Serielles
Strahlengleich durchziehen die vier schwarzen Linien der Stromleitung das Grau des Himmels, bevor sie sich am Mast vereinen. Dahinter liegt die Eiserfelder Hütte, eine Industrieanlage, die bis zum Entstehungszeitpunkt der Fotografie 1972 für die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen im Einsatz war. Die abgelichtete menschenleere Kulisse ist ein typisches Motiv des Künstlerehepaars Bernd (1931–2007) und Hilla Becher (1934–2015), die sich in ihrer Arbeit über Jahrzehnte der Industriearchitektur verschrieben. Nahm alles seinen Anfang im Siegener Umland, der Heimat Bernd Bechers, fotografierte das Ehepaar später in der ganzen Welt: In England, Frankreich und den USA vermaßen sie in streng komponierten Schwarz-Weiß-Fotografien Fachwerkhäuser, Fördertürme und Gasbehälter. So entstanden in umfangreichen Bildserien Typologien industrieller Bauten, die mit einem möglichst objektiven und analytischen Blick die Beschaffenheit der imposanten Konstruktionen aufdecken. Ihrer strengen bildkompositorischen Systematik folgend, präsentierten die Fotografierenden die eigenwilligen Baukörper herausgelöst aus ihrem lokalen Umfeld und den geografischen Gegebenheiten.
Die eindrücklichen Schwarz-Weiß-Fotografien von Bernd und Hilla Becher bilden seit der Museumseröffnung 2001 einen wichtigen Bestandteil der Sammlung des Museums für Gegenwartkunst Siegen. Nun hat das Museum mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kunststiftung NRW, der Stiftung der Sparkasse Siegen für Kunst und Kultur und des Freundeskreises des Museums für Gegenwartskunst Siegen zehn weitere Arbeiten von 1962 und 1972 erwerben können, die sich thematisch wiederum ganz der Industriearchitektur des Ruhrgebiets widmen: Sie zeigen die Hüttenanlagen Siegen/Hain, Siegen Birlenbach und Siegen Eiserfeld. Auch wenn die abgebildeten Protagnisten typisch für das Œuvre der Bechers sind, rückt das Fotografenduo sie anders als üblich ins Bild und bricht in manchen Fotografien mit der Systematik seiner Typologien. Nicht die übliche Dekontextualisierung lässt beispielsweise die Charakteristika der Hütte in Eiserfeld hervortreten; das landschaftliche Umfeld als kontrastierende Folie macht die mechanische Beschaffenheit der industriellen Baukörper augenfällig.