Pracht auf Pergament

Nach einer abenteuerlichen Odyssee kehrt der verschollen geglaubte erste Teil der sogenannten Anhaltischen Prachtbibel nach Sachsen-Anhalt zurück. Die mit vier wertvollen Autographen der Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchthon, Caspar Cruciger und Johannes Bugenhagen versehene Bibel des Wittenberger Druckers Hans Lufft gehörte als eines ihrer bedeutendsten Bücher zur Georgs­bibliothek des Fürsten Georg III. zu Anhalt (1507–1553). Als Druckwerk eigentlich zweibändig, ließ Georg die Bibel ergänzen und in drei Bände fassen. Die kostbare ehemalige Büchersammlung des Landesfürsten wird heute in der Anhaltischen Landes­bücherei Dessau bewahrt. 1945 war die Bibel, die auf der Rückseite des Titelblatts das Anhaltische Wappen mit dem Signet Lucas Cranachs zeigt, mit weiteren Beständen nach Zerbst ausgelagert worden. Bei Plünderungen wurden zwei Bände der Prachtbibel entwendet. Einer dieser Bände gelangte nach Irrwegen erst 1996 zurück nach Dessau.

Nur kurz war der andere entwendete Band im Jahr 1950 in einer Münchner Auktion aufgetaucht. Erst jetzt gelang mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und des Landes Sachsen-Anhalt die Rückführung des fehlenden ersten Bandes der Cranach-Bibel nach Sachsen-Anhalt. Die Kultur­stiftung der Länder begleitete intensiv die Recherchen zum Verbleib der Bibel und die Verhandlungen zum Rückerwerb des schließlich ausfindig gemachten Bandes.

Die auf kostbares Pergament gedruckte Lutherbibel zeigt eine exquisite bibliophile Ausstattung: Durchgehende Kolorierungen (vermutlich aus der Cranach-Werkstatt), Goldverzierungen der Holzschnitte und Illustrationen sowie den zeitgenössischen originalen Einband von 1543 mit Messingbeschlägen und ziseliertem Goldschnitt, auf der Titelseite sind die neun Schilde des Anhaltischen Wappens und das Wappen Luthers abgebildet. Der hohe Wert des Bandes entsteht aber besonders durch die eingebundenen handschrift­lichen Bibelauslegungen der vier Reformatoren, unter ihnen Luther und Melanch­thon. Luther vermerkt eine Bibelstelle aus dem 5. Buch Mose mit seiner Auslegung, auf 1544 datiert und von ihm unterzeichnet, Melanchthon zitiert den griechischen Bibeltext und verfasst seine Auslegung in lateinischer Sprache. In ihrer hohen kunst- und kulturhistorischen Bedeutung und auch im Hinblick auf das bevorstehende Jubiläum „800 Jahre Anhalt“ im Jahr 2012 sowie die Luther-Dekade 2008–2017 stellt die Rück­kehr der Cranach-Bibel einen Glücksfall für Sachsen-Anhalt dar.