Die „Junge Dame“ kehrt nach Dresden zurück
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben am 18. Mai 2011 mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder sowie von Wolfgang Wittrock das Gemälde „Junge Dame mit Zeichengerät“ von Carl Christian Vogel von Vogelstein auf einer Auktion des Londoner Auktionshauses Sotheby’s erworben. Zuvor hatten Provenienzrecherchen einen verfolgungsbedingten Entzug 1938 in Wien festgestellt. Nur wenige Wochen nach seiner Restitution am 4. März 2011 an die Rechtsnachfolger seiner früheren jüdischen Eigentümer kehrt damit eines der bekanntesten Gemälde des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung des Albertinums an die Elbe zurück. Das „Bildnis einer jungen Dame“, auch bekannt unter dem Titel „Junge Dame mit Zeichengerät“, zählt zu den populärsten Werken der Galerie; es ziert den 1987 erschienenen Umschlag des Bestandskataloges sowie in einer Installation von Elisabeth Brockmann seit 2002 auch die Fassade des Gebäudes.
Das von Carl Christian Vogel (seit 1831 von Vogelstein) 1816 in Rom gemalte Bild zeigt die rotgewandete Gräfin Thekla Ludolf, geborene Weyssenhoff, mit Zeichenblock und Stift auf einem Sessel sitzend, den Blick dem Betrachter zugewandt; im Hintergrund blickt man durch ein altertümlich anmutendes Erkerfenster auf die bergige Landschaft am Golf von Neapel. Es handelt sich um ein Frühwerk des später als Porträtist des sächsischen Hofes und als Professor an der Dresdner Kunstakademie bekannt gewordenen Malers Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788–1868), von dem die Galerie Neue Meister gegenwärtig fünfzehn Gemälde besitzt. Die „Junge Dame mit Zeichengerät“ war neben dem „Bildnis Papst Pius VII.“ von 1817 das einzige Frühwerk Vogelsteins in der Galerie.
Jahrelange intensive Recherchen in deutschen und österreichischen Archiven durch die „Commission for Looted Art in Europe“ (London), die von den Nachfahren der Eigentümerinnen beauftragt worden war, sowie durch die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Rahmen ihres von der sächsischen Staatsregierung geförderten „Daphne“-Provenienzforschungsprojekts ergaben, dass dieses Gemälde seinen Wiener Eigentümerinnen 1938 im Zuge der rassischen Verfolgung jüdischer Bürger entzogen worden war. Über eine Wiener Händlerin gelangte es in den Münchner Kunsthandel, wo es 1940 von Hans Posse, dem Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, erworben wurde und seither zum festen Galeriebestand gehörte.
Die Eigentümerinnen des Gemäldes, die drei Schwestern Malvine, Jenny und Bertha Rosauer, wurden 1938 aus ihrer Wohnung in Wien vertrieben und ihres gesamten Eigentums beraubt, zu dem auch eine Kunstsammlung aus Familienbesitz gehört hatte. Malvine Rosauer starb 1940 in Wien, ihre beiden Schwestern wurden 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.
Nachdem durch Provenienzforschungen der verfolgungsbedingte Entzug feststand, entschieden sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Sächsische Staatsregierung, auf Grundlage der von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten „Washingtoner Prinzipien“ von 1998 zu handeln, die Träger öffentlicher Museen zur Suche nach Raubkunst und einer fairen und gerechten Lösung über deren Verbleib verpflichten.
Die Restitution war nach dem eindeutigen Ergebnis der Provenienzrecherche für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden selbstverständlich und trotzdem ein schmerzhafter Verlust, da das Gemälde zu den besonders beliebten Werken der Galerie zählte. Als die „Junge Dame mit Zeichengerät“ beim Londoner Auktionshaus Sotheby’s auf der Versteigerung europäischer Malerei des 19. Jahrhunderts angeboten wurde, setzten sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Sächsische Staatsregierung deshalb sofort für ihre Wiedergewinnung ein. Nachdem die Kulturstiftung der Länder und weitere Förderer ihre Unterstützung zugesagt hatten, gelang es Wolfgang Wittrock im Auftrag der Kulturstiftung der Länder, auf der Londoner Auktion den Zuschlag für das Gemälde zu erhalten.
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, erklärte in Berlin: „Seit Jahren unterstützt die Kulturstiftung der Länder zusammen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zahlreiche Projekte für Provenienzforschung in deutschen Museen, denn viele Bestände müssen dringend sorgfältig überprüft werden – im Dresdner Fall freuen wir uns natürlich besonders, dass nach der Restitution ein so zentrales Werk für die Sammlung mit unserer Hilfe erworben werden konnte.“ Professor Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, sagte: „Wir waren froh, dass durch systematische Provenienzforschung die Geschichte dieses Werkes aufgeklärt werden konnte und wir es den Erben der durch die Nazis ermordeten Schwestern Rosauer übergeben konnten. Jetzt sind wir glücklich darüber, dass dieses schöne Gemälde nach kurzer Abwesenheit zurückkehrt und wieder im Albertinum zu sehen sein wird.“
Der genaue Termin der Rückkehr des Gemäldes nach Dresden wird noch bekanntgegeben.