Stoffliches

Liebe Leserin, lieber Leser,

kein musealer, sondern ein editorischer Bildertausch macht den Auftakt zu diesem Heft: Nach über 12 Jahren hat Isabel Pfeiffer-Poensgen die Kulturstiftung der Länder verlassen, als neue Ministerin für Kultur und Wissenschaft ist sie nun in Nordrhein-Westfalen tätig. Bis ihre Stelle neu besetzt ist, werden Sie an dieser Stelle mir als kommissarischem Generalsekretär begegnen.

Ein Projekt, das Pfeiffer-Poensgen ganz besonders am Herzen lag, ist das Modemuseum im brandenburgischen Meyenburg. Im dortigen Schloss hatte Josefine Edle von Krepl nach langer Suche ihren über Jahrzehnte angesammelten Schatz untergebracht: eine erstaunlich reichhaltige Kollektion von Modeartikeln – Kleider, Kostüme, Roben, Accessoires –, die anders als die Textilsammlungen der großen Kunstgewerbe- und Kostümmuseen besonders den Alltag in den Fokus rückt. Das Museum zeigt, wie einfallsreich in Zeiten der Not, wie gezielt unter autoritären Regimen, wie innovativ in Epochen des Aufbruchs Konfektionsware gefertigt wurde. Unser täglicher Griff in den Kleiderschrank ist indes kaum noch von Reflexionen über das Wie und Warum von Mode begleitet – ein empfind­licher Verlust, wie uns der Artikel von Ingeborg Harms lehrt. Sie beschreibt kenntnisreich und sprachmächtig, wie die Frau vom gestalteten Textil – und über lange Strecken vom männlichen Wunschdenken – buchstäblich in Form gebracht wurde.

Das umgekehrte Verhältnis, die Gestaltung von Textilien durch moderne Frauen, begegnet uns in dem Beitrag von Britta Kaiser-Schuster. Zwar wollten die männlichen Bauhäusler ihren weiblichen Kolleginnen ein Korsett anlegen, indem sie sie gleichsam in das Reservat des haushaltsnahen Webens und Wirkens und somit in die „Weiberklasse“ zwangen, wie es zunächst despektierlich hieß. Doch es waren eben starke Frauen, die hier gestaltend tätig wurden und die Textilkunst gleichsam neu erfanden. Das belegen eindrucksvoll die für das Berliner Bauhaus-Archiv erworbenen Teilnachlässe von Benita Koch-Otte, Gertrud Arndt und Gunta Stölzl. Ihre ausgeführten Entwürfe, die Webmuster und Designproben, aber auch ihre im Zeichen des gewachsenen Selbstbewusstseins entstandenen fotografischen Arbeiten zum Bauhaus-Alltag beleuchten ein bislang wenig erkundetes Feld der Forschung. Dass am Ende sogar Walter Gropius, der Direktor des Bauhauses Weimar, sein Büro mit Wandbehängen und Teppichen aus der „Weiberklasse“ dekorierte, spricht für sich und dokumentiert die Bedeutung des weiblichen, textilen Beitrags zum Bauhaus-Konzept.

Ein Modeheft also, oder besser ein Textiljournal soll Sie in den Herbst begleiten, der auch Anlass zu einer Reise in die Freie Hansestadt Bremen sein könnte. Mit einem Beitrag zu dem reichen Bestand des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle, einem Spendenappell des Schiffahrtsmuseums in Bremerhaven und einem Blick in die Bestände des Übersee-Museums stellen wir Ihnen in der 50. Ausgabe von Arsprototo drei Institu­tionen von Stadt und Land Bremen vor, dem dieses Heft gewidmet ist.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Frank Druffner