Amerika in Aachen

Zum 20-jährigen Bestehen des Museums zeigt das Ludwig Forum in Aachen als Teil einer gemeinsamen Ausstellungsreihe der Ludwig-Museen in Aachen, Wien und Budapest seine große Jubiläumsschau „Hyper Real – Kunst und Amerika um 1970“. Mit umfangreichen eigenen Beständen des Fotorealismus, die das Stifterehe­paar Peter und Irene Ludwig schon früh sammelte, wird die Strömung in der amerikanischen Nachkriegskunst beleuchtet, die sich Ende der 1960er Jahre vom Abstrakten Expressionismus abwandte und eine scheinbar vordergründig realistische Form der Kunst propagierte. Die künstlerischen Reflexionen des „American Way of Life“ im Kontext gesellschaftspolitischer Umwälzungen zu Zeiten des Vietnam-Krieges, der Civil-Rights-Bewegung und der Nixon-Ära stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes unterstützen die Aachener Schau; dies ist der Auftakt einer Reihe von gemeinsamen Förderungen, mit denen beide Stiftungen in Zukunft wichtige kunst- und kulturhistorische Ausstellungsvorhaben unter­stützen werden.

Speziell den Ausprägungen des US-amerikanischen Realismus in Malerei, Foto­grafie und Skulptur um 1970 widmet sich das Ludwig Forum, ergänzt um zahl­reiche Zeitdokumente wie Plakate, Bücher, Filme und Schallplatten. Bekannt wurden die amerikanischen Fotorealisten vor allem durch die spiegelglatten Ober­flächen der Konsumgüterindustrie – neben detailgetreuen Leinwand-Wieder­gaben auf Hochglanz polierter Autoradkappen (Don Eddy), amerikanischer Wohnwagen (Ralph Goings) und verglaster Hochhaus-Foyers (Richard Estes) nimmt die Aus­stellung auch die künstlerischen Verweise auf gesellschaftspolitische Konflikte in Augenschein: Konzeptuelle Fotoarbeiten spiegeln die Eintönigkeit der subur­banen Wohngegenden (Dan Graham) und Highways (Ed Ruscha) wider oder katapultieren die ungeschönte Vietnamkriegsrealität in die Wohnzimmer der amerikanischen Bevölkerung (Martha Rosler).

Insgesamt werden in der Aachener Ausstellung 100 Künstler mit rund 250 Werken vertreten sein, die zum Großteil aus den Sammlungen von fünf Ludwig-Museen stammen. Als bislang größtes Ausstellungsprojekt des Ludwig Forum setzt „Hyper Real“ dem „American Way of Life“ ein visuelles Denkmal. Zeitlich, ästhetisch

wie gesellschaftlich zeigt die Schau den Fotorealismus im Kontext paralleler Kunst­strömungen wie der Pop Art, Konzeptkunst oder Land Art. Auch zahlreiche Foto­grafen – unter ihnen Lewis Baltz, Lee Friedlander, Stephen Shore, Gary Winogrand und William Eggleston – richteten damals den Blick auf die gesell­schaftlichen Realitäten der USA und die industrialisierte Landschaft. Die Ausstellung spannt einen Bogen vom Themenfeld Pop, Stars und Medien – wie etwa bei Lichtenstein und Warhol – über die 1972 zur documenta 5 in Kassel geführte Kontroverse um einen neuen Realismus und die Bedeutung einzelner Themenbereiche wie Stadt und Landschaft bis hin zu sich anschließenden Positionen etwa von Basquiat, Haring, Koons und Demand.