfraß und Papierbruch stark beschädigt, einigen droht der Totalverlust. In einem einjährigen Modellprojekt sollen 483 sehr stark geschädigte Blätter physisch gerettet und somit wieder nutzbar gemacht werden. Die Telemanniana der Sing-Akademie wurden bislang kaum erschlossen, einige Noten sind Unikate noch unentdeckter Werke Telemanns. Doch erst wenn das Material gesichert und konservatorisch bearbeitet ist, können die betreffenden Werke erforscht, veröffentlicht oder gar aufgeführt werden. In Notenhandschriften befindet sich naturgemäß in den Notenköpfen sehr viel Eisengallustinte (eine metallische Tinte). Diese greift mit der Zeit die Fasern des Papiers an, sodass es bricht. In dem durch die KEK geförderten Projekt werden exemplarisch restauratorische Untersuchungen des Schadensbildes vorgenommen und anhand der Ergebnisse materialschonende Methoden und Verfahren für die Konservierung des Gesamtbestands ausgewählt. Nach der Restaurierung sollen mit einem Anschlussprojekt alle Telemanniana erschlossen und digitalisiert werden.
Evangelische Kirchengemeinde Zeitz: Wiegendrucke und Handschriften der Pfarrbibliothek St. Michael Zeitz erhalten
Die Bibliothek St. Michael in Zeitz umfasst rund 3.000 Bände, darunter 37 Inkunabeln und bedeutende Handschriften. Der wertvollste Druck der Bibliothek ist einer von weltweit nur drei bekannten Original-Thesendrucken Martin Luthers aus dem Jahr 1517. Bei der Ausgabe in Zeitz handelt es sich um den Urdruck der 95 Thesen. Einige der Inkunabeln und Handschriftenbestände des 16. bis 19. Jahrhunderts sind so stark geschädigt, dass sie nicht länger genutzt werden können. In einem zweijährigen Modellprojekt sollen 23 Inkunabeln in 12 Bänden und zehn Einheiten von Handschriften restauriert werden, darunter auch die ersten beiden Kataloge der Bibliothek St. Michael aus dem 19. Jahrhundert. Dafür werden mechanische, biologische und chemische Schädigungen soweit bearbeitet, dass eine behutsame Benutzung wieder möglich wird. Zudem soll eine Schimmelbehandlung durchgeführt werden. Die Erhaltung der Handschriften und wertvollen Wiegendrucke aus der Zeit vor 1500 ist besonders wichtig, da die Schriftstücke in ihrer Ausführung und Zusammenstellung sowie mit ihren individuellen Einbänden einzigartig sind.
Auf der Modellprojektförderliste der KEK finden Sie alle Modellprojekte im Förderjahr 2021 aufgelistet. Seit 2010 fördern die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Kulturstiftung der Länder jährlich Modellprojekte, die schriftliches Kulturgut von historischer Bedeutung in Bibliotheken und Archiven nachhaltig vor dem Zerfall bewahren.