Junger Apostel

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts befanden sich die Werkstätten der Kölner Bildhauer auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft, die berühmten Kölner Sitz­madonnen und Reliquienbüsten waren für ihre herausragende Qualität der Aus­führung bekannt. Aus dieser Zeit stammt auch die etwa 80 cm hohe, stehende Einzelskulptur des heiligen Johannes aus Nussbaumholz in sehr gutem Erhaltungs­zustand. Die Skulptur konnte nun vom Museum Schnütgen in Köln aus Privat­besitz mit Unter­stützung der Kulturstiftung der Länder, der Peter und Irene Ludwig-Stiftung, des Fördervereins Pro Arte Medii Aevi – Freunde des Museum Schnütgen und der Stadt Köln angekauft werden.

Etwa um 1330 entstanden, erscheint der Evangelist Johannes als jugendlicher Apostel, der seine rechte Hand in einer Segensgeste über den einst in seiner Linken befindlichen Kelch erhebt. Gleichzeitig graziös und gewichtig biegt sich sein Kör­per in einer eleganten Kurve nach links, sein Gesicht ist zart und einfühlsam gear­beitet, das Gewand fällt in langen Falten herab. In jüngerer Zeit weitgehend frei­gelegt wurde die gut erhaltene mittelalterliche Fassung, die vermutlich der Spätgotik zuzuschreiben ist. Ihre bildnerische Ausdruckskraft und die originale Ausführung machen die Kölner Skulptur zu einer wertvollen und einzigartigen Holzskulptur der Bildhauerkunst der Hochgotik in Köln. Deutliche Einflüsse einer für den Dom-Hochaltar tätigen, in Köln ansässigen französischen Werkstatt sind erkennbar.

Als stehende Heiligenfigur ist die Skulptur eine Rarität, denn nur wenige vergleichbare Figuren haben sich erhalten, eine zweite Johannesdarstellung dieser Werkstatt ist bis heute nicht bekannt, lediglich aus Marmor finden sich ähnliche Figuren vom Kölner Dom-Hochaltar im Museum Schnütgen. Das Museum Schnütgen besitzt außerdem zwei weitere bedeu­tende Holzskulpturen aus dem gleichen Werkstattzusammenhang, den stehenden heiligen Petrus und einen thronenden Bischof, der als heiliger Dionysius bekannt ist. Im Gesichtsschnitt, der Modellierung der Wangen und des Kinns, im Augenschnitt und der Lippen­bildung lassen sich große Ähn­lichkeiten zur jetzt erworbenen Johannesfigur feststellen. Für das Kölner Museum ist es deshalb ein besonderer Glücksfall, die drei Skulpturen nun in un­mittelbarer Nachbarschaft zeigen zu können.