Beschreibung
Aus der Werkstatt des Münchner Hofgoldschmieds Theodor Heiden (1853-1928) ging eine der künstlerisch anspruchsvollsten und handwerklich aufwendigsten Goldschmiedearbeiten des Münchner Historismus hervor: der von Anton Seder (1850-1916), Direktor der Straßburger Kunstgewerbeschule, nach Motiven Richard Wagners entworfene Tafelaufsatz Der Gral. Dieses von der damaligen Fachwelt mit Bewunderung aufgenommene Meisterwerk bildete einen Hauptanziehungspunkt der deutschen Abteilung auf der Pariser Weltausstellung von 1900 und wurde dort mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Der von Heiden selbst als Tafelaufsatz bezeichnete Gral besteht aus mehreren ineinander verschraubten Einzelteilen: der Burg Montsalvace als Basis, dem turmartigen Schaft mit einem kleinen Burgmodell, dem Gralstempel als dominierendem Mittelstück und der von einer Rebenranke überwölbten Gralsschale als Bekrönung. Neben zahlreichen Edelsteinen und verschiedenfarbigen Emails wurde hauptsächlich vergoldetes Silber, für die feingliedrige Schalenmontierung auch Gold verwendet. Neben die Kostbarkeit des Materials und die Perfektion der handwerklichen Ausführung tritt die Originalität des künstlerischen Entwurfs, für die es im Kunstgewerbe des Historismus namentlich in Deutschland nur wenige Parallelen gibt. Sowohl durch den ikonographischen Bezug zu Richard Wagners Opern Lohengrin und Parsifal wie auch durch die geistvolle formale Verknüpfung von Burg, Tempel und Schale unterscheidet sich der Münchner Tafelaufsatz wesentlich von anderen zeitgenössischen Darstellungen der Gralssage, die sich zumeist an die literarische Überlieferung halten und den Gral in herkömmlicher Pokal- oder Kelchform wiedergeben.Angekauft wurde das Werk von der Kulturstiftung der Länder, dem Ernst von Siemens-Kunstfonds und dem Freistaat Bayern für das Bayerische Nationalmuseum in München, dessen bedeutende Sammlung historistischer Kunstgegenstände mit Ankäufen auf der Wiener Weltausstellung 1873 begründet und nach dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich ausgebaut wurde.