Eine Zukunft für das Erinnern
BADEN-WÜRTTEMBERG
Künstlernachlässe Mannheim
16 Mitwirkende vom Kunsthistoriker bis zum Ingenieur, über 1.000 archivierte Arbeiten mit Rahmen, ca. 30 weitere, sehr großformatige Arbeiten mit entsprechenden Hängevorrichtungen, ca. 2.000 Arbeiten auf Papier, bisher 4 Skulpturen sowie 16 Klassenzimmer-Türen von Walter Stallwitz aus der abgerissenen Mannheimer Sickingerschule – das Ganze auf 150 qm in einer Industriehalle: Die Künstlernachlässe Mannheim gibt es seit 2005, nachdem es schon vorher viele kontroverse Diskussionen in der Stadt um das Thema gab. Konkret musste damals der Nachlass des Mannheimer Malers Peter Schnatz vor der Zerstörung gerettet werden. Es entstehen Werkverzeichnisse der aufgenommenen Künstler, die online publiziert werden. Heute blickt die Initiative, die organisatorisch am Mannheimer Kunstverein verortet ist, auf zahlreiche Ausstellungen, Vorträge, Zeitzeugengespräche, Führungen z. B. zu Kunstwerken im öffentlichen Raum zurück. „Die Werke sind Zeitgeschichte, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte und Stadtgeschichte – und wert, aufgehoben zu werden und darüber zu erzählen. Denn sie sind Teil der kulturellen Identität Mannheims und der Region“, sagt die Geschäftsführerin Silvia Köhler. Kooperationen gibt es mit dem Stadtarchiv Mannheim, das die schriftlichen Nachlässe aufnimmt und beim Digitalisieren unterstützt. Projektbezogene Zuschüsse von Stadt und Land ermöglichen die Arbeit mit den Nachlässen u. a. von Gabriele Dahms (1944 – 1999), Norbert Nüssle (1932 – 2012), Will Sohl (1906 –1969) und Trude Stolp-Seitz (1913 – 2004), Elisabeth Bieneck-Roos (1925 – 2017), und Alice Richter-Lovisa (1911–1999). Auch Vorlässe von Herbert Halberstadt (*1935) und Edgar Schmandt (*1929) sind in Mannheim aufbewahrt.
„Wir wollen in Zukunft noch mehr auf Landes- und auf Bundesebene für Unterstützung werben“, sagt Silvia Köhler. Die Stiftung hat gerade für die digitale Erfassung ihr Depot auf Vordermann gebracht und Platz für zwei anstehende Nachlässe geschaffen. Und hat in Anbetracht der immer heißer werdenden Sommer für 10.000 Euro eine Klimaanlage einbauen lassen: Im Herbst soll eine Auktion diese wichtige Maßnahme rückfinanzieren.
In diesem Sommer startet die erste Veranstaltung der Künstlernachlässe außerhalb Mannheims: Vom 24. Juni bis 1. November zeigt das Sylt Museum in Keitum Aquarelle des Malers Will Sohl unter dem Titel „Die Landschaft muss mir Widerstand leisten …“ mit Arbeiten aus dem Nachlass, die Sohl auf seinen Reisen in Auseinandersetzung mit Mensch und Natur schuf.
NORDRHEIN-WESTFALEN
Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe
Seine Magisterarbeit verfasste der Kunsthistoriker Daniel Schütz über einen 1935 verstorbenen rheinischen Künstler. Es war Schütz‘ Anliegen, den Maler posthum sichtbar zu machen. Doch die Erben hatten den Schriftnachlass weitestgehend entsorgt und machten das Vorhaben nahezu unmöglich. Dank einer im Bonner Stadtarchiv aufbewahrten Lehrerpersonalakte des Malers erhielt Schütz zahlreiche Fakten und vollendete seine Arbeit.
Seine weiteren Recherchen ergaben, dass die Vernichtung von dokumentarischem Nachlass weit verbreitet ist. Um dies zukünftig zu verhindern, entwarf er ein Archivkonzept, spezialisiert auf dokumentarische Vor- und Nachlässe. Denn eine sichere Überlieferung von Schriftunterlagen findet nicht über den familiären Erbgang, sondern im Archiv statt. Unterstützung erhielt Schütz unter anderem vom Bonner Stadtarchiv. Der damalige Direktor bot an, anfallende Vor- und Nachlässe im Stadtarchiv zu lagern. 2007 gründete Schütz daraufhin das Rheinische Archiv für Künstlernachlässe (RAK), in der Form einer Stiftung. „Diese ist sicherer als ein Verein, den man einfach auslösen kann“, so Schütz. Die Entscheidung bewährt sich: Vielen Nachlassgebern garantiert das Archiv Sicherheit und Dauerhaftigkeit, dank der Stiftungsform.
Mit Hilfe des Landschaftsverbands Rheinland, einem besonders wichtigen Förderer des RAK, konnte die Mehrzahl der Vor- und Nachlässe verzeichnet werden. Wissenschaftler können diese in den Räumlichkeiten des Bonner Stadtarchivs einsehen. Die im RAK vorgenommene Digitalisierung ist ein wirksames Mittel, um die häufig benutzten und fragilen Dokumente vor Beschädigungen zu schützen. Aufgrund des eng gefassten Urheberrechts ist jedoch eine digitale Veröffentlichung ganzer Bestände derzeit nicht realisierbar.
Über 120 Vor- und Nachlässe befinden sich heute im Archiv, sie erstrecken sich über 300 Regalmeter und vier Planschränke. Ursprünglich begrenzte das RAK die Aufnahme auf Künstler aus dem Rheinland, mittlerweile wurde das Gebiet auf gesamt Nordrhein-Westfalen ausgedehnt. Das Archiv sammelt den dokumentarischen Vor- und Nachlass der Künstler – von Geburts- und Sterbeurkunden über Briefe, Zeugnisse, Werksdokumentationen, Tagebücher und Terminkalender (s. a. Abb. S. 71).
Schriftnachlässe sind von ausgesprochen großer Bedeutung für die Forschung – mithilfe von Symposien zu Künstlernachlässen trägt das RAK deren Relevanz in andere Städte und an andere Institutionen. Sechs Symposien veranstaltete das Archiv in den vergangenen Jahren, den Höhepunkt bildete 2016 das zweitägige Symposium „European Heritage – Künstlernachlässe als Kulturgut“. Erstmalig diskutierten bedeutende Institutionen aus Europa und Nordamerika grenzüberschreitend die Problematik der Künstlernachlässe.
Regelmäßig veröffentlicht das RAK Mitteilungen aus dem Archiv, einzusehen unter www.rak-bonn.de/text/publikati.htm
Archiv für Künstlernachlässe der Stiftung Kunstfonds
Auch der Bund engagiert sich seit 2017 für Künstlernachlässe: Das Archiv für Künstlernachlässe in der Stiftung Kunstfonds wird zudem seit Gründung im Jahr 2010 von der VG Bild-Kunst finanziert, kümmert sich bundesweit um die fachgerechte Erfassung, Sicherung und Aufbewahrung gesamter Werkkomplexe der jüngeren Kunst. In Pulheim bei Köln will man „unabhängig von den Moden des Kunstmarktes und von finanziellen, räumlichen und konzeptuellen Möglichkeiten kommunaler oder landeseigener Museen“ sammeln. Das Archiv will Werkkomplexe ganz oder teilweise erhalten und stellt sie für Forschungs- und Ausstellungsprojekte zur Verfügung. Momentan sind beispielsweise noch bis zum 29. September Leihgaben aus dem Vorlass des Künstlers Horst Bartnig (*1936) in der Ausstellung „Gemalte Diagramme“ im Museum für konkrete Kunst in Ingolstadt zu sehen. „Die Arbeit mit und die Forschung zu den Werken ist uns wichtig“, sagt Stiftung Kunstfonds-Geschäftsführerin Dr. Karin Lingl. Studierende der Kunstwissenschaft und der Restaurierungswissenschaft arbeiten mit den Beständen im Depot und erweitern ständig das Wissen um die aufgenommenen Nachlässe.
Das Archiv in der ehemaligen Benediktinerabtei Brauweiler beherbergt mittlerweile mehr als 50.000 Positionen, darunter Gemälde, Grafiken, Skulpturen und Zeichnungen von 34 Künstlern, u. a. von Renate Anger, Silvia Klara Breitwieser, Gerda Brodbeck, Ursula Burghardt, Stefan Demary, Otto Dressler, Ludger Gerdes, Jochen Gerz, Paul Heimbach, Horst Egon Kalinowski, Erich Lütkenhaus, Otfried Rautenbach, Reiner Ruthenbeck, Kurt M. Schulz-Schönhausen, Helen Spoerri, Andreas von Weizsäcker und Gerhard Wind. „Nachlass bedeutet nicht Entzug der Werke aus dem Kunstbetrieb“, sagt Lingl. „Wir arbeiten mit Galerien zusammen, übernehmen meist den Galeristenvertrag der verstorbenen Künstlerinnen und Künstler und wollen sie weiterhin präsent am Kunstmarkt halten.“ Mittlerweile vergibt die Stiftung Kunstfonds auch zwei Nachwuchspreise, jeweils mit 10.000 Euro dotiert. 2019 erhielt die Berliner Künstlerin Isabell Schulte den „Förderpreis Valerie und Prof. Kurt M. Schulz-Schönhausen“.
Karin Lingl plant unterdes schon die Erweiterung des Archivs, ein „Schaumagazin“ soll entstehen: Der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und der Landschaftsverband Rheinland haben sich gemeinsam entschieden, das Depot zu vergrößern und ständige Ausstellungsräume für das Archiv für Künstlernachlässe zu schaffen. Hier sollen u. a. Neuzugänge präsentiert werden, aber auch aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt werden. Noch im Herbst ist der Spatenstich geplant.
Ab Juni kommen im Winterrefektorium, dem alten Speisesaal der Mönche in Brauweiler, die Künstler selbst zu Wort: Eine Hörausstellung kombiniert Interviews mit Werkpräsentationen u. a. der Künstler Jochen Gerz, Horst Bartnig und Reiner Ruthenbeck. Hörproben sind auch online auf der Website der Stiftung Kunstfonds abrufbar.
BRANDENBURG
Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg e.V.
Die Kuratoren Dr. Liane Burkhardt und Thomas Kumlehn stießen bei den Vorbereitungen der Ausstellung „100 Jahre Kunst ohne König – Privates und öffentliches Sammeln in Potsdam“ (2009) bei Sammlern immer wieder auch auf ganze Künstlernachlässe. Diese überraschenden Funde von verborgenen Kunstschätzen brachten sie auf die Idee – seit 2011 engagieren sie sich intensiv für die Sichtbarmachung der hinterlassenen Werke. In Kooperation mit der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft und dem Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung entstand ein Erfassungsmodul, das nach Einarbeitung auch von Laien genutzt werden kann. Bis jetzt hat die Brandenburger Initiative die Nachlass- und Werkverzeichnisse von 15 Künstlerinnen und Künstlern erstellt und alle Werke digital online verfügbar gemacht: So u. a. von Kurt Robbel, Becky Sandstede, Hermann Kirchberger, Klaus Kehrwald. Die Bauhaus-Schülerin Magda Langenstraß-Uhlig und der überregional renommierte Bildhauer Werner Stötzer werden 2019 folgen. Die physischen Werke bleiben bei den Erben und Nachlassverwaltern. Liane Burkhardt betont aber, dass ein mittelfristiges Ziel die Einrichtung eines Depots mit den Kernbeständen der Künstlernachlässe ist. Denn die Erfahrung zeigt, dass bei weiteren Erbgängen die adäquate Weiterpflege des Nachlasses mitunter gefährdet ist. Bis jetzt finanziert sich die Initiative aus Beteiligungen der Erben und mit Projektmitteln, wie beispielsweise vom Land Brandenburg und von der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst. Beim Stötzer-Nachlass engagiert sich auch der Landkreis Märkisch-Oderland mit Landrat Gernot Schmidt für die Nachlasspflege, freut sich Liane Burkhardt und hofft auf noch mehr Interesse für das künstlerische Erbe in der Politik. Mit Tagungen, Seminaren und Podiumsdiskussionen sensibilisiert die Initiative für ihr Anliegen. Auch an die Künstler richtet sie dabei immer wieder ihren Appell, „die Werkentwicklung besser zu dokumentieren, um die Aufarbeitung eines Nachlasses zu erleichtern“. Ab Juli 2019 geht eine Wanderausstellung der Initiative auf Tour: Kulturministerin Martina Münch eröffnet die erste Station von „Sichtbares Erbe = Geteiltes Erbe“ am 2. Juli im Landtag Brandenburg. Weiter geht es anschließend durch die Landkreise, um dort das Bewusstsein rund um das Thema Künstlernachlässe zu schärfen.
HAMBURG
Forum für Künstlernachlässe Hamburg
Wie fast überall fehlen auch in Hamburg in den Museen die Kapazitäten, Künstlernachlässe in ihrer Breite aufzunehmen. Ein Pionier der Nachlassarchive ist in der Hansestadt deshalb seit über 17 Jahren das Forum für Künstlernachlässe, geleitet von der Kunstwissenschaftlerin Prof. Dr. Gora Jain (siehe Interview ab S. 61). Von Anfang an wurden die Arbeitsfelder der Initiative in einen weiten Rahmen gesteckt: Archiv, Museum, Ausstellungshaus und Forschungsstelle soll das Forum sein. Etliche Nachahmer hat das Forum bundesweit mittlerweile gefunden – und hat zwecks Vernetzung im Jahr 2017 den Bundesverband Künstlernachlässe mitgegründet. Die Nachlässe werden fachgerecht gelagert und von Kunsthistorikern wissenschaftlich erfasst, doku-mentiert und in Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Auch der Hamburger Künstlernachwuchs wird seit 10 Jahren gefördert: Frische Absolventen der Hochschule für bildende Künste und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften können ein jährliches Stipendium im Künstlerhaus Sootbörn erhalten, mit kostenfreier Ateliernutzung sowie Abschlussausstellung nebst Publikationszuschuss. Dafür wird mit universitären Einrichtungen und Museen kooperiert. Um dieser vielseitigen, anspruchsvollen Arbeit gerecht werden zu können, laufen Planungen für eine Erweiterung des Forums.
Besonders freut sich die Vereinsvorsitzende Gora Jain über die internationale Wirkung des Hamburger Forums: In Litauen konnten sie im Nationalmuseum in Kaunas vor kurzem eine Retrospektive der Künstlerin Aliuté Mecys unterstützen mit einer Leihgabe von 80 Werken. Und nach Russland gingen aus dem Nachlass Werke der ab den 1990er-Jahren in Hamburg lebenden Künstlerin MAKSA (Ljubov Maksjutina): Die Kooperationsausstellung fand 2018 im „Museum of nonconformist art Main Hall“ (St. Petersburg, Art-Center Pushkinskaja 10) statt.
SAARLAND
Forschungszentrum für Künstlernachlässe Saarlouis
Das Institut für aktuelle Kunst wurde 1993 als An-Institut der Hochschule der Bildenden Künste Saar mit Sitz im Laboratorium in Saarlouis gegründet. Hier werden Informationen über Künstler, Architekten und Designer sowie das Kunstgeschehen im Saarland gesammelt, bearbeitet und über unterschiedliche Medien der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Schwerpunkte der Institutsarbeit bilden die Erarbeitung von Werkverzeichnissen, die saarlandweite Inventarisation der Kunstwerke im öffentlichen Raum nach 1945, die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in den Internetlexika zur Kunst und zu Künstlern im Saarland und der Großregion sowie über die Kunstführer Saar App. Seit 2017 werden im neu gegründeten Forschungszentrum für Künstlernachlässe diese wissenschaftlich erfasst und dokumentiert. Die Ergebnisse werden in Ausstellungen oder Laboratoriumsgesprächen der Öffentlichkeit präsentiert. Das Schaulager und der Studiensaal können jederzeit von Interessierten genutzt werden. Die Artothek bietet Kunstinteressierten die Möglichkeit, Kunstwerke für einen begrenzten Zeitraum gegen Gebühr auszuleihen. Darüber hinaus ist sie ein Ort der Kunstvermittlung, an dem Gespräche über Kunst und Künstler geführt werden können.
SACHSEN
Werkdatenbank für Künstlernachlässe in Sachsen
In Sachsen erfassen Künstler und deren Erben ihre Werke eigenständig in einer Datenbank, anschließend stehen die Angaben digital jedem zur Verfügung. Möglich ist das dank einer neuen Werkdatenbank, deren Aufbau SPD und CDU 2014 im sächsischen Koalitionsvertrag beschlossen. Für das Projekt wurden die bereits bestehenden Strukturen der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) genutzt. Diese wies mit der Bilddatenbank der Deutschen Fotothek bereits zwei Millionen Fotografien und Zehntausende Kunstwerke nach. Zudem verfügte die Bibliothek mit dem SLUBArchiv über eine zertifizierte Langzeitarchivierung digitaler Objekte. 2018 begann die SLUB mit der Realisierung der neuen Werkdatenbank. Finanziert werden die technische Betreuung und das Hosting vom sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Die redaktionelle Betreuung der Datenbank hingegen übernimmt der Landesverband Bildende Kunst Sachsen e.V.
Damit die Erfassung möglichst normiert erfolgt, überprüft die Redaktion fortlaufend die Qualität der Eintragungen. Die Herausforderung dabei sei, den Benutzern ein niederschwelliges Werkzeug zur Verfügung zu stellen, das eine Eingabe auch ohne Vorkenntnisse ermögliche, erklärt Dr. Jens Bove, Leiter der Deutschen Fotothek. Die Datenbank leistet umfassend Hilfestellung bei der Eingabe der normierten Daten. Zusätzlich bietet der Landesverband Schulungen an, auch eine Kamera-Ausrüstung kann zur Digitalisierung der Werke ausgeliehen werden.
12.000 Arbeiten von über 70 Kunstschaffenden wurden bereits in die Werkdatenbank aufgenommen. Zu verdanken sei diese hohe Anzahl dem Engagement und der Vernetzung des Landesverbandes, so Bove. Auch auf Seiten der Künstler bestehe eine hohe Nachfrage. Die Datenbank soll zukünftig eine Übersicht aller in Sachsen tätigen Künstler und ihrer Werke bieten. Für Ende Juni ist die Freischaltung des für die Öffentlichkeit zugänglichen Teils der Werkdatenbank geplant. Die Werke finden sich dann automatisiert in der Bilddatenbank der Deutschen Fotothek wieder, ebenso in der Deutschen Digitalen Bibliothek und der Europeana. Das großangelegte Ziel der Werkdatenbank sei es, Sichtbarkeit auf den verschiedensten Ebenen zu generieren und, so hofft man, als Modellcharakter für ähnliche Vorhaben zu dienen.
In Sachsen startete im April dieses Jahres die Pilotphase zur Förderung von Künstlernachlässen. Die dafür geschaffene Nachlasseinrichtung vergibt Fördermittel an gemeinnützige nichtstaatliche Museen und museumsnahe Einrichtungen, mithilfe derer Nachlässe von Experten bearbeitet und Kernbestände übernommen werden sollen.
MECKLENBURG-VORPOMMERN
Archiv Bildende Kunst – Mecklenburgische Seenplatte
Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ist der größte Landkreis Deutschlands. Rund 100 aktive Künstler und Künstlerinnen leben heute im Landkreis, Heide-Marlis Lautenschläger ist eine von ihnen. Sie ist überzeugt, dass die Werke dieser Künstler und die kommender Generationen bewahrt werden müssen. Sie seien das Kulturerbe der Region und stärkten die kulturelle Identität im Landkreis.
Heide Lautenschläger sprach 2012 eine kleine Gruppe von Interessierten an, mit ihr an der Organisation einer Verkaufsausstellung und Kunstauktion zu arbeiten. Der Verkaufserlös legte den Grundstein für die Umsetzung der Idee, Künstlernachlässe zu bewahren. Viele Künstler befürworteten das Anliegen und spendeten Werke für die Verkaufsausstellung. Die positive Resonanz der Besucher bestärkte die Initiative bei der Umsetzung ihres Vorhabens. Es bildete sich die private „Initiative zur Bewahrung von Künstlernachlässen“, im Namen derer Heide Lautenschläger auf Künstler des Landkreises zuging.
2015 wird das „Archiv Bildende Kunst – MSE“ gegründet. Träger ist der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Ehrenamtlich betrieben wird das Archiv von der Initiative Archiv Bildende Kunst – MSE. Aufgabe des Archivs ist es, Zeugnisse der Kunst und Kulturgeschichte im Landkreis zu bewahren, zu archivieren und der Forschung sowie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Als Sprecherin der Initiative unterzeichneten Heide Lautenschläger und der Landrat, Heiko Kärger, eine Verwaltungsvereinbarung zum Übernahmeverfahren von Künstlervor- und -nachlässen: Wird dem Archiv ein solcher angeboten, verschafft sich eine Arbeitsgruppe der Initiative zunächst einen Überblick und schätzt das Konvolut auf Grundlage der Geschäftsordnung und eines Kriterienkatalogs ein. Der Eigentümer wird über die Übernahmebedingungen informiert und das weitere Vorgehen gemeinsam abgestimmt. Die Arbeitsgruppe wendet sich daraufhin an den Fachbeirat und übermittelt diesem eine Beschlussempfehlung. Der Beirat besteht aus neun, vom Landrat berufenen, stimmberechtigten Mitgliedern der Initiative. Er berät über die Vor- und Nachlässe und übergibt sein Ergebnis zur Beschlussfassung dem Kreistag. Dieser leitet ein Verfahren ein, an dessen Ende er über die Annahme oder Ablehnung entscheidet. Im Falle eines positiven Beschlusses unterzeichnen Künstler und Landrat einen Vertrag zur Übernahme. Die Werke gehen dann als Schenkung in das Eigentum des Landkreises über und die Initiative beginnt mit der Archivierung.
Jeden Mittwoch trifft sich eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher, um die Werke zu inventarisieren. Seinen Sitz hat das Archiv in drei Klassenräumen einer Neubrandenburger Schule, die Immobilie finanziert der Landkreis. Dort werden auf rund 230 Quadratmetern die Werke ausgelegt, fotografiert, vermessen, untersucht und auf Karteikarten festgehalten. Für eine digitale Variante stehen dem Archiv nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung. Abgeschlossen sind die Vorlass-Inventarisierungen der Bildhauerin Gertraud Wendlandt sowie der Maler Karlheinz Wenzel und Wolfram Schubert. Drei weitere Künstlervorlässe sind für das kommende Jahr angekündigt. Auch mit der Sammlung biografischer Dokumente hat die Initiative bereits begonnen.
33 Mitglieder zählt die Initiative heute, unter ihnen sind bildende Künstler, Archivare, Museologen, Kulturwissenschaftler, Kunsterzieher und Personen des öffentlichen Lebens. Die Arbeit im Archiv kostet die aktiven Mitglieder viel Zeit und Kraft. Sie bräuchten dringend Unterstützung von jüngeren Menschen aus der Region. Zudem fordert der Landkreis, dass bis Ende 2020 ein anderer Träger zur Übernahme des Archivs gefunden wird.
Die Initiative stellt der Öffentlichkeit jährlich in einer Ausstellung Werke aus dem Archiv Bildende Kunst vor. Zwei Ausstellungen mit positiver Resonanz wurden bereits veranstaltet; eine weitere mit Werken des Malers Wolfram Schubert folgt im Herbst. Im Oktober lädt die Initiative Künstler, Kulturausschussmitglieder und andere potenzielle Partner zu einem „Tag des offenen Archivs“ ein. Die Initiative plant, zukünftig für den Schulunterricht Mappen mit Werken regionaler Künstler zusammenzustellen. Auch die Nutzung neuer Medien wird in diesem Zusammenhang ins Auge gefasst. Man wolle damit den Schülern veranschaulichen, wie sich die bildende Kunst in der Region und im Wandel der Zeit entwickelt.
WEITERE INITIATIVEN
gibt es beispielsweise in Sachsen-Anhalt, wo sich der Berufsverband Bildender Künstler Sachsen-Anhalt für das Thema engagiert. Hier unterstützt die Investitionsbank Sachsen-Anhalt im Rahmen der Förderinitiative „Digital Heritage“ das Projekt „Pilotverzeichnisse der Werk-Datenbank Bildende Kunst Sachsen-Anhalt“. Das Programm unterstützt zunächst bis 2021 „Projekte zur Digitalisierung von Kulturgütern, die repräsentativ für die Stadt, die Region, das Land Sachsen-Anhalt oder für die jeweilige Kultureinrichtung sind“. Sowohl bei der Festlegung des Kernbestandes wie bei der Erstellung von professionellen Verzeichnissen und der digitalen Dokumentation unterstützt das Pilotprojekt (www.bbk-sachsenanhalt.de/nachlass).
In Bayern berät der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) bei Fragen rund um künstlerische Nachlässe (www.bbk-bayern.de/kuenstlernachlaesse).
In Niedersachsen betreiben BBK und Land das Portal „Künstlerdaten- bank und Nachlassarchiv Niedersachsen“ (www.kuenstlerdatenbank.niedersachsen.de).
Kontaktdaten zu den Ansprechpartnern finden Sie in der digitalen Ausgabe des Magazins Arsprototo.