Winckelmann. Moderne Antike
Gemeinhin gilt er als der Begründer der Kunstgeschichte und Archäologie: In Weimar würdigt die Klassik Stiftung nun Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) mit einer umfassenden Ausstellung zu seinem Werk und seinem Wirken. Seine Formel von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ antiker Kunst bereitete der klassizistischen Ästhetik in Europa den Weg. Zum 300. Geburtstag präsentiert die Klassik Stiftung Weimar in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Winckelmann nun als einflussreichen Gelehrten, der unser Verständnis der Antike maßgeblich geprägt hat – und dessen Ideen noch heute ihre Strahlkraft entfalten.
Der erste Teil der Ausstellung führt in Winckelmanns Leben und Arbeitsweisen ein. Fünf Bände allein mit Lesenotizen, eine Leihgabe der Bibliothèque nationale de France, zeugen vom enzyklopädischen Wissensdurst des Gelehrten. Die ersten Studien zu Werken bildender Kunst, denen Winckelmann in Dresden bildreiche Beschreibungen gewidmet hat, veranschaulicht die Ausstellung durch Gemälde und die großformatige Skulptur der „Großen Herkulanerin“. Markante Beispiele der antiken Skulptur vermitteln Besuchern zudem die Stilphasen, nach denen Winckelmann die griechische Kunst völlig neu ordnete und so den Entwicklungsgedanken in der Kunstwissenschaft etablierte. Über seine Zeit in Rom, wo sich Winckelmann ab 1755 europaweit beachteten Gelehrten avancierte, folgt dieser Ausstellungsteil chronologisch den Errungenschaften des Jubilars. Den Schlusspunkt bildet die originale Gerichtsakte zu Winckelmanns gewaltsamen Tod 1768 in Triest.
Dem Einfluss Winckelmanns auf nachfolgende Generationen widmet sich der zweite Ausstellungsteil: Hier wird die grundlegende Mehrdeutigkeit seiner ästhetischen Ansätze, die nicht nur »edle Einfalt und stille Größe«, sondern auch Bewegung und Pathos kennen, erlebbar. In den thematischen Bereichen Kunst, Anthropologie und Politik stellt die Schau seine vielfältigen Anregungen zu zentralen ästhetischen und gesellschaftlichen Fragen vor: Welche Bedeutung haben Farbe, Linie und Ausdruck in der Kunst? In welcher Weise wirkte Winckelmanns Griechenideal auf das Menschenbild? Inwiefern wurde es politisch vereinnahmt? Was galt, und was gilt heute als schöner Mensch? Eine Auswahl zeitgenössischer Kunstwerke, beispielsweise von Francesco Vezzoli oder Bettina Rheims, tritt in einen Dialog mit den von Winckelmann bewunderten Meisterwerken der Antike und zeigt, wie „antik“ die Moderne in vielerlei Hinsicht ist, und wie „modern“ die Antike immer wieder werden kann.
Auf über 1.000 Quadratmetern und mit mehr als 200 Plastiken, Gemälden, Zeichnungen, Büchern und Fotografien aus dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart zeigt die Ausstellung gleich einem Kaleidoskop die Faszination, die von Winckelmanns außergewöhnlichem Leben und seinem revolutionären Werk ausgeht.