Das Interview im Podcast:
Der Dachverband der Kulturfördervereine in Deutschland e. V. vertritt seit 2018 deutschlandweit Fördervereine aus allen kulturellen Bereichen und macht das Engagement und die Interessen dahinter sichtbar. Frau Petzold, können Sie uns in wenigen Worten erläutern, was genau ein Kulturförderverein ist?
Petzold: Kulturfördervereine unterstützen das kulturelle Geschehen in Deutschland, vor allem die Bereiche Musik, Tanz und Theater, die mit 36 Prozent den größten Bereich darstellen. Es werden aber auch diverse andere Kultursparten abgedeckt: von Fördervereinen für Kunstfestivals über Denkmalschutz bis hin zur Unterstützung des Erhalts von kleinen Bibliotheken ist alles dabei. Die Vereine kümmern sich um die finanzielle Förderung der Kulturinstitutionen. Doch die Arbeit geht oft weit über das Finanzielle hinaus. Die Stärkung der Kultureinrichtungen gehört genauso dazu wie der Einsatz dafür, Kulturgüter zu bewahren und andere für Kultur zu begeistern. Man kann sagen, die Arbeit stärkt das Zusammenleben vor Ort. Wenn Kultur stattfinden kann, weil ein Konzert oder ein Bühnenbild finanziell unterstützt wurden, hat das einen Wert, der über die Förderung in Form von Geld hinaus geht. Glücklicherweise nimmt der Trend an Neugründungen nicht ab.
Und wo genau greift die Arbeit des DAKU?
P: Es gibt maßgeblich drei Schwerpunkte unserer Arbeit für die Kulturfördervereine. Wir unterstützen sie beim Weiterentwickeln, Sichtbarmachen und Vernetzen. Oft sind wir direkt vor Ort, schauen nach den konkreten Bedarfen und was entsprechend angeboten werden kann. Beispielsweise rufen wir regionale Veranstaltungen ins Leben, die einen Erfahrungsaustausch der Vereine ermöglichen. Bei solchen Vernetzungstreffen wird vielen Playern erstmals bewusst, was sie gemeinsam in der Region leisten und wo sie sich gegenseitig helfen können. Aktuell entwickeln wir ein „Länder-Netzwerk“, das unter anderem durch die inhaltliche wie finanzielle Unterstützung der Kulturstiftung der Länder umgesetzt werden kann. Außerdem arbeiten wir daran, die enorme Bedeutung der Vereine als Partner gegenüber Kommunen, Ländern und Bund zu vermitteln. Bis 2018 gab es kaum Daten und Fakten über deren gesellschaftliche Leistung. Wir tragen alles zusammen und machen das Engagement so greifbar. Nicht zuletzt sorgen wir uns auch um die Weiterentwicklung und Qualifizierung der Fördervereine. Viele stellt die Einbindung digitaler Anwendungen noch vor Herausforderungen, daher fördern wir das Voranschreiten der Digitalisierung. Wir geben den Vereinen dafür Berater:innen, aber auch digitale Werkzeuge an die Hand. Unser Erfolg misst sich in der Wirksamkeit der Kulturfördervereine, denn genau die wollen wir stärken.
Herr Hörster, Sie sind Erster Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Oberhessischen Museums in Gießen. Können Sie ganz konkret schildern, was Sie dort machen?
Hörster: Es gibt zwei Dimensionen, in denen wir unterstützend tätig werden. Als Förderverein eines städtischen Museums arbeiten wir erstmal ganz klassisch: Wir sammeln Geld für das Museum. Das erreichen wir durch Mitgliedsbeiträge und indem wir Spenden und Fördermittel einwerben. Durch unsere Finanzierung konnte beispielsweise ein Werk des Künstlers Max Liebermann (1847 – 1935) von 1908 restauriert und konserviert werden. Daneben setzen wir uns für eine ideelle Förderung ein. Wir versuchen das Museum bekannter zu machen, fungieren als Netzwerker und Multiplikator. Mit unserem Projekt „Platz machen!“ schaffen wir moderne Klapphocker an. Wer möchte, kann selbst einen Hocker für 99 Euro beitragen und wird namentlich darauf vermerkt. Das animiert zum Spenden. Eines unserer Anliegen ist außerdem, Räume für den niederschwelligen Austausch zu finden. Das setzen wir beispielsweise seit 2019 in dem Format „HEREINSPAZIERT“ um. Einmal im Quartal laden wir eine Persönlichkeit aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft oder Kultur ein, die sich für eine offene Diskussionsveranstaltung ein Werk aus dem Depot aussuchen kann. Der Gast stellt das Objekt vor und wechselt relativ schnell in einen Diskurs mit dem Publikum. Partizipative Elemente stärken das Interesse am Museum.
Worin liegt denn die besondere Bedeutung der Kulturfördervereine für die Gesellschaft?
P: Die Kulturfördervereine schaffen soziale Orte, gerade in kleineren Städten oder im ländlichen Raum. Sie verbinden Menschen. Darin sehe ich ihre gesellschaftliche Leistung. Das zeigt sich beispielsweise in unserem Projekt „Digitaler Werkzeugkasten“, bei dem der DAKU den Fördervereinen digitale Anwendungen zur Verfügung stellt. Jugendliche arbeiten dabei gemeinsam mit Vorständen der Vereine aus dem ländlichen Raum. Die verschiedenen Generationen gestalten Flyer oder programmieren Webseiten, jeder kann sein Know-how beitragen. Viele Vereine reagieren auch auf das aktuelle Zeitgeschehen, engagieren sich für Geflüchtete, organisieren beispielsweise gemeinsame Kochaktionen oder Museumsbesuche mit Menschen aus der Ukraine. Ich würde sogar sagen, die Arbeit der Vereine hat neben einer sozialen eine politische Kraft. Die Menschen, die sich darin engagieren, sind die Fürsprecher:innen ihrer Institution. Wird beispielsweise ein Theater geschlossen, dann gehen sie auf die Barrikaden, setzen sich für ihre Kulturinstitution ein, verhandeln mit der Politik. Dieser auch politische Einsatz für die Kultur ist ein wichtiger Aspekt des Engagements für die Kultur, das den zweitgrößten Engagementbereich in Deutschland darstellt. Nur in 14 Prozent der 17.000 Vereine gibt es Festangestellte, der Rest sind ehrenamtlich Aktive. Das zeigt deutlich, dass sich viele Menschen ehrenamtlich für kulturelle Institutionen einsetzen und dass die Vereine einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnehmen.
Das macht zudem deutlich, wie weit die Arbeit der Kulturfördervereine über den Kulturbereich hinausgeht. Man kann also festhalten, dass die Kulturfördervereine nicht bloß die Lücke füllen, wo die öffentlichen Haushalte zu ihrem Ende kommen? Das könnte man ja auf den ersten Blick annehmen.
P: Absolut. Sie sind keine Lückenbüßer, sondern ein Sprachrohr der Gesellschaft. Sie sind selbst das Publikum und versuchen auch, noch mehr Publikum für die Kultureinrichtungen zu gewinnen. Neben der finanziellen Förderung ist dies die wichtigste Aufgabe der Vereine – gerade auch jetzt nach der Pandemie, wo die Häuser wieder gefüllt werden müssen. In dieser Funktion können die Vereine in die Kulturinstitutionen hineinwirken.
H: Sie drücken einen gemeinnützigen Willen aus, der gegenüber den Entscheidungsträgern eine andere Wertigkeit haben kann. Zum Wesen des Kulturfördervereins würde ich sagen, dass er in einer sehr „Ich“-geprägten Gesellschaft die Möglichkeit bietet, ein „Wir“ zu formulieren. Man schenkt dieser Institution sein Ehrenamt.
War das auch eine Motivation, den Förderverein Museumsgesellschaft Gießen e.V. 2013 zu gründen, Herr Hörster?
H: Ja, so ist es. Wir waren eine Gruppe überwiegend junger Erwachsener. Viele hatten im Museum ein Praktikum gemacht oder während des Studiums ausgeholfen. Durch den Blick hinter die Kulissen und die Zeit vor Ort hatten wir alle eine starke emotionale Bindung an das Museum. Wir wollten uns in irgendeiner Form für diese Institution einsetzen. Uns fiel dann auf, dass es noch gar keinen Förderverein für das bereits 1905 gegründete Oberhessische Museum in Gießen gab. Er ist jetzt das Instrument, durch das wir unser Engagement für die Institution ausleben können. Auch wenn es etwas theatralisch klingen mag, grundsätzlich war meine Motivation aber die Hingabe, die Liebe zum Museum.
P: Von dieser Motivation hören wir ganz oft, ob von Kunst- oder Theaterbegeisterten. Es gibt natürlich stilles Engagement: Menschen, die einfach ihren Mitgliedsbeitrag zahlen. Es sind aber auch Menschen dabei, die für etwas brennen, für das sie sich einsetzen wollen. Vereine mit Mitgliedern, die eine hohe ideelle Motivation mitbringen, haben großes Potential. Einigen ist noch gar nicht bewusst, was für ein Schatz das ist. Das tritt beispielsweise dann ans Tageslicht, wenn die Vereinsmitglieder ihre beruflichen Kompetenzen mit einbringen. Sei es die Marketingchefin, die etwas zur Mitgliedergewinnung beiträgt, oder der Bauherr, der beim Umbau eines Theaters nochmal über die Baupläne guckt.
H: Wir machen auch die Beobachtung, dass Mitglieder wegziehen und dennoch Mitglied bleiben. So bleibt eine Verbindung an die alte Wirkungsstätte, in die alte Heimat erhalten und die Möglichkeit zum Kontakt. Das finde ich sehr spannend.
Herr Hörster, Sie sind Mitglied im Netzwerk des Jungen Think-Tanks im DAKU, einem Zusammenschluss junger Leute, die in leitenden Funktionen kultureller Fördervereine tätig sind. Womit setzen Sie sich da auseinander?
H: Nur 16 Prozent aller Vereine haben keine Schwierigkeiten damit, freie Positionen mit Engagierten zu besetzen. Das treibt uns um und stellt uns vor akute Fragen: Wie kann man junge Menschen für ein Ehrenamt in Kulturfördervereinen gewinnen? Wie begeistert man frisch Zugezogene für ehrenamtliche Aktivitäten? Wie können sich etwas veraltete Fördervereine auf jungen Nachwuchs umstellen? Oft haben wir das Gefühl, dass die Außenkommunikation von Vereinen nicht stark genug ist und so für potentiellen Nachwuchs schwer sichtbar bleibt. Dafür bieten wir Unterschiedliches an. Über unsere Webseite finden Interessierte eine dynamische Karte mit Verlinkungen zu Vereinen in ganz Deutschland, in denen sich junge Mitglieder besonders engagieren. Auch Vereine, die Angebote speziell für junge Menschen bieten, finden sich hier. Über eine Postleitzahlensuche, die Teil unserer Initiative #dufürdiekultur ist, lassen sich Kulturfördervereine nach Sparten sortiert auffinden. Auch nach jungem Engagement lässt sich hier gezielt suchen. Zudem nehmen wir Think-Tank-Mitglieder regelmäßig an Weiterbildungen zu Themen wie Social Media, Diversität oder Fundraising teil. Die neuen Erkenntnisse stellen wir anderen Kulturfördervereinen als Leitfäden zur Verfügung, zum Beispiel mit Tipps zur Mitgliedergewinnung im digitalen Raum. Eine weitere wichtige Initiative ist der „Förderpreis Junge Kulturförderung“. 2020 haben wir ihn zum ersten Mal verliehen. Preisträger war ein Verein, der ein Festival im ländlichen Raum durch digitale Angebote bereicherte.
Und gibt es ein Patentrezept um junge Menschen für Kulturförderung zu mobilisieren?
H: Nein, es gibt kein Patentrezept für alle. Aber natürlich macht der Think-Tank viele Beobachtungen und ich erlebe im Alltag der Museumsgesellschaft Gießen selbst, was funktioniert. Der heutige Zeitgeist ist durch Schnelllebigkeit geprägt und das Angebot an Kulturveranstaltungen und Freizeitaktivitäten ist enorm. Daher ist die Vereinbarkeit von Schule, Studium oder Beruf und Engagement für viele das Hauptthema. Gut sind daher zum Beispiel Angebote, die eine Einbindung in kurzfristige Aufgaben ermöglichen, also projektbezogenes Engagement. Wenn man das Ehrenamt in einem zeitlichen Rahmen abschließen kann, fällt es oft leichter sich zu beteiligen.
P: Auch beim DAKU steht die Nachwuchsgewinnung für Fördervereine als eines der Hauptziele ganz oben, denn davon leben sie am Ende langfristig. Dafür setzen wir direkt bei den jungen Leuten selbst an, damit sie gehört werden. Junge Menschen haben schnell den Eindruck, in Vereinen nicht auf Augenhöhe agieren zu können. Hier ist es hilfreich, wenn sie konkrete Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen können: Vielleicht kennen sie sich gut im Bereich Social Media, Facebook oder Twitter aus? Oder können Webseiten programmieren? Das ist in den Vereinen oft eine dringend gesuchte Kompetenz, die vielen älteren Vereinsmitgliedern fehlt. Wenn junge Mitglieder Verantwortung für Bereiche übernehmen können, die ihnen Spaß machen, profitieren alle davon.
Wenn wir einmal einen Blick in die Zukunft werfen: Was wünschen Sie sich von der Politik für die Verbesserung der Arbeit oder des Wirkens von Kulturfördervereinen, Frau Petzold?
P: Wir als Dachverband sind ja für die Bedarfe, die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch der Vereine verantwortlich. Sehr oft hören wir, dass die Vereine das Gefühl haben, von der Politik nicht richtig wahrgenommen zu werden. Auf der einen Seite wird ihrer gesellschaftlichen Leistung zu wenig Beachtung geschenkt und gleichzeitig nimmt die bürokratische Arbeit dahinter viel Raum ein. Wir wünschen uns hier von der Politik mehr Aufmerksamkeit, mehr Ansprechpartner:innen. Praktisch heißt das zum einen, dass Fördervereine mehr Informationen benötigen. An wen können sie sich generell für Hilfestellungen wenden? Wo sie Fördergelder oder Weiterbildungen beantragen? Eine konkrete Entlastung würde zudem im Abbau der Bürokratie helfen, zum Beispiel durch eine Verbindung zwischen den vielen Registern, in denen sich die Vereine eintragen müssen. Eine digitale Vernetzung würde viel Zeit einsparen. Denn das alles bringt einen zusätzlichen Arbeitsaufwand mit sich, für den wir uns mehr Unterstützung wünschen. Ich möchte hier nochmal betonen, dass 86 Prozent der Vereine komplett ehrenamtlich organisiert sind.
Herr Hörster, kennen Sie als Vereinsvorsitzender solche Herausforderungen aus dem Alltag?
H: Ja. Es wäre wirklich hilfreich, wenn es einfachere Strukturen und Formen für die administrativen Abläufe geben könnte. Die Zeit, die für solche Prozesse nötig ist, schreckt viele von einem Ehrenamt ab. Kulturelles Engagement ist bereits mit Verantwortung und Arbeit verbunden, wenn ich dann noch meine Wochenenden über der Steuererklärung für den Verein sitze, ist das nicht allzu verlockend. Und diese Sorge stellen wir unabhängig vom Alter der Leute fest.
P: Es gibt tatsächlich viele Befürchtungen, die von einer Beteiligung abschrecken, auch ausgelöst durch die Unwissenheit darüber, wie die Haftungsrisiken aussehen. Als Folge schaffen es Vereine nicht mehr, ihre Vorstände zu besetzen. Hier muss sich die Politik auf die Vereine zubewegen und mehr Hilfestellung anbieten. Wir haben der Pandemie ein ganz positives Beispiel zu verdanken, wie solch Hilfe aussehen kann: Während der pandemischen Zeit galt die Sonderregelung, dass Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen online stattfinden konnten. Dieses Angebot läuft jetzt zum 31. August aus. Wir sind sehr froh, dass Bayern am 20. Mai den Vorstoß gemacht hat, die Fortführung solcher digitalen Formate im Bundesrat zu diskutieren. Diese Möglichkeit gesetzlich zu verankern, das wäre mein persönlicher und konkreter Wunsch für die Arbeit des DAKU und der Fördervereine.
Mitarbeit: Leonie Lotti Soltys, Johannes Fellmann