Vorhang auf für Fitzliputzi

Die Nachkommen des Malers Hans Kohl übergaben in den 1990er Jahren dem Kulturdezernat der Stadt Mainz eine Rarität aus dem Nachlass des aus Mainz stammenden Künstlers: eine vollständige Marionettenbühne, vom Künstler 1928 selbst gebaut, mit rund 40 Puppen, dazu mehrere von Kohl gemalte Bühnenbilder, die zu verschiedenen Märchen der Gebrüder Grimm und von Wilhelm Hauff gehören. Die Köpfe der Marionetten wurden vom Münchner Bildhauer Walter Oberholzer geschnitzt. Die Bühne befindet sich als Dauerleihgabe in der Abteilung „Kinderwelten“ im kleinen Stadthistorischen Museum Mainz, das im Jahr 2000 in Trägerschaft eines Fördervereins seine Pforten öffnete.

Herzog und Prinzessin, Marionetten von 1928, geschnitzt von Walter Oberholzer nach Entwürfen des Mainzer Malers Hans Kohl für Grimms Märchen
Herzog und Prinzessin, Marionetten von 1928, geschnitzt von Walter Oberholzer nach Entwürfen des Mainzer Malers Hans Kohl für Grimms Märchen

Wie kam es zur Schaffung dieser Bühne durch den Maler Kohl und zur Zusammenarbeit mit dem berühmten Puppenschnitzer Oberholzer? Hans Kohl wurde 1897 in Mainz geboren und starb 1990 in Heppenheim an der Bergstraße. Von 1915 bis 1923 studierte er an der Kunstakademie in München und war Meisterschüler von Peter von Halm, dessen Einfluss bei Kohls bekanntem Mappenwerk „Das Goldene Mainz“ (zwölf Radierungen, 1918 –1920) deutlich zu erkennen ist. Daneben widmete sich Kohl vor allem der Porträt- und Figurenmalerei. Nach dem Studium lebte der Maler zusammen mit seiner Frau Anni und der dort geborenen Tochter Ursula noch bis 1933 in München. Vermutlich lernten sich die beiden Künstler an der Akademie der bildenden Künste kennen, wo der gelernte Lithograph Walter Oberholzer (Jahrgang 1893) 1915, nach seiner Übersiedlung aus der Schweiz nach München, ebenfalls das Studium aufgenommen hatte. Ab 1924 spezialisierte sich Oberholzer auf das Schnitzen von Marionetten, vor allem für das Münchener Marionettentheater von Hilmar Binter.

Die beiden Familien waren befreundet, und so wurde Hans Kohl wohl dazu angeregt, 1928 eine Marionettenbühne zu bauen. Er zeichnete die Figuren, und Oberholzer schnitzte nach diesen Entwürfen die Köpfe für die Puppen. Während Oberholzer sonst die Marionetten stets vollständig anfertigte und nur seine Frau die Kostüme nähen durfte, schnitzte er für seinen Freund ausnahmsweise nur die Köpfchen, während Kohl die Gliedmaßen aus Blei und die Führungskreuze selbst herstellte und Anni Kohl die Kostüme nähte. Außerdem malte und baute Hans Kohl die Kulissen und Bühnenprospekte. Die ersten Aufführungen dieser kleinen Bühne fanden 1928 in den Räumen der Münchener Freimaurerloge statt. 1930/31 schuf Kohl noch eine zweite größere Bühne, um vor einem größeren Publikum spielen zu können.

Eine Besonderheit der Kohl’schen Marionettentheateraufführungen in München war, dass echte Opernsänger und -sängerinnen mitwirkten. Dies kam dadurch zustande, dass Kohls Schwester Sophie Opernsängerin war und gemeinsam mit Theaterkollegen für die musikalische Begleitung der Aufführungen sorgte. Um 1933 zog Familie Kohl von München nach Frankfurt um. Auch hier traten sie mit ihrem Marionettentheater auf. Der Enkel Johannes erinnert sich, dass sein Großvater Lieblingsfiguren unter den Marionetten hatte. So liebte er vor allem den goldenen Teufel „Fitzliputzi“.

Insbesondere das Hauff’sche Märchen „Die Geschichte von Kalif Storch“ scheint es dem Künstler angetan zu haben. Hierfür schuf er eine große Anzahl von Figuren, liebevoll gestaltet bis in die kleinsten Details, so z. B. den Kalifen und seinen Freund und Großwesir, ebenso die beiden nach ihrer Verwandlung in Störche, die Eule (Prinzessin), den Zauberer, eine Tänzerin, Sklaven u. a. Daneben gibt es das Personal und Kulissen für mehrere Grimm’sche Märchen, z. B. „Hänsel und Gretel“, „Die Bremer Stadtmusikanten“, „Hans im Glück“, „Der gestiefelte Kater“, „Rumpelstilzchen“ und andere. Alle Charaktere sind im Gesicht äußerst ausdrucksvoll gestaltet und mit phantasievollen Kostümen und Zubehör versehen.

Die Marionetten und die Bühne müssen aufgrund ihres Alters dringend restauriert werden. So reißen die über 80 Jahre alten Schnüre und sind zum Teil stark verknotet. Die Puppen müssen daher alle neu geschnürt werden. Mit Markus Dorner, Leiter des Puppenmuseums in Bad Kreuznach und selbst Puppenspieler, wurde ein Fachmann gefunden, der in der Lage ist, diese diffizile, zeitaufwendige Arbeit auszuführen. Die Schnürung einer einzigen Marionette dauert vier bis fünf Stunden. Bisher scheiterte die Ausführung an den fehlenden finanziellen Mitteln. Auch der Rahmen der Bühne mit einer Beleuchtungsvorrichtung und das Holzgestänge, an dem die Kulissen und der Bühnenprospekt befestigt werden, sind reparaturbedürftig; die Scharniere sind rostig.

Nach der Restaurierung sollen wechselnde Bühnenbilder mit den Puppen zu verschiedenen Märchen gezeigt werden, damit sich kleine und große Museumsbesucherinnen und -besucher an diesen einzigartigen Miniatur-Kunstwerken von Hans Kohl und Walter Oberholzer erfreuen können. Ergänzt werden soll die Präsentation durch gelegentliche Puppentheater-Aufführungen und Märchenlesungen.

Wir bitten Sie herzlich, liebe Leserin und lieber Leser, um Unterstützung für das Stadthistorische Museum Mainz. Spenden Sie für die Restaurierung der historischen Marionettenbühne und der geschnitzten Puppen und überweisen Sie bitte unter dem Stichwort „Marionetten“ auf eines der Konten der Kulturstiftung der Länder. Vielen Dank!

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