Landschaftsfoto mit Schloss im Hintergrund vor bewölktem Himmel
KUNST UND NATUR

Landschaftsbilder in der Natur – die Natur im Landschaftsbild

Sigrid Hoff im Gespräch mit Cord Panning, Geschäftsführer und Parkdirektor der Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“, und Dr. Stefan Körner, Vorstand der Stiftung Fürst-Pückler-Museum – Park und Schloss Branitz in Cottbus

Sigrid Hoff: Landschaftsbilder in der Natur, das ist ein Thema, dem sich Hermann Fürst Pückler von Pückler-Muskau (1785 – 1871) intensiv gewidmet hat mit der Anlage seiner beiden Parks, zunächst in Muskau, ab 1815, und dann, von 1846 an bis zu seinem Tod, in Branitz. Beide Parks besitzen ihre Besonderheiten, und die wollen wir zunächst vorstellen. Der Muskauer Park liegt heute im nordöstlichen Sachsen und im Südwesten der Woiwodschaft Lebuser Land, direkt an der Neiße und damit an der deutsch-polnischen Grenze, die den Park seit 1945 teilt. Was zeichnet die erste der beiden Parkschöpfungen von Fürst Pückler heute aus, Herr Panning?

Hören Sie das ungekürzte Interview im Podcast der Kulturstiftung der Länder.

 

CP: Der Schlüssel zum Verständnis des Muskauer Parks liegt sicherlich in der Topografie. Wir haben hier die interessante geologische Situation einer Endmoräne, die von einem veritablen Fluss durchschnitten wird, von der Neiße. Die Neiße hat in diese Endmoräne Terrassen hineingefräst. Es gibt Erosionsrinnen, also ein spannendes landschaftliches Relief, was den Fürsten Pückler dazu ermuntert hat, nun den Begriff Landschaftsgärtnerei wörtlich zu nehmen und wirklich in einer großdimensionierten Landschaft zu gärtnern. Das heißt, dass man Gehölzarten verwendet, die in der Landschaft vorkommen, dass man sich des Wassers, des Bodens, der Steine bedienen muss, um aus diesen Zutaten, dieser Gemengelage dann wiederum ein ganz eigenes Kunstwerk zu formen. Für diesen Begriff des klassischen Landschaftsgartens steht Muskau typologisch: Man kommt mit den elementaren Gestaltungselementen, die die Natur zu bieten hat, zu einer veredelten Form der Landschaft. Und das ist hier in Muskau immer wieder großartig, pantheistisch und auch sehr subtil in Szene gesetzt. Wer über die entsprechende Sensorik verfügt, kann hier wirklich in Landschaft schwelgen und auch über Landschaft meditieren.

Branitz bei Cottbus, im Südosten Brandenburgs, ist das Spätwerk von Pückler, mit dem er sein Lebenswerk als Landschaftsgestalter krönte. Auf welche Situation traf er hier und wie ging er bei der Anlage dieses Parks damit um, Herr Körner?

SK: Als Fürst Pückler 1845 auf die Familiengüter nach Branitz zurückkommen musste, weil er Muskau verließ, hat er eben dort bei Cottbus keine besonders aufregende Landschaft vorgefunden. Es war das komplett ausgeräumte flache Schwemmland der Spree. Hier gab es weder Hügel oder Berge noch irgendwelche nennenswerten ästhetischen Naturereignisse. Insofern waren die Überredungskunst seiner Frau, Fürstin Lucie, und dann doch noch einmal die große Kraft des damals 61-jährigen Visionärs notwendig, um hier ab 1846 eine ideale Landschaft aus dem Nichts zu schaffen. Die Wüste, sagte Pückler, solle eine Oase werden. Und er hat mit unermüdlichem Elan schlussendlich eine Kulturlandschaft von 620 ha mit Hügeln, Gebäuden, Brücken, Gewässern geschaffen, die eine idealtypische Natur und ein Landschaftspark der schönsten Couleur wurde. Diese „künstliche Natur“ hat zudem ganz außergewöhnliche Interventionen, so würde man heute sagen: zwei große Erdpyramiden. Diese sind aus dem Sand der Lausitz gebohrt, rezipieren selbstbewusst von Menschenhand erschaffene Bauwerke, wurden im grünen Naturkleid mit und für die Landschaft als Kunstwerke geschaffen. Auch wegen dieser Schöpfungen bezeichnete er an seinem Lebensende – er hat fast 26 Jahre in Branitz investiert – den Branitzer Park, diese Oase, die eine Wüste gewesen war, als sein „Meisterstück“.

1773 hatte der englische Landschaftsgestalter Horace Walpole die Poesie, Malerei und Gartenkunst als „three new graces who dress and adorn nature“ bezeichnet, also die drei neuen Grazien, die die Natur kleiden und schmücken. Pückler war 1814, nach dem Ende der Befreiungskriege, nach England gereist und hatte dort über 30 Parkanlagen besucht. Als Landschaftskünstler war er ein adliger „Dilettant“, der sich durch Anschauung weiterbildete. Die Landschaftsparks in Muskau und Branitz sind im 19. Jahrhundert, zwischen 1815 und 1871, also dem Todesjahr Pücklers, entstanden. Aus welcher geistigen Zeitströmung heraus agierte Pückler, wovon hat er sich inspirieren lassen? Und womit wollte er als Landschaftskünstler seine Besucher betören, Herr Panning?

CP: Wir vergessen häufig, dass es unterschiedliche Entwicklungsphasen im Landschaftsgarten gegeben hat. Pückler interessierte nicht, was in England vor 50 Jahren aufkam, was ein Lancelot Brown geschaffen hat. Er wollte das Moderne. Und das Moderne war in der damaligen Zeit die Epoche des Regency, das war Humphry Repton, das war John Nash, der fantastische Architekturen in Szene gesetzt hat, wie Buckingham Palace, aber auch gerade in Brighton den Royal Pavillon, unglaubliche, im Detail ausufernde Architektur. Pückler hat das so schön das „Werk eines Tollhäuslers“ genannt. Das ist es, was Pückler interessiert hatte und was er natürlich – als „neuer Preuße“ nach dem Wiener Kongress – auch nach Preußen importieren wollte. Dies war quasi sein „Alleinstellungsmerkmal“. Er importierte die aktuellste Gartenkunst aus England nach Muskau, nach Preußen, um sie dort in Szene zu setzen.

Die andere Linie, die ich für wichtig halte und die auch immer unterschätzt wird, ist natürlich auch eine andere Frage der Strategie. Was wollte denn der junge Pückler anstellen nach dem Wiener Kongress? Es muss für ihn enttäuschend gewesen sein, nicht teilnehmen zu dürfen. Europa wird politisch neu aufgestellt, und Pückler ist immer noch in London (seit den ersten Feierlichkeiten des Sieges über Napoleon im Juni 1814), besichtigt Parkanlagen, studiert die aktuelle Gartenkunst des Regency. Und dann gab es schließlich, noch während des Wiener Kongresses im Mai 1815 den kühnen Entschluss zur Rückkehr in die Heimat, wo alles darniederlag und es eine verheerende wirtschaftliche Depression nach den napoleonischen Befreiungskriegen gab. Pückler bricht in der letzten Aprilwoche in London auf, kommt einige Tage später in Muskau an und verkündet seinen Aufruf wie Luther seine Thesen: „Ich will einen riesigen Park anlegen. Übergebt mir innerhalb eines Jahres an Ländereien, was ich benötige, dann wird das alles ein imposantes Werk, das der Region zugutekommt. Geschieht dies nicht, seht ihr mich nie wieder und dann schaut zu, wie ihr zurechtkommt [sinngemäß wiedergegeben].“ Hinter diesem Wagemut steht für ihn natürlich auch die Frage, wie er in diesem neuen Staat als Nicht-Mehr-Sachse und als Neupreuße reüssieren, wie er Karriere machen kann. Der Plan, mit der modernen englischen Landschaftskunst künstlerisch aufzuwarten, gepaart mit dem Coup, die Tochter des preußischen Staatskanzlers zu ehelichen, weist den Weg, in dem neuen preußischen Staat Fuß zu fassen und dann nach Möglichkeit auch auf entscheidender Ebene mitzuwirken.

Das sind ja vor allen Dingen politische Gründe, es ist eine politische Strategie, die er dort entwickelt hat. Aber vor welchem geistigen Hintergrund sind seine künstlerischen Ideen entstanden? Herr Körner, welche Einflüsse spiegeln sich letztlich in beiden Parkanlagen wider?

SK: Pückler war eine Jahrhundertgestalt, die uns bis heute wohlbekannt ist. Er ist zur Lebenszeit Friedrichs des Großen geboren. Er erlebt die Französische Revolution und die damit zusammenhängenden Umwälzungen, die großen Kriege in Europa; er ist aktiv in die demokratischen Bestrebungen des Vormärz 1848 involviert und er stirbt im Jahr der deutschen Reichseinigung. Sein Leben umschließt wirklich ein großes Stück europäischer und deutscher Geschichte, und er hat es als adliger Dilettant in all diesen Phasen immer geschafft aufzufallen – dies sowohl in der Jugend durch spektakuläre Geschichten, auch durch so waghalsige Momente wie eben in der Zeit der Restauration nach dem Wiener Kongress, als er sein gärtnerisches Riesenwerk der Landschaftsgestaltung in Muskau begann. Nach langen Reisen im Orient bringt er sein glanzvolles Wirken dann noch einmal in Branitz gartengestalterisch auf den Höhepunkt, indem er den „Garten mit Pyramiden“ schafft. Immer steht er im Fokus der Regierenden, mit denen er aber doch auch einen sehr intensiven Streitaustausch hat. Immer steht er im Fokus der Medien und der Öffentlichkeit, denn er ist ein großer Selbstvermarkter. Immer reflektiert er die Religionen und bildet diese sogar im Garten ab. Und wir dürfen nicht vergessen: Der Mann war in erster Linie Schriftsteller, womit er sowohl Geld als auch Ruhm erwarb und nebenbei das machte, wofür er heute so berühmt ist, nämlich die Gärten anzulegen. Eine Jahrhundertgestalt, die alles aufsaugt wie ein Schwamm, weiterentwickelt und durch ihre ewige Innovativität den Geist des Wagnisses bis heute ausstrahlt. Branitz mit Schloss, Park und Pücklers Sammlungen, seiner Bibliothek bündelt dieses aufregende Leben wie in einem Brennglas. In der Seepyramide ist er begraben.

Beide Parks sind begehbare Landschaftsgemälde, eine dreidimensionale Naturmalerei, geschaffen mit den Materialien der Natur, eine Abfolge von Gartenbildern wie in einer Gemäldegalerie – dieser Vergleich wird ja gern in Bezug auf Pücklers Gestaltungskunst gezogen. Aber hier ist der Betrachter sozusagen Teil des Geschehens, er befindet sich sowohl innerhalb wie außerhalb des Bildes und ist dieser suggestiven Bildwirklichkeit ausgesetzt. Wie ist das in Muskau zu erleben, wie setzt er das in Szene, Herr Panning?

CP: Die Entwicklung des Muskauer Parks ist auch Learning by Doing. Die Anfänge sind recht profan. Das ist eine schlossnahe Wiese, ein Weg wird herumgeführt, an diesem entlang werden Baumgalerien gepflanzt und einige markante Exemplare in den Binnenraum getüpfelt et voilà – schon gibt es einen Park. Dieses fantastisch komplexe Landschaftskunstwerk, das wir heute bestaunen, ist im Laufe von Jahrzehnten entstanden, natürlich auch unter professioneller Mitwirkung der jeweiligen Gärtner. Die Rezeption des Landschaftsgartens ist ein Thema, für das ich dankbar bin. Es gibt nichts Moderneres, als dass Sie als Rezipient in das dreidimensionale Kunstwerk nicht etwa virtuell, sondern ganz real eintauchen und die Wahrnehmung komplett individuell steuern können. Sie können überlegen, ob Sie stehen oder ob Sie laufen, Sie können über die Geschwindigkeit den Fluss der Bildfolge bestimmen. Sie können sich in den Schatten stellen und so die Temperatur herunterregeln. Sie können die Blickrichtung fortwährend nach eigenem Gutdünken ändern. Und dann sind da Granitsteinbänke, die Pückler an den topografisch wichtigen Punkten des Parks ikonografisch platziert hat. Sie stehen miteinander in Beziehung und knüpfen ein ganz eigenes Sichtachsensystem. Die Blicke von diesen fixierten, vom Parkschöpfer vorgegebenen Standorten sind konzipiert nach den Gesetzen der Malerei oder der Fotografie, weil wir nun – im Gegensatz zur eigenen Bewegung im Raum – eine statische Betrachtung vor uns haben. In dieser Situation kann ich mich beim klassischen Bildaufbau bedienen: Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund. Gleichzeitig kommen gestalterische Grundprinzipien wie der Goldene Schnitt, das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten, Farben und Texturen, der Rhythmus in der Gehölzanordnung ins Spiel. All das, den ganzen Kanon tradierter gestalterischer Ausdrucksformen, kann also sehr wohl auch auf den Landschaftsgarten übertragen werden.

Es hat gerade einen erfreulichen Zugang für die Pückler-Stiftung in Muskau gegeben, den Ankauf eines Konvoluts von 74 zauberhaften Aquarellen des preußischen Hofmalers Carl Georg Anton Graeb, geschaffen in der Zeit von 1855 bis 1859 im Auftrag von Pücklers Nachfolger, dem Prinzen Friedrich der Niederlande, mit Ansichten des Muskauer Parks. Was bedeutet dieser Ankauf, der mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder gelang, für die Parkrestaurierung hier in Muskau? Was zeigen diese Bilder?

CP: Der Ankauf wurde gemeinsam mit Zuwendungen der Ostdeutschen Sparkassenstiftung realisiert, auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat mitfinanziert, ebenso haben sich hiesige Vereine beteiligt. Aber die Kulturstiftung der Länder stand sehr früh an unserer Seite, und ihr gebührt daher großer Dank für dieses Engagement, das den Ankauf wesentlich erleichtert hat.

Die Malerei in Serien hat – nicht nur in Muskau – eine gewisse Tradition und immer einen besonderen Reiz. Bei Pückler ist es Schirmer, der für die „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“, das von Pückler 1834 publizierte Grundlagenwerk über die Landschaftsgestaltung, fantastische Aquarelle und Skizzen verfertigt, aus denen dann die bekannten Lithografien entstehen.

… August Wilhelm Schirmer, ebenfalls Maler in preußischen Diensten …

Ja, und damit visualisiert er alle Ideen Pücklers, eben auch jene, die nie ausgeführt wurden bzw. gar nicht zur Realisierung gedacht waren, zu einem eigenständigen Kunstwerk, in das man sich hineinfallen lassen kann.

Und das setzt sich fort bei Graeb. Auch hier wird ein Zyklus aufgelegt, diesmal für den Prinzen Friedrich der Niederlande. Er kannte Graeb aus Potsdam, wo dieser für den Schwager Friedrichs, König Friedrich Wilhelm IV., tätig war. Graeb schuf für den preußischen Hof fantastische Aquarelle, minutiös, mit einer großen Liebe zum Detail, mit einem wunderbar ausgewogenen Farbspektrum. In Muskau gelingt es dem Künstler zudem Stimmungen und Atmosphären einzufangen, die man heute noch erleben kann. Das ist ihm wirklich großartig gelungen. Und darüber hinaus fokussiert er die Perspektive auch auf Sujets außerhalb des eigentlichen Parks, stellt frühindustrielle Arbeitswelten dar, hochspannend für die Sozialgeschichte der ganzen Region. Bemerkenswert ist auch eine feine Kritik, die die Aquarellserie durchzieht wie ein kleiner Subtext. So fragt man sich bei dem Motiv des Rentamts (des Alten Schlosses): Warum wachsen da die Birken aus dem Giebel, warum zeigt sich die Fassade so scheckig, notdürftig ausgebessert und abgeblättert? Wir stoßen hier auf subtile Hinweise: Schaut mal, wie (ärmlich) es hier zur Pückler-Zeit ausgesehen hat, wie es aussieht, wenn Investitionen des neuen Eigentümers noch ausstehen.

Aber würdigt dieses Renommier­album des neuen Besitzers denn gar nicht Pücklers Verdienste?

CP: Nein, gerade nicht! Für ihn korrespondieren die Motive, die wir sehen, vordergründig mit den aktuellen, mit „seinen“ Baumaßnahmen, die zu der Zeit gerade umgesetzt wurden. Aber es gibt eben weniger die Würdigung als die Kritik an Pückler. „Schaut mal, so hat’s wirklich ausgesehen, als ich das übernommen habe.“ Da stecken schon so ein bisschen Ironie und eine Portion Kritik an der Pückler’schen Selbstdarstellung mit drin.

Man muss betonen, dieses Konvolut der Gartenbilder ist die einzig bekannte umfassende künstlerische Darstellung eines historischen Gartens in Deutschland. Was bedeutet dieser Zyklus für die Forschung und auch für die Revitalisierung und Restaurierung der Garten- und Parkanlagen hier in Muskau? Woran werden Sie sich künftig orientieren?

CP: Das ist schon ein gewaltiger Wissensfundus, der sich uns allmählich erschließt. Wir betreiben die Revitalisierung des Muskauer Parks über Jahrzehnte hinweg und freuen uns jedes Mal außerordentlich, wenn wir auf eine neue Quelle stoßen, sei es ein aussagekräftiges Zitat oder eine gute Bildquelle. Und jetzt kommen auf einen Schlag 74 historische Aquarelle, die akribisch den Zustand des Parks dokumentieren. Es gibt sogar noch weitere Aquarelle von Graeb, die jedoch bisher noch nicht wieder geortet wurden. Das ist unglaublich und ein Schatz, auch
hinsichtlich der denkmalpflegerischen Analyse und des denkmalpflegerischen Vorgehens. Zum einen werden Klein­­architekturen gezeigt, die vorher in ihrer Ausformung unbekannt waren. Beispielsweise auf der polnischen Seite eine kleine Brücke, von der man wusste, dass es sie gegeben hat, die aber nirgendwo visualisiert war. Zum anderen werden z. B. Pflanzungen sehr detailreich vorgestellt. Wir haben leider, kurz bevor diese Aquarelle angekauft werden konnten, die Bepflanzung der Schlossrampe umgesetzt. Graeb hat zwar das grundlegende Schema im Wesentlichen bestätigt, aber hätte die Darstellung früher vorgelegen, wären wir mit der Pflanzenauswahl sicher ein Stück weit dichter am historischen Zustand des 19. Jahrhunderts geblieben. Diese Handlungsoption bleibt aber für die Zukunft ja auf jeden Fall bestehen.

Ganz aktuell spielt aber das Projekt der Brauerei – ein toller Bau von Ludwig Persius, der noch in der Pückler-Zeit entstanden ist – eine ganz wichtige Rolle. Hierfür hat Graeb mit seinem Aquarell die Vorlage für die künftige Farbgebung der Fassade gegeben, die in den Park hineinwirkt.

Die Landschaft auf Papier spielt auch in Branitz eine Rolle, wenngleich aus einem ganz anderen Grund. Die Stadt Cottbus hat bereits 1913 eine umfangreiche Sammlung von Werken Carl Blechens aufgebaut. Blechen ist der bekannteste – manche sagen: größte – Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts, der die Landschaftsmalerei in Deutschland und in Europa sehr stark geprägt hat. Auch für die Carl-Blechen-Sammlung, die heute im Schloss in den Fürstenzimmern beheimatet ist und wunderbar präsentiert wird, gibt es Dank der Kulturstiftung der Länder gute Nachrichten: So gelang 2020 der Rückkauf eines Kriegsverlustes aus der Cottbuser Sammlung. Was bedeutet das für Branitz, die Sammlung der Landschaftsbilder in den Schlossräumen zu beherbergen und gleichzeitig Pücklers mit den Materialien der Natur gemaltes Landschaftsgemälde aus dem Fenster des Schlosses sehen zu können?

Es ist absolut fantastisch, dass wir in Cottbus gleich zwei Meister der Landschaft haben: einmal den Gartengestalter des Branitzer Parks, Fürst Pückler, und dazu den in Cottbus geborenen Landschaftsmaler Carl Blechen, von dessen Werken wir den größten Sammlungsbestand in Deutschland dauerhaft zeigen. Beide Künstler wussten voneinander, über Bettina von Arnim zum Beispiel gibt es Verbindungen, aber Pückler sammelte nie Blechen und Blechen rezipierte Pückler nicht. Aber der genannte Carl Graeb oder der Zeichner der Darstellungen in den „Andeutungen zur Landschaftsgärtnerei“, August Wilhelm Schirmer, waren Schüler von Blechen. Mit ihnen und Pückler ist man schnell im Netzwerk der besten Künstler des 19. Jahrhunderts in Berlin: Schinkel, Rauch, Humboldt: Dieses Umfeld spielte eine wesentliche Rolle für beide – und heute kommen Maler und Gartenkünstler endlich und spannend in Branitz zusammen. Denn zum einen kann man hier wunderbar den Wettstreit der Künste erleben, den Landschaftsgarten als – heute würde man sagen – „augmented reality“, als virtuellen Showroom, in dem sich der Rezipient auf Grundlage der Gartenschöpfung selbst seine Blicke suchen kann. Dies steht zum anderen im Wettbewerb mit der Malerei, wo eben der Maler in zwei Dimensionen vorgibt, was man zu sehen hat. Hier in Branitz kann man vergleichen, hier kann man studieren und kann man sich von diesen bedeutenden „Meistern der Landschaft“ inspirieren lassen.

Das Spannende aber bei Carl Blechen – und dafür wird er immer gelobt, etwa von Theodor Fontane oder von Max Liebermann, der ihn gar zum Vorreiter des Impressionismus macht und zum größten Genie der deutschen Malerei erklärt – ist, dass er eben nicht eine Landschaft abbildet, wie das vielleicht Graeb auch in den Aquarellen des Muskauer Parks gemacht hat, sondern sich in seiner Stimmungsmalerei von der bloßen Darstellung entfernt. Er fängt die Stimmung einer Landschaft ein, es ist z. B. das ganz allgemeine Flirren der römischen Sonne und nicht der Blick zu einem bestimmten Palast in Rom. Es ist das Nichts in der kargen, sandigen märkischen Landschaft, das für ihn bildwürdig wird und das er in seinen Bildern ausdrückt, aber eben nicht bloß abmalt. Und das ist insofern spannend, als dass man hier zwei Antipoden im Wettstreit sieht, die uns als Rezipienten aktiv werden lassen: Wer macht die bessere Landschaft: der Landschaftsgärtner oder Landschaftsmaler, der Zweidimensionalist mit den bei uns hervorgerufenen Impressionen oder der Dreidimensionalist mit den von uns aktiv zu wählenden Blickmöglichkeiten?

Wir bewahren und zeigen eine der größten Sammlungen der Werke Carl Blechens: Über 600 Werke befinden sich in Branitz, darunter Arbeiten seiner Schüler und Nachfolger, Max Liebermann, Lovis Corinth und fast 100 Werke von Carl Blechen. Durch dieses Miteinander des Gesamtkunstwerks Branitzer Park, die Kunstsammlungen, Interieurs, Archive und das Universum von Carl Blechen, kann man die Kunst des 19. Jahrhunderts und ihr Echo bis ins 21. Jahrhundert aktiv nachvollziehen.

Wir alle können die Augen nicht vor den Folgen des Klimawandels verschließen, gerade Sie als pflegende Bewahrer der Pückler’schen Parkanlagen nicht, das haben wir eben auch bei einer Tour durch den Bergpark von Muskau erlebt. Wie gelingt es in den historischen Parks, der denkmalpflegerischen Verpflichtung, bildprägende Bäume und Sträucher zu erhalten, nachzukommen? Wie reagieren Sie auf die Anforderungen und Herausforderungen dieser Zeit in Muskau, Herr Panning?

CP: Es gibt unterschiedliche Argumentationsdarstellungen und -stränge. Man kann das dramatisieren, und man kann aber auch – ein wenig zugespitzt – durchaus sagen, eigentlich ist es gärtnerisch fast business as usual, dass wir früher oder später darüber nachdenken müssen, den gestalterischen Duktus einer Anlage in die nächste Generation von Gehölzen zu geben. Das wird manchmal auch künstlich erzwungen. Hier denke ich an Versailles, wo die für mich irrige Maxime gilt, dass ca. alle 100 Jahre der Park komplett erneuert werden muss.

Was in den historischen Gärten derzeit passiert ist eine dramatische Veränderungsdynamik, die wir so nicht kennen. Der auslösende Faktor waren die Dürrejahre 2018 bis 2020, als wir unter einer außerordentlichen Wasserknappheit litten, gerade hier in der Lausitz. Das hat die Grund- und Schichtenwasserverfügbarkeit an vielen Stellen gekappt, was die alten Bäume sehr übel genommen haben, es kam zu irreversiblen Schädigungen.

Und nun ist natürlich die Frage: Wie gehen wir damit um? Für mich war das an erster Stelle wirklich ein Erkenntnisprozess, weil wir bis dahin immer versucht haben, die Transformation des alten Gehölzbestandes in eine neue Generation so gleitend wie möglich zu gestalten, damit die Parkbesucher im Idealfall diese allmähliche Metamorphose gar nicht wahrnehmen. Dabei werden punktuell Bäume nachgepflanzt, ergänzt, aber das Erscheinungsbild bleibt im Großen und Ganzen konstant. Dieses Vorgehen ließ sich leider nicht mehr aufrechterhalten, und das war für mich eine durchaus schmerzhafte Erfahrung. Der Verlust der alten Bäume lässt sich nach irreversibler Schädigung nicht aufhalten. Er wird zunehmend dynamischer verlaufen, und dadurch wird es auch zu einem starken Abriss im Erscheinungsbild des Parks kommen.

Hier in Muskau kristallisiert sich als Lösungsansatz zunehmend heraus, was wir die „Naturverjüngung“ nennen. Die Natur organisiert selber den Sprung in die nächste Generation. D.h. wir haben Sämlinge, die an Ort und Stelle auflaufen und aus denen gerade in zusammenhängenden Gehölzbeständen die künftigen „Standbäume“ sukzessive in einem langen Prozess herauskultiviert werden können. Was das gärtnerische Herz höherschlagen lässt ist die empirische Erkenntnis, dass diese Jungbäume sehr resilient sind. Sie kommen mit den verschärften Klimabedingungen überaus gut zurecht.

Das heißt, sie haben „genetisch gelernt“? Kann man das sagen?

CP: Tatsächlich: Ich mag das sehr, diese epigenetischen Effekte, den „Shortcut der Evolution“. Dass es die Elterngeneration vermag, auf Umwelteinflüsse zu reagieren und in ihr Saatgut gewisse Informationsträger hineinzugeben (Methylierung der DNA), die – laienhaft gesagt – die DNA nicht dauerhaft verändern, aber in der nächsten Generation sehr wohl dafür sorgen könnten, dass gewisse DNA-Eigenschaften an- oder abgeschaltet werden: bitte längere Wurzel ausbilden, bitte mehr Cuticula auf den Blättern, bitte eine stärkere Rinde. Und diese jungen, nachwachsenden Pflanzen kommen ausgezeichnet zurecht. Die Buchen ziehen in die Kiefernwälder ein. Alle sprechen vom Waldumbau, den der Mensch betreiben soll, aber eigentlich läuft das – zumindest in der hiesigen Region – bereits von ganz alleine.

Die zweite Option bei der Erneuerung des Gehölzbestandes ist die „Eigenwerbung“. Wir entnehmen Sämlingspflanzen und bringen sie an anderer Stelle im Park wieder ein. Nach heutigen Erkenntnissen ist es dabei förderlich, vom Baumschulstandard ein bisschen abzuweichen, nicht zu schneiden und möglichst alle Wurzeln bei der Umpflanzung beizubehalten.

Und dann gibt es natürlich auch die wenigen Fälle, bei denen man mit den genetisch vermehrten Baumarten nicht unbedingt weiterkommt. Das können Problemstellungen sein, wo die Option des Rückgriffs auf sogenannte Klimabäume in Betracht kommt. Welche Arten hierhin passen würden, wird an unterschiedlichen Stellen ausprobiert und erforscht. Bekannt ist KLimaArtenMatrix (KLAM-Liste) von Prof. Dr. Andreas Roloff und seinem Team von der TU Dresden, die aus einem biologischen Blickwinkel heraus widerstandsfähige Ersatzbaumarten aufführt.

Am Ende des Tages entsteht eine herausfordernde neue Managementaufgabe: Wo klappt es mit der Naturverjüngung, wo mit der Eigenwerbung und wo muss ich auf Alternativbäume zurückgreifen, die der Originalart im Erscheinungsbild möglichst nahekommen? Bei diesen Überlegungen müssen dann auch noch die jeweiligen Bodenverhältnisse, potenzielle Schädlinge und die dynamische Klimaentwicklung berücksichtigt werden.

Und es braucht einen Paradigmenwechsel im Parkmanagement, die Hinwendung zum integralen, prozesshaften Gärtnern unter Einbeziehung natürlicher Phänomene, hier gerade die erwähnte Epigenetik. Denn es ist festzustellen, dass wir in der Vergangenheit zu viel outgesourct haben und uns wieder selber um die Gehölzanzucht, die Wasservorhaltung, bodenverbessernde Substrate, die Kompostbewirtschaftung kümmern müssen. Das bedeutet auch, dass ich bewusst auf den „stolzen“, externen vorgezogenen Baum verzichte, um durchaus mühsam über einen langen Zeitraum die im Bestand aufgelaufenen Exemplare zu nachhaltigen Transmittern der Gestaltungsidee zu kultivieren. Das prozesshafte Gärtnern unter Einbeziehung des Wissens, das uns die Altvorderen schon mitgaben und das wir uns jetzt im Austausch mit der Wissenschaft und untereinander wieder neu aneignen, ist der Schlüssel für die Zukunft.

Wissenschaft ist das Stichwort für Branitz, da geht es nämlich ganz hoch her mit dem Begriff „Branitzer Baumuniversität“. Seit 2011 gibt es wieder eine Baumschule in Branitz, Pückler selbst setzte auf vorwiegend einheimische Sorten. Wie gehen Sie, Herr Körner, an der Baumuniversität in Branitz mit diesen Problemen um? Worauf setzt die Pückler-Stiftung in Brandenburg bei der Erneuerung und Anpassung der Parkanlage an den Klimawandel?

SK: Wir sehen ob unserer extremen Standortbedingungen, dass neben dem Wunder und den genannten Selbstbehauptungskräften der Natur auch neues Denken in der gartendenkmalpflegerischen Praxis erforderlich ist. Natürlich setzen unsere Gärtner seit Jahrhunderten auf das prozesshafte Gärtnern. So wächst in den Clumps (engl. für Bauminseln) und in den Alleen nach, was die Bäume an Samen abwerfen. Und diese verändern sich, sie passen sich möglichst gut den Gegebenheiten an. Wir sehen aber unter diesen schwierigen Bedingungen: Wir sind nicht wie Muskau in einer Landschaft mit fruchtbaren Böden, sondern wir haben sandige Böden, wir haben das ehemalige Schwemmland um die Spree, die in den nächsten Jahren durch das Zurückgehen der Sumpfungswässer aus den Tagebauen dramatisch an Wasser verlieren wird. Und wir sehen auch den Druck der wachsenden Großstadt Cottbus als besonders bedrohlich für die Versiegelung der Böden an, was sich dann auf die 30.000 Bäume der Parklandschaft auswirkt.

Daher haben die Kollegen im Park schon vor zwölf Jahren gesagt: Wir brauchen wieder eine Baumschule. Wir müssen das Material des Parks genetisch erhalten und nachzüchten. Und das Tolle ist, wir sind seit vier Jahren unabhängig von Nachpflanzungen von auswärtigen Baumschulen, die oftmals in sehr effektiver Form Bäume züchten, die dann in der märkischen Sandwüste gleich mal tot umfallen. Mit der parkeigenen Baumschule sind wir einzigartig in Deutschland und entwickeln konsequent weiter, das genetisch an den Standort angepasste Pflanzmaterial zu züchten. Diese Baumschule hilft uns nicht nur beim Erhalt des Branitzer Parks, sondern sie macht ihn zum Fortschrittspark – ein Pückler’sches Wort –, denn indem wir das historische Label „Baumuniversität“ nutzen, können wir auch heutige Forschung und Wissenschaft, wie die In-Vitro, beim Bäumezüchten miteinbeziehen.

Baumuniversität, damit meinte Pückler das Versetzen von Großbäumen, um sie dann auch wirklich erleben zu können, anders als in Muskau.

SK: Genau das: Im 19. Jahrhundert musste sich der alternde Pückler beeilen und in der Baumschule die kleinen und in der Baumuniversität die großen, charaktervollen Bäume für das schnelle Auspflanzen in Branitz heranziehen.

Aus dieser Pückler’schen Wortschöpfung entwickeln wir seit zwei Jahren – mit einem Modellprojekt des Bundesbauministeriums – die Neue Branitzer Baumuniversität, die klimaresistente Bäume für den Fortbestand des Parks liefern wird. Ein Beispiel, ganz plakativ: Die deutsche Stieleiche, so glauben unsere Aboristen und Gärtner, wird es in Branitz zumindest bei den Folgen des Klimawandels nicht schaffen. Und deshalb müssen wir neue Arten ausprobieren, die ihr – wegen des Denkmalstatus – ähnlich sehen. Zum Beispiel die Zerreiche, die aus dem Kaukasus oder aus der Gegend von Spanien kommt und uns ganz wesentlich Hoffnung gibt, dass wir durch den Klimawandel kommen, wenn wir neue Wege gehen. Denn, das ist ein starker Schritt, ein sehr umstrittener Schritt, die denkmal- und naturpflegerische Praxis beharrt eigentlich beim Nachpflanzen auf der bisherigen Art.

Wir glauben aber, dass wir im Fortschrittspark mit der Baumuniversität modellhaft solche neuen Wege beschreiten können, denn ganz aus der Kraft der Eigenwerbung wird es wohl für den Erhalt des Branitzer Parks nicht reichen. Und deshalb sind wir froh, dass wir im Rahmen des Förderprojekts Kompetenz entwickeln und ausbauen können, die wir gern mit anderen deutschen Parks und Gärten teilen wollen. Denn es geht Gärten an unterschiedlichen Orten in Deutschland in diesen Jahren des Klimawandels, den wir seit 25 Jahren als Szenarium vor Augen haben, darum, wirkliche Strategien zu entwickeln und endlich auch umzusetzen. Und da ist neben der Eigenwerbung auch der Wechsel zu südlicheren Arten für unser grünes Kulturerbe eine relevante Antwort auf das, was als Herausforderung des sich noch verschärfenden Klimawandels ansteht.

Ein Grund mehr, diese Gärten zu besuchen, sie zu erleben, wie sie heute sind, aber auch zu erleben, wie Sie die Schritte vorbereiten, um den Pückler’schen Anlagen in Brandenburg und Sachsen eine Zukunft zu geben für nachfolgende Generationen. Und zusätzlich zu den Landschaftsbildern in der Natur lassen sich an beiden Standorten eben auch die Landschaftsbilder auf Papier und in Öl bewundern, in der Branitzer Carl-Blechen-Sammlung ebenso wie in Muskau, wo die Neuerwerbung der Aquarelle von Carl Graeb jetzt im Schloss gezeigt wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

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