Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses
Walter Gropius war erleichtert. Finanziell endlich in der Lage, einen weiteren Meister einzustellen, setzte der Leiter des Staatlichen Bauhauses Weimar gleich ein Berufungsschreiben auf – längst war ihm klar, wen er für diesen Posten gewinnen wollte: „Lieber verehrter Herr Klee (…). Schon seit Jahresfrist warte ich auf den Moment, diesen Ruf an Sie ergehen zu lassen. Die Schüler strahlen in den Gedanken, dass Sie kommen könnten; Also eigentlich alle erwarten Sie hier mit Liebe. Darum warten wir auf ein schnelles Ja!“ Mit schmeichelnden Worten umwarb Gropius den 1879 in Münchenbuchsee geborenen Paul Klee in seinem Brief vom 29. Oktober 1920. Schließlich konnte der Künstler zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine erfolgreiche wie produktive Karriere zurückblicken – nur wenige Monate zuvor hatte er in München mit insgesamt 362 Werken seine erste Retrospektive absolviert.
Nachdem Klee Gropius’ Ruf nach Weimar gefolgt war, brach für den Künstler ein neues, prägendes Kapitel an: Neue Möglichkeiten wie Fotografie, Film und Industriedesign stellten die klassischen Gattungen auf den Prüfstand; auch Walter Gropius’ 1923 formuliertes Motto „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ drängte die Bedeutung der Malerei zunehmend in den Hintergrund. Mit den technisch-rationalen Tendenzen seines neuen Umfeldes konfrontiert, beschäftigte sich der Bauhaus-Meister Klee verstärkt mit seiner Identität und Kompetenz als Maler. Wie Klee auf die Herausforderungen dieser neuen technisierten Welt und deren Auswirkung auf das Schaffen des modernen Künstlers reagierte, beleuchtet nun die Pinakothek der Moderne mit einer monographischen Sonderausstellung. Ausgehend von den Schwerpunkten der eigenen Sammlung zeigt die von der Kulturstiftung der Länder geförderte Schau in München, wie sich Klee als selbstreflexiver, „denkender Künstler“ zwischen den Gegensätzen von Ratio und Intuition, von Verstand und Gefühl bewegt und in einer „Konstruktion des Geheimnisses“ versucht, diese in eine Balance zu bringen.
So schreibt Klee in seinem programmatischen Text „Exakte Versuche im Bereich der Kunst“ im Jahr 1928, dass Kunst niemals nur das Ergebnis von Fleiß und Verstand sein kann, sondern darüber hinaus etwas in sich trägt, dass sich weder lernen lässt noch lehrbar ist. Von „Aufstieg und Fall“ über „Kosmische Komposition“ bis hin zu „Schwebendes“: Nach originalen Werktiteln benannt, führen die thematisch gegliederten Kapitel durch Klees Schaffen der Jahre 1905 bis 1940 und illustrieren, wie der Künstler prägnante Leitideen und Bildmotive kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei spielen – Klees Sehnsucht nach Transzendenz widerspiegelnde – Motive wie Leiter, Treppe, Berg und Gestirn eine ebenso wichtige Rolle wie dem Bauhaus zugehörige Aspekte von Architektur, Perspektive und Konstruktion des Raumes. Doch auch Figuren wie der Gaukler, Clown oder Engel greift der Künstler in seinen Kompositionen immer wieder auf, wie die Ausstellung zeigt. Neben dem umfassenden Klee-Bestand der Pinakothek der Moderne – darunter die mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder erworbenen Gemälde „Wachstum der Nachtpflanzen“ von 1922 und „Pastor Kohl“ von 1932 – erlauben die über 100 nationalen wie internationalen Leihgaben einen erweiterten Blick auf die künstlerische Auseinandersetzung Klees mit den drängenden ästhetischen Herausforderungen der Moderne, abseits jeglicher Klischees des Künstlers als weltabgewandtem Träumer.