Beschreibung
Tilman Riemenschneider (um 1460-1531) lebte seit 1483 in Würzburg und wurde hier 1485 Bürger und Meister. Riemenschneider, einer der Hauptmeister der deutschen Spätgotik, wirkte mit seinen Werken stilbildend auf die mainfränkische Plastik seiner Zeit. Seinen Stil kennzeichnet eine verfeinerte, nuancenreiche Oberflächenbehandlung. Die schnitzerische Virtuosität mit einer durchaus individuellen Kennzeichnung der Physiognomien und der außerordentlich gute Erhaltungszustand der Figuren lassen die Skulpturen zu einem neuen Höhepunkt des Riemenschneider-Saales des Bayerischen Nationalmuseums werden. Besonders hervorzuheben ist die originale, qualitätvolle und kostbare farbige Fassung in einem ungewöhnlich guten Erhaltungszustand. Sie unterstreicht die ausführliche und detailgetreue Arbeit Riemenschneiders und zählt zu den besterhaltenen Fassungen der deutschen Spätgotik, da sie niemals übermalt wurde. Der Eindruck der Fassung wird besonders durch die reiche Verwendung von Blattgold und Blattsilber bestimmt. Die naturalistisch wiedergegebenen Inkarnate sind mit großer Sorgfalt ausgeführt. Als Faßmaler konnte Frater Martin Schwarz, Mitglied des Franziskaner-Konvents zu Rothenburg ob der Tauber, identifiziert werden. Die figurenreiche, bildmäßige Anlage der für die Ausstattung eines Schreines bestimmten Gruppen weist in der Konzeption auf Werke altniederländischer Kunst zurück. Bei dem großen Kreuzigungsaltar, aus dem die beiden Figurengruppen stammen, muß es sich um ein frühes Werk des Meisters nach der Gründung seiner Werkstatt in Würzburg handeln. Die beiden Figurengruppen rahmten ursprünglich im Mittelschrein eines Flügelaltars einen zentralen Kruzifix. Hinter den beiden Gruppen erhoben sich die Kreuze der Schächer, wie Aussparungen auf der Rückseite der Holzblöcke erkennen lassen. Auf der Innenseite der ehemals zugehörigen Flügel befanden sich Flachreliefs mit der Darstellung Christi am Ölberg und der Auferstehung, die heute im Schloßmuseum Berchtesgaden ausgestellt sind. Eine, möglicherweise zwei, Figurengruppen aus der Predella des Altars befinden sich in der Berliner Skulpturengalerie. Die genaue Herkunft des Altars ist nicht überliefert. Ältere Vermutungen einer Provenienz aus der Kirche der Benediktinerabtei Wiblingen bei Ulm, die lange für die Namensgebung der Figuren ausschlaggebend war, haben sich nicht bestätigt. Gewisse Indizien sprechen vielmehr dafür, daß es sich um einen Kreuzaltar einer 1813 abgerissenen Bettelordenskirche in Rothenburg ob der Tauber handelt, da die Gruppen 1812 von den Vorfahren des letzten Eigentümers in Rothenburg erworben wurden.Zusammen mit der Kulturstiftung der Länder, dem Bundesministerium des Innern, dem Freistaat Bayern und dem Ernst von Siemens-Kunstfonds wurden die beiden Gruppen aus süddeutschem Privatbesitz für die Riemenschneider-Abteilung des Bayerischen Nationalmuseums erworben.