Post von Theodor Fontane

„Keines Menschen Gespräch hat mich je so gefesselt und angeregt wie das Ihre“, schrieb Theodor Fontane an Georg Friedlaender im Jahre 1892. Zwischen Fontane und dem Schmiedeberger Amtsrichter, den der Schriftsteller in seiner Sommer­frische 1884 kennengelernt hatte, entwickelte sich eine vertraute Freundschaft, die bis zum Tod Fontanes über 14 Jahre lang Bestand hatte. Georg Friedlaender (1843–1914), 23 Jahre jünger als der Romancier, entstammte einer angesehenen Berliner Gelehrtenfamilie und wurde zum wichtigsten Korrespon­denzpartner des alten Fontane.

Von großer medialer Aufmerksamkeit begleitet, erhielt das Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv auf einer Hamburger Auktion Ende des Jahres 2010 den Zuschlag für die beiden wertvollen Konvolute der Fontane-Autographen. Damit kann das Potsdamer Archiv, dessen Sammlung derzeit etwa 20.000 Blatt Originalhand­schriften Fontanes und seines Umkreises umfasst, seine Bestände jetzt spektakulär erweitern. Der Erwerb der originalen Briefe durch das Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv gelang mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Mittel­branden­burgischen Sparkasse in Potsdam und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

In den 276 Briefen und Postkarten an Friedlaender, die nun dauerhaft im Pots­damer Theodor-Fontane-Archiv für die Öffentlichkeit und für die Forschung gesichert werden konnten, überrascht Fontane durch einen unerwartet gesell­schaftskritischen Ton gegenüber verschiedenen Vertretern der Gesellschaft im Kaiserreich wie dem Adel, der Kirche und dem Militär. Resigniert schreibt er beispielsweise am 17.6.1887: „Alle reformatorische Macht ruht heutzutage beim Geldbeutel, Ideen gelten wenig, Recht gilt gar nicht.“ Darüber hinaus inspirierte die anekdotenreiche Lokalkenntnis Friedlaenders Fontane zu einigen seiner kleineren Erzählungen. Die erste Ver­öffent­lichung der Briefe im Jahre 1954 sorgte für eine literarische Sensation: Ihre hymnische Besprechung durch Thomas Mann machte sie über die Landesgrenzen hinweg bekannt und leitete die Fontane-Renaissance der 1960er und 70er Jahre ein.

Bei dem zweiten Konvolut handelt es sich um 59 Briefe und Postkarten an den Kritiker, Herausgeber und Sprachphilosophen Fritz Mauthner (1849–1923). Neben seiner Bedeutung für die Erforschung der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte Fontanes gewährt es einen spannenden Einblick in das kulturelle Leben Berlins im ausgehenden 19. Jahrhundert. Mauthner, der aus einer wohlhabenden Prager Familie stammte, war in den 1870er Jahren durch seine Theaterkritiken zu einer angesehenen Instanz im literarischen Berlin aufgestiegen. Der Kontakt zu Fontane intensivierte sich, als Mauthner eine überaus positive Kritik zu dessen Roman Irrungen, Wirrungen (1887) verfasste. Der Roman über eine nicht standesgemäße Liebe zwischen einem Baron und einer kleinbürgerlichen Schneiderin löste damals beim Publikum einen Skandal aus. Fontane bittet Mauthner in den Briefen nicht nur um weitere positive Besprechungen seiner Werke, sondern äußert sich auch kritisch zu den Büchern des Schriftstellerkollegen. Schließlich erscheint auch Fontanes Roman Stine 1890 in einer von Mauthner herausgegebenen Wochen­schrift.

Interessant sind diese beiden Konvolute für die Fontane-Forschung jedoch aus noch einem anderen Grund: Beide Briefpartner stammten aus angesehenen Familien des jüdischen Bürgertums – vor dem Hintergrund der antisemitischen Tendenzen, die sich in einigen der Schriften Fontanes finden, überrascht das vertrauensvolle Verhältnis, das Fontane in den nun erworbenen Briefen mit seinen Korrespondenzpartnern pflegte.

Theodor Fontane (1819–1898) arbeitete bis 1849 als Apotheker u. a. in Berlin. Später publizierte er als Journalist u. a. Theaterkritiken in der Vossischen Zeitung, Reiseberichte (Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 1862–1889), ab 1878 veröffentlichte er Romane (u. a. Effi Briest, 1895, Der Stechlin, 1897), die weltweit große Beachtung fanden.