Morbide Einsichten
Ein pastoser, fast wilder Farbauftrag bringt das tote Fleisch des „Geschlachteten Ochsen“ dem Betrachtenden extrem nah. Aufgehängt an den Hinterläufen klafft der Körper auf, die Haut ist zum Teil abgezogen und hinterfängt mit weißen Partien den Kadaver. Lovis Corinth schuf dieses Gemälde im Jahr 1905, ein Jahr, nachdem der Kunsthändler Paul Cassirer ihn mit Max Liebermann und Max Slevogt als das „Triumvirat des deutschen Impressionismus“ bezeichnet hatte. Corinths Thema ist hier die malerische Darstellung von Haut, Blut und Fleisch, inspiriert von der holländischen Barockmalerei. In seinem Schaffen hat er sich fast ein Dutzend Mal mit Schlachthofszenen auseinandergesetzt. Neben der atmosphärischen Wiedergabe der alle Sinne einnehmenden handwerklichen Szenerie, wie beim 1893 entstandenen Gemälde mit dem Titel „Im Schlachthaus“ (Staatsgalerie Stuttgart), sind es immer wieder die aufgebrochenen, farblich differenzierten Tierkadaver, die Corinths Interesse wecken. Auch in Ölskizzen beschäftigte sich Corinth, der als Sohn eines Gerbers geboren wurde, mit dieser Thematik. Im „Geschlachteten Ochsen“ steht nur noch die Malerei selbst im Zentrum. Corinths Fragen nach den Möglichkeiten der Malerei durchzieht sein gesamtes Schaffen. Er überwand das Historienbild, indem er die Inszenierung des Augenblicks in den Vordergrund rückte, und gerade in seinem Spätwerk scheint die vitale Farbigkeit der Landschaft seine eigene Krankheit zu überwinden.
Aus den meisten Werkgruppen kann das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg (KOG) Beispiele im Bestand aufzeigen. Lovis Corinth, der 1858 in Tapiau (Ostpreußen) geboren wurde, und 1925 in Zandvoort (Holland) verstarb, zählt zu den wichtigsten künstlerischen Positionen des KOG. Corinth studierte in Königsberg und Paris, war in München und Berlin tätig. Das KOG verwahrt dreizehn Gemälde, darunter Hauptwerke wie „Das große Martyrium“ (1907), sowie ein beachtliches Konvolut an Skizzenbüchern, Zeichnungen und Druckgraphiken.
2025 wird das KOG Corinth aus Anlass seines 100. Todestages mit einem großen Auftritt feiern. Nach der großen Retrospektive im Jahr 2008, die das KOG gemeinsam mit dem Museum der Bildenden Künste in Leipzig und dem Musée d’Orsay in Paris organisierte, soll Corinth unter neuen inhaltlichen Schwerpunkten vorgestellt werden. Für dieses Ausstellungsprojekt sind umfassende Restaurierungsmaßnahmen notwendig. Vor allem der „Geschlachtete Ochse“, der sich derzeit im Depot befindet und nicht zugänglich gemacht werden kann, bereitet große Sorge. Die Gemälderestaurierung für das KOG erfolgt nicht über das Museumsteam, sondern wird auf Honorarbasis vergeben.
Der „Geschlachtete Ochse“ war 2008 in oben erwähnter Ausstellung in allen drei Stationen zu sehen. Bereits 2005 wurde die Leinwand aus dem fragilen Originalrahmen gelöst. Nun hat sich der Zustand des Gemäldes selbst verschlimmert. Die Begutachtung durch eine freiberufliche Gemälderestauratorin hat ergeben, dass eine Bearbeitung des Gemäldes sowie des Originalrahmens notwendig ist. An einigen Stellen, vor allem in der Bildmitte, wurde eine splittrige Bildschicht mit Malschichtlockerungen festgestellt. Bereits bestehende Fehlstellen sollten fixiert und wiederaufgebaut werden, so dass das Werk in neuem Glanz erstrahlen kann. Für die geplante Ausstellung möchten wir das Gemälde restauriert und im Originalrahmen vorstellen. An allen Eckornamenten des Rahmens ist der Stuck gebrochen, die an Eisendrähten hängenden Bruchstücke sind mit kleineren und größeren Ausbrüchen und Fehlstellen an den Kanten erhalten. Nötig ist daher, dass die Fehlstellen ergänzt, gekittet und modelliert werden. Für die Restaurierung des „Geschlachteten Ochsen“ werden 4.800 Euro veranschlagt. Aus unserem Etat können 1.000 Euro aufgebracht werden. Wir bitten Sie, liebe Leserinnen und Leser von Arsprototo, herzlich um Ihre Mithilfe für die verbleibenden Kosten.