Preisübergabe
AKTUELLES

Perspektivwechsel und neue Räume für Begegnungen

Zum dritten Mal haben Bund und Länder den gemeinsamen Preis KULTURLICHTER bei einer festlichen Preisverleihung in Frankfurt am Main vergeben / Josefina Trittel

Bei einem Preis, der es sich zur Aufgabe macht, insbesondere den kreativen Einsatz digitaler Instrumente und Technologien in der kulturellen Bildung zu fördern und auszuzeichnen, stellt sich stets die zentrale Frage, wo das Digitale einen Mehrwert schafft über das analoge Erleben und die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur hinaus. Der Zauber der unmittelbaren Erfahrung wird dann nicht geschmälert, sondern ein Eintauchen in bisher unbekannte Welten gar erst möglich, wenn physische und inhaltliche Barrieren mittels digitaler Tools überwunden werden. Die neun nominierten Projekte und Konzepte von KULTURLICHTER – Deutscher Preis für kulturelle Bildung 2023/24 zeigen auf eindrückliche Weise, was möglich wird, wenn künstlerische Vermittlungsansätze erweitert und neu gedacht werden. Eine enorme inhaltliche Breite im Bewerbungsverfahren beeindruckte die Jury, die aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes und der Länder, aus Wissenschaft und Kultur sowie der Praxis kultureller Bildung und der Zivilgesellschaft besteht. Denn die Bewerbungen behandeln Themen von Radikalisierungstendenzen in Online-Subkulturen bis hin zu spielerisch aufbereiteter Erinnerungskultur marginalisierter deutscher Migrationsgeschichten. Es zieht sich der Wunsch hindurch, neue Begegnungsräume für ästhetische Erfahrungen zu schaffen und die Auseinandersetzung mit komplexer gewordenen gesellschaftlichen Kontroversen zu begleiten. So wird der digitale Raum beispielsweise genutzt, um historisch Verlorenes wieder lebendig werden zu lassen, in anderen Heimaten Zurückgelassenes in Erinnerung zu rufen oder fantasievolle Zukünfte zu entwerfen. Da Kulturinstitutionen wie Konzerthäuser oder Theater für viele abgeschlossen und wenig niedrigschwellig wirken können, wollen kreative Vermittlungskonzepte dem entgegenwirken, Hürden abbauen und Zugänge bieten mittels zielgruppenorientierter und partizipativ entwickelter Projekte und Programme, die Brücken schlagen. So geben es auch die Teilnahmebedingungen des KULTURLICHTER-Wettbewerbs vor: Die ausgezeichneten Projekte sollen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen und der Förderung des Verständnisses dienen, dass kulturelle und künstlerische Ausdrucksformen, Identitäten, Geschichtsauffassungen und Traditionen divers sind. Ebenso sollen durch die technischen Innovationen Bildungserfahrungen erweitert und kreative Ausdrucksformen ermöglicht werden.

Als am Abend des 22. Mai 2024 im Rahmen einer festlichen Preisverleihung im Produktionshaus NAXOS in Frankfurt am Main zum dritten Mal der Preis KULTURLICHTER verliehen wurde, konnte sich das Publikum vor Ort selbst ein Bild von der großen inhaltlichen Vielfalt der nominierten Projekte machen. Die Frankfurter Moderatorin Aisha Camara führte durch den Abend, und der Hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels, begrüßte die anwesenden Gäste. Erstmalig nach den Jahren der Pandemie konnte ein großes Publikum von 200 Gästen die Verleihung der KULTURLICHTER-Preise in drei Kategorien gespannt verfolgen und die Nominierten mit ihren gesamten Teams aus ganz Deutschland zu diesem feierlichen Anlass anreisen.

Der Preis des Bundes wurde durch die Beauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, verliehen, die sich in einer Videobotschaft an die Anwesenden wendete. Das Projekt „Maqam – Arabischsprachiges Lied. Ein Blended-Learning Projekt des Pierre Boulez Saals“ in Kooperation mit der Barenboim-Said Akademie gGmbH aus Berlin vermittelt Lehrkräften und Schüler:innen das Singen und Spielen von arabischen Liedern. Der kostenlos auf einer Onlineplattform angebotene e-Learning Kurs wird mit analogen Workshops kombiniert, die von Mitsingkonzerten mit professionellen Musiker:innen in Schulklassen begleitet werden. Das ausgezeichnete Projekt trage die „Gedanken von Gleichberechtigung, gegenseitigem Respekt und dem Willen zur Zusammenarbeit und Verständigung bereits in die Schulen“, so betonte Claudia Roth in ihrer Laudatio, und „Musik werde damit zu einer Vermittlerin zwischen den Kulturen“. Der Preis des Bundes ist ebenso wie der Preis der Länder mit 50.000 Euro dotiert.

Der von den Ländern Hessen und Niedersachsen stellvertretend für die Ländergemeinschaft vergebene Preis in der Kategorie Preis der Länder wurde vom Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, Falko Mohrs, überreicht. Ausgezeichnet wurde das Projekt „Der Garten der Erinnerungen“ des Integrationshaus e. V., das im Kölner Stadtteil Kalk einen virtuellen Garten aus Erinnerungen verschiedener Länder und Umwelten ko-kreativ erschafft und in einer Ausstellung erfahrbar macht. Durch das behutsame Öffnen von Gesprächs- und Begegnungsräumen innerhalb einer Nachbarschaft findet eine Verortung in und Anknüpfung an die eigene Umgebung statt. Dabei werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch in den technischen Prozess involviert und erhalten somit Zugänge zu neuen Technologien. So werden demokratische Gestaltungsprozesse einer postmigrantischen Gesellschaft in Teilhabe erprobt.

Da die Gewinnerin oder der Gewinner des Publikumspreises stets in einem öffentlichen Online-Voting ermittelt wird, blieb es bis zuletzt spannend für die Nominierten und das Publikum in der bunt erleuchteten Haupthalle der ehemaligen Schleifpapierfabrik im Nordosten Frankfurts. Während des ersten Teils der Preisverleihung blieb die Abstimmung geöffnet, sodass Kurzentschlossene noch über QR-Codes für eines der für den Publikumspreis nominierten Projekte abstimmen konnten. Als das Ergebnis des Online-Votings auf der Leinwand eingeblendet wurde, war die Freude beim Team des Projekts „Opernglas war gestern – MSY goes VR” der Münchner Symphoniker groß. Ziel des Projekts ist es, die Orchestermusik einem breiten Publikum unabhängig von Ort, Zeit und Alter außerhalb des Konzertsaals nahezubringen. Das Jurymitglied Mechthild Eickhoff, Geschäftsführerin des Fonds Soziokultur und diesjährige Vorsitzende der Jury, berichtete in ihrer Laudatio für das ausgezeichnete Projekt von den Diskussionen im Zuge der Jurysitzung und ging auf die inhaltliche wie mediale Vielfalt der insgesamt rund 99 gesichteten und bewerteten Bewerbungen ein. Die Heterogenität der Institutionen, hinter denen Teams von zwei oder auch von zwanzig Personen stehen können, der Sparten und eingesetzten digitalen Instrumente sei besonders hervorzuheben, so Mechthild Eickhoff, denn dies mache einen Vergleich der Bewerbungen untereinander teilweise nur schwer möglich. Auch wäge die Jury stets ab, welche Projekte das Potenzial haben, eine solche länderübergreifende oder gar bundesweite Strahlkraft zu entfalten, dass sie von anderen Trägern adaptiert werden können, und welche Konzepte bereits gut erdacht sind, jedoch noch einen professionellen Anschub benötigen könnten. Genau hier setzt der nicht dotierte Preis des Publikums an, welcher ein Projekt mit besonderem Potenzial prämiert: Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält eine maßgeschneiderte Beratung für die Weiterentwicklung des Projekts, und gemeinsam wird auf die individuellen Bedürfnisse und Anliegen des Vorhabens eingegangen. Um den Prämierten des Publikumspreises einen Einblick in den sie erwartenden Beratungsprozess zu geben, berichtete Astrid Bormann, Museumspädagogin am Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven und Gewinnerin des Publikumspreises 2021, von ihren Erfahrungen. Nach Abschluss der Preisverleihung gab es Gelegenheit zum Austausch zwischen Nominierten, Jurymitgliedern, Preisträgerinnen und Preisträgern und dem Publikum. Gut möglich, dass aus dem ein oder anderen Austausch zwischen den Teams der angereisten Theater, Tanzensembles oder App-Developer Ideen für neue Konzepte und Kooperationen entstehen, die sich zu strahlenden, künftigen KULTURLICHTERN entwickeln werden.

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