In erlesener Gesellschaft

Im Porträt verewigt, für die Nachwelt erhalten. Aus den rund dreißig Gemälden, zwanzig Grafiken und zahlreichen historischen Fotografien der Sammlung der „Lese- und Erholungsgesellschaft“ blicken die Protagonisten der Bonner Stadtgesellschaft. In der Zusammenschau zeichnen die Bilder der kulturellen Vereinigung das soziale Netzwerk der bürgerlichen Eliten vom späten 18. bis frühen 20. Jahrhundert nach. Bei einem der Dargestellten laufen die Fäden dabei immer wieder zusammen: Ludwig van Beethoven. 1815 porträtierte der Maler Willibrord Joseph Mähler den heute berühmtesten Sohn der Stadt. Lehrer, Förderer und Freunde des in Bonn geborenen Klaviervirtuosen und Meisterkomponisten reihen sich ein in die intellektuelle Ahnengalerie. Darunter Beethovens enger Freund und erster Biograph Franz Gerhard Wegeler, der eine lebenslange Beziehung zu Beethoven pflegte. Unter den Porträtierten findet sich auch sein Geigenlehrer Franz Anton Ries sowie dessen eigener Violinlehrer, Johann Peter Salomon. Dieser wohnte nicht nur zeitweilig Tür an Tür mit Beethoven, er machte Beethoven auch mit Joseph Haydn bekannt, der der wichtigste Lehrer des Komponisten werden sollte.

„Der durch die Kulturstiftung der Länder unterstützte Erwerb der Gemälde- und Büchersammlung der ‚Lese-Gesellschaft‘ durch das Beethoven-Haus Bonn bereichert dessen Bestände um ein aufschlussreiches Konvolut: Enge persönliche Bezüge zwischen den frühen Mitgliedern und Beethoven selbst erhellen dessen frühe Zeit, zahlreiche Gründer des Komponisten-Museums gehörten ebenfalls der ‚Lese‘ an. Die Bestände bilden ein eindrucksvolles Denkmal für eine der wichtigsten privaten Kulturinitiativen in Bonn“, resümiert Frank Druffner, kommissarischer Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Ermöglichte der Buchdruck zwar eine Demokratisierung des Wissenszugangs, fehlten Privatpersonen aber oft die finanziellen Mittel, die kostspieligen neuen Medien privat zu erwerben. Um dem Abhilfe zu schaffen, gründeten sich im 18. Jahrhundert etwa 500 sogenannte Lese-Gesellschaften in Deutschland. Mit ihrer Gründung 1787 strebte auch die Bonner „Lesegesellschaft“, heute kurz „Lese“ genannt, Bildung und Austausch für alle an, ganz gemäß ihres Mottos et sibi et aliis – sowohl für sich selbst, als auch für die Anderen. Nicht nur Bücher erwarben die Mitglieder, sie bauten auch von Beginn an eine umfassende Gemäldesammlung auf und beauftragten zeitgenössische Komponisten. So auch als 1790 Kaiser Joseph II, der ältere Bruder des Protektors der „Lese“, Kurfürst Maximilian Franz, starb. Der junge Beethoven erhielt die Gelegenheit, eine Kantate auf den verstorbenen Regenten zu komponieren.

Rund hundert Jahre, nachdem die „Lese- und Erholungsgesellschaft“, wie sie später genannt wurde, ins Leben gerufen worden war, hoben einige ihrer Mitglieder das Beethoven-Haus Bonn aus der Taufe und legten damit den Grundstein für eine kontinuierliche Pflege von Beethovens geistigem und materiellem Erbe. Passend daher, dass für die Sammlung nun mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen die stadt- und kulturhistorisch bedeutsame Gemäldesammlung, aber auch der Bücherbestand der „Lese“ erworben werden konnte. In der Ausstellung „Lichtstrahlen der Aufklärung“ tritt die „Lese“ ab dem 18. Mai 2018 als Hort der Aufklärung hervor. Denn schließlich spiegeln die Bilder auf einzigartige Weise den gesellschaftlichen, intellektuellen und politischen Aufbruch des Bonner Bürgertums wider. Die wirkmächtige Gruppe der „Lese“-Mitglieder trat mit voller Überzeugung für das Ideal einer gebildeten wie kunstsinnigen Bevölkerung ein. Getreu dem Motto der Vereinigung, „die politischen, geistigen, literarischen und sonstigen kulturellen Strömungen der Zeit [zu] diskutieren“, lebt dieser Grundgedanke bis heute in der Institution fort.