In aller Munde. Von Pieter Bruegel bis Cindy Sherman
Am Eröffnungswochenende beleuchtet die Ausstellung „In aller Munde. Von Pieter Bruegel bis Cindy Sherman“ die Bedeutung des Mundes als einer für die Anthropologie zentralen multifunktionalen Organanordnung, die eine zentrale Bedeutung hat beispielsweise für Mimik, Ausdruck, Kommunikation oder soziale Funktionen. Und so finden sich – das zeigt die Ausstellung – nicht nur in Wissenschaft und Medizin, sondern auch in der Kunst- und Kulturgeschichte vielfältige Ansätze der Beschäftigung mit dem Mundraum. Die Schau folgt dem kulturgeschichtlichen Pfad des Rachenraums vom Altertum bis in die Gegenwart und zeigt auf einer Fläche von 2.250 Quadratmetern über 150 Werke unter anderem von Albrecht Dürer, Andy Warhol, Hieronymus Bosch und Edward Munch. Dabei geht sie von eigenen Beständen des Kunstmuseum Wolfsburg aus, das schon seit seinen Anfängen Werke im Zusammenhang mit der Conditio Humana gesammelt hat, und ergänzt diese um inhaltlich passende Leihgaben.
„Die Kulturgeschichte spiegelt sich in der Kunstgeschichte, und so haben sich auch mit der Zeit Bedeutungszuschreibung und Assoziationszusammenhänge für den Mund verändert,“ erklärt die Kuratorin Dr. Uta Ruhkamp. Der Besucher wird hingegen mit allzu Menschlichem konfrontiert: Schreien & Speien, Schlund & Schlingen, Zahn der Zeit – so einige Titel der die Werke motivgeschichtlich gliedernden Ausstellungskapitel. An Gegensätzen und Querverbindungen mangelt es der Ausstellung nicht. Vergoldeter Berliner Gebissschmuck wird neben Exponaten von Roland Garve, dem Begründer der Ethno-Zahnmedizin, die sich mit der Kultur und Pflege indigener Völker beschäftigt, ausgestellt. Der Kontrast zeigt die Freiräume und Möglichkeiten, die das Thema „Mund“ dem Besuchenden für persönliche Interpretation bietet.
Das älteste Stück in der Sammlung zeigt die Darstellung der ägyptischen Göttin Isis, als stillende Mutter (Göttin Isis mit Harpokrates, 7.-6. Jahrhundert v. Chr). Die Bronzefigur trägt die zu ihr aufblickende Kindgottheit Harpokrates auf ihrem Schoß. Eine ganz andere Interpretation erfährt der Rachenraum in dem um 1520 im Stil von Hieronymus Bosch angefertigten Gemälde Christus in der Vorhölle: Durch einen Menschenschlund führt der Weg in die Hölle hinab. Die Ambivalenz der mit dem Mund verbundenen Symbolik zeigt sich auch im Bildmotiv Vampir (1917) von Edward Munch. Die orangeroten Haare einer Frau umspielen den Kopf des Mannes während sie ihr Gesicht in seinen Nacken drückt – ein Kuss oder ein Biss? Ursprünglich hatte Munch das Motiv Liebe und Schmerz betitelt.
Die von der Kulturstiftung der Länder geförderte Ausstellung regt zum Nachdenken über die eigene Körperlichkeit und deren Wahrnehmung an. Was stellt der Mund für uns dar, für was gebrauchen wir ihn?