Gefriertrocknungsanlage für Kölner Archiv
Am 3. März 2009 stürzte im Zusammenhang mit dem Bau eines unterirdischen Gleisbauwerks das Historische Archiv der Stadt Köln ein. Insgesamt 30 Regalkilometer Archivmaterial lagen in den Trümmern. „Gibt es Rettung für die verschütteten kostbaren Kölner Archivalien?“, diese Frage stellten sich die Mitarbeiter des Archivs, die Verantwortlichen der Stadt und viele ehrenamtliche Helfer und Unterstützer aus ganz Deutschland in den darauffolgenden Wochen und Monaten. Heute – nach jahrelangen großangelegten Bergungsarbeiten und etlichen bereits gelungenen Restaurierungen wertvoller Handschriften und Archivalien – konnte das Historische Archiv im August 2011 Bilanz ziehen: Nachdem glücklicherweise etwa 95 Prozent des gesamten Archivguts geborgen werden konnte, wurden die kostbaren, aber beschädigten Archivalien zunächst erstversorgt und in bundesweit 20 Archiven eingelagert. An der Einsturzstelle sind nun keine relevanten Funde mehr zu erwarten.
Die Kulturstiftung der Länder hatte bereits am Abend des Unglücks ihr Angebot übermittelt, zur sofortigen Hilfe 50.000 Euro zur Verfügung zu stellen – mit diesen Mitteln konnte das Historische Archiv der Stadt Köln nun eine Gefriertrocknungsanlage erwerben: Denn die feucht geborgenen Archivalien wurden meist sofort nach ihrer Bergung schockgefroren, um weitere Beschädigungen zu stoppen – sobald die Archivalien wieder ans Licht und mit Sauerstoff in Berührung kamen, war höchste Eile geboten. Der Schlamm aus Erde, Geröll und Zementstaub musste unverzüglich von Papier, Pappe oder Pergament abgespült werden – angetrocknet und zementiert ist er nicht mehr entfernbar und zerstört die Stücke endgültig. Auch der Befall mit Mikroben oder Schimmel setzt sofort nach der Bergung ein. Die nassen Bündel voller Kölner Geschichte wurden deshalb in Stretch-Folie verpackt und in einem nahegelegenen Kühlhaus eingefroren. So gewann man vor allem Zeit – aber nur etwa zwei Jahre lang können diese Archivalien eingefroren bleiben, dann müssen sie restauriert werden, sonst drohen weitere Schäden.
Die neue Vakuum-Gefriertrocknungsanlage macht nun die effektive Trocknung von Archivgut in Buch- und Aktenform, aber auch von Plänen und Großformaten möglich. In der Anlage wird den eingefrorenen Archivalien in einer speziellen Vakuumkammer die Feuchtigkeit entzogen, indem das Wasser direkt vom gefrorenen in den gasförmigen Zustand überführt wird. Nachdem den wertvollen Objekten nun zunächst das Wasser entzogen wird, kann anschließend die Restaurierung beginnen. Die Restaurierung und Konservierung wird zukünftig in erster Linie im gerade eingerichteten hochmodernen Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum des Historischen Archivs auf rund 10.000 Quadratmetern in Porz-Lind durchgeführt. Mit der nun vorhandenen neuen Gefriertrocknungsanlage können die noch eingefrorenen Archivalien bestens für die weitere fachgerechte Restaurierung vorbereitet werden.
Die Kulturstiftung der Länder unterstützt das Historische Archiv der Stadt Köln auch weiterhin bei der Restaurierung seiner beschädigten Schätze: Dazu stehen mittlerweile aus eigenen Mitteln sowie durch eingeworbene Drittmittel von weiteren Förderern und privaten Mäzenen über 700.000 Euro bereit. Auch die Leser von Arsprototo, dem Magazin der Kulturstiftung der Länder, und der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder unterstützen seit längerem mit zahlreichen Spenden das Historische Archiv bei der Rettung und Restaurierung einiger der wertvollsten mittelalterlichen Handschriften Kölns. Die großangelegte Restaurierungsinitiative der Kulturstiftung der Länder widmet sich kostbaren Stücken des Archivs, dem Bestand Wallraf, einer Sammlung von Handschriften: Ohne die rastlose Sammeltätigkeit des letzten Rektors der Alten Universität Ferdinand Franz Wallraf († 1824) wäre unser Bild vom historischen Köln unschärfer und seine Überlieferung in den Museen, Bibliotheken und Archiven um einiges ärmer. Seine umfangreiche Sammlung aus den säkularisierten Klöstern Kölns bildet den Kern der kostbaren Handschriftensammlung des Historischen Archivs. Karolingische und ottonische Codices sind ebenso darunter wie mit zahlreichen Miniaturen versehene und goldverzierte spätmittelalterliche Stundenbücher. National wertvolles Kulturgut wie das Evangeliar aus St. Gereon gehört dazu, dessen Miniaturen die Porträts von Otto III., seiner Mutter Kaiserin Theophanu und von Adelheid – der Gemahlin Kaiser Ottos des Großen – überliefern. Weltliche Handschriften befinden sich ebenso in dem Bestand wie ein bebilderter Codex mit Gottfried von Straßburgs „Tristan und Isolde“ (frühes 14. Jh.) oder diverse Arzneibücher. Genauso aber ein romanischer Speculum virginum – ein „Spiegel der Jungfrauen“, der in Wort und Bild Begründungen und Rechtfertigungen des jungfräulichen Lebens im Kloster lieferte, oder eine rare Sammlung päpstlicher Schreiben aus dem 13. Jahrhundert. Der Bestand Wallraf umfasste fast 400 Handschriften, das Archiv besaß insgesamt etwa 1.500 Handschriftenbände aus Pergament und Papier.