Das Gesicht. Eine Spurensuche

Kein anderer Teil unseres Körpers erfährt so viel Aufmerksamkeit von uns und anderen Menschen wie unser Gesicht: Kritisch geht bisweilen der Blick morgens in den Spiegel. Die Schönheitsindustrie verspricht Hilfe gegen Falten und Unebenheiten und bringt das Gesicht einem Ideal näher, welches von Medien und Gesellschaft propagiert wird. Stimmung und Erlebnisse dokumentieren wir häufig mit einem Foto von uns selbst – dem „Selfie“. Und auch mit anderen kommunizieren wir im Alltag durch verschiedene Gesichtsausdrücke und entscheiden mit einem Blick, ob jemand vertrauenswürdig oder aggressionsbereit wirkt. Dass Charakterzüge anderer wie Intelligenz und Gewalttätigkeit aus dem Gesicht zu erschließen seien, ist indes keine neue Annahme: Die historische Lehre der Physiognomik existiert bereits seit der Antike und diente im 19. und 20. Jahrhundert als pseudowissenschaftlicher Unterbau für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Heutzutage sind es Computer und spezielle technische Programme, die unser(e) Gesicht(er) in eine Anzahl von Datenmuster auflösen, um sie erkennen und identifizieren zu können. Eigensetzt werden die Verfahren vor allem an öffentlichen Orten wie Plätzen und Straßen, aber auch Flughäfen und Bahnhöfen. Nicht nur Geheimdienste und Militär interessieren sich für die Datensätze, auch die sozialen Medien und die Industrie fördern Gesichtserkennung und Auswertung von Gesichtsmimik durch Computerprogramme. Doch wer hat Zugriff auf unser Gesicht und vor allem in welchem Umfang? Und fördern wir selbst den Kult ums Gesicht mit dem Selfie-Wahn? Antworten bietet die Sonderausstellung „Das Gesicht. Eine Spurensuche“ des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden.

Mit rund 150 kulturhistorischen und wissenschaftlichen Objekten sowie Dokumenten und Medien der Alltagskultur präsentiert die Ausstellung in vier Sektionen historische und aktuelle Positionen zu der Bedeutung des Gesichts. Eine wichtige Rolle für die Beschäftigung mit der Thematik spielen die Werke verschiedener Künstler und Künstlerinnen: So sind Arbeiten unter anderem von Kate Cooper, Christoph Amberger, Brassai, F.C. Gundlach und dem koreanischen Künstlerduo Shinseungback Kimyonghun vertreten. Die Besucher und Besucherinnen können auch selbst interaktiv in der Schau mitwirken. Zum Beispiel demonstriert die Cognitec Systems GmbH, wie eine Gesichtserkennung funktioniert, und eine Demoversion von Shore (Sophisticated High-Speed Object Recognition Engine) des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen präsentiert die Erfassung von Mimik. Des Weiteren kann über die Frage „Dein Selfie oder kein Selfie“ – also für oder gegen die Aufnahme von Selfies – abgestimmt werden. Ein umfangreiches Rahmenprogramm begleitet die Ausstellung: Lesungen und Konzerte sowie Gespräche und ein Symposium laden zur weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik ein. Gefördert wird die Ausstellung von der Kulturstiftung der Länder, der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen und der Charlotte Meentzen Kräutervital Kosmetik GmbH.