Silber war das alte Gold

Vergleichbar mit heutigen nationalen Goldbeständen, waren sie Wertanlage und eiserne Reserve: Aber auch als Nonplusultra fürstlicher Repräsentation bestellten im 17. Jahrhundert Fürstenhäuser wie Braunschweig-Lüneburg-Hannover und Brandenburg-Preußen bevorzugt kostbare Silberausstattungen für ihre Residenzen. Von handwerklicher Meisterschaft und barocker Kulturblüte zeugen die um 1670 getriebenen, gegossenen, ziselierten, punzierten und gravierten zweiarmigen Silberleuchter, die jetzt nach Celle zurückkehren: Neben seinem praktischen Zweck verfehlte der aufwendige Silberschatz der wichtigen Welfenresidenz auch nicht seine Wirkung auf die Besucher der Regenten. Standen die als Blaker bezeichneten Silberleuchter des Celler Schlosses doch im Dienste des welfischen Fürsten, der aus dem Renaissance-Schloss durch umfangreiche Um- und Einbauten eine moderne Residenz machen wollte. Von Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg ursprünglich als sechsteiliges Silbermobiliar in Auftrag gegeben, befinden sich je zwei Blaker dieses Ensembles heute im Museum of Fine Arts in Houston bzw. Boston. Das dritte Paar der wertvollen Wandbeleuchtung konnte nun mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Rudolf-August Oetker-Stiftung, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Regionalstiftung der Sparkasse Celle und der Stadt Celle vom Residenzmuseum im Celler Schloss erworben werden.

Friedrich Kettwyck, zwei Wandblaker, um 1670, Höhe 73 cm; © Residenzmuseum, Schloss Celle
Friedrich Kettwyck, zwei Wandblaker, um 1670, Höhe 73 cm; © Residenzmuseum, Schloss Celle

Beim Goldschmied Friedrich Kettwyck in Hamburg geordert, entstanden die Wandblaker in einer äußerst renommierten Werkstatt, die europaweit Aufträge erfüllte und u. a. die heute in der Schatzkammer des Kreml aufbewahrten Reliefplatten eines Reliquienschreins herstellte. Kettwyck konnte für Herzog Georg Wilhelm das volle Repertoire der Goldschmiedetechnik aufbieten: Wenige vergleichbare Ausstattungsschätze haben sich erhalten, da die meisten Silberarbeiten später fürstlichen Einschmelzaktionen zum Opfer fielen. Umrankt vom Akanthusornament blühen Lilien und Tulpen, das vegetabile Relief hebt sich effektvoll von den glatten Flächen ab. Aus der Mitte blickt mit klassisch schönem, jugendlichen Antlitz die Heilige Susanna, die sich keusch zur Seite wendet – eine Reminiszenz an die Stuckaturen des Paradeappartements des Celler Schlosses, in dessen aufwendigstem Raum, dem Schlafgemach, die Heilige Susanna als Büste neben dem Bettalkoven dargestellt wurde. Als Vorbild diente die Marmorskulptur des flämischen Bildhauers François Duquesnoy für die Kirche Santa Maria di Loreto in Rom, eine der berühmtesten Statuen des römischen Barock. Für den Abschluss der Wandplatte schließlich wählte Kettwyck zwei effektvoll an einem Akanthusblatt arrangierte Taglilienblüten. Die zwei Blaker, zusammen über 10 kg schwer, sind weit mehr als gemeine Beleuchtungskörper: Dem Symbol für die himmlische Erleuchtung steht die jungfräuliche Susanna in ihrer standhaften Verkörperung der Frömmigkeit als Patin zur Seite.

Die filigranen Silberobjekte gelangten 1705 nach dem Ende der Celler Linie nach Hannover und waren noch bis zu Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1878–1953) in der Silberkammer der fürstlichen Familie nachweisbar, bevor sie in den 1920er Jahren in den Kunsthandel gegeben wurden. Lange in einer mallorquinischen Privatsammlung beheimatet, konnten sie vom Residenzmuseum aus einer deutschen Galerie angekauft werden. Als Spitzenobjekt der prunkvollen Ausstattung illustrieren die Wandblaker die exquisite barocke Einrichtung der einstigen Celler Residenz, die das damals noch selbstständige welfische Fürstentum zum Renommierdomizil umgestaltet hatte: nach dem ebenfalls mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder gelungenen Erwerb der drei Huldigungspokale aus der Sammlung von Yves Saint Laurent im Jahr 2009 ein weiterer Meilenstein bei der Rekonstruktion des einstigen Silberbestandes der Celler Residenz.