Chinoiser Lackschaden
Es wäre ein herber Verlust für die Sammlung gewesen, denn seit 1951 gehörte er zu den wertvollsten barocken Möbeln in Schloss Mosigkau: Der Dresdener Lackschreibschrank – als einer der vielen zu restituierenden Kunstgegenstände im westlich von Dessau gelegenen Schloss – konnte von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz schließlich durch eine gütliche Einigung von einer sächsischen Adelsfamilie erworben werden. Das rote Lackmöbel befand sich ehemals im Schloss Hohenthurm bei Halle.
Bedauerlicherweise kann das auffällige Stück aber schon seit vielen Jahren nicht in die Ausstellung integriert werden, da u.a. seine Lackoberfläche umfassend restauriert werden muss. Dresden wurde nach 1700 zu einem Zentrum der Lackmöbelkunst in Europa. Die Sammelleidenschaft des Kurfürsten August des Starken für Porzellane gab der Chinamode in Sachsen einen großen Auftrieb; so entstanden das Japanische Palais und das Schloss in Pillnitz. Neben ostasiatischen Möbelimporten wurden in Dresden bedeutende Lackmöbel als lokale Kopien der kostbaren Vorbilder für die Ausstattung dieser Schlösser gebaut. Besonders begehrt waren und sind auch jetzt noch die Schreibaufsatzschränke Dresdener Produktion.
Der Schrank gehört in die Gruppe der kostbaren Dresdener Lackschreibschränke, die unter anderem den Ruhm der Dresdener Lackmöbelkunst unter Martin Schnell (1675–1740) ausmachen. Schnell, der seit 1710 für August den Starken als Hoflackierer arbeitete, hatte Dresden zu einem Zentrum dieses Fachs in Deutschland gemacht. Vor allem im Auftrag des Hofes entstanden zahlreiche Möbelstücke für das Japanische Palais, für Pillnitz, die Moritzburg, für Warschau und für Hubertusburg. Die chinoise Mode hatte in dieser Zeit den sächsischen Hof vollständig erfasst. Vor allem hier erlebte die Chinamode einen Höhepunkt.
Der Schrank aus Hohenthurm entspricht in seinen Bauformen den sächsischen Schreibmöbeln. Seine Schlankheit und Höhe sowie auch die Form der Sockelfüße verweisen auf diesen Stil. Von Martin Schnell sind mehrere rotlackierte Schränke nachweisbar: Ein Beispiel, dem Mosigkauer Schrank ähnlich, befindet sich als Prunkstück im Dresdener Kunstgewerbemuseum. Auch die Tatsache, dass die Lackhaut brüchig und spröde geworden ist, spricht für die sächsische Herkunft des Möbels. Der plastische Schmuck, der am gebrochenen Giebel angebracht ist, weist auf Sachsen; vergleichbares gibt es etwa bei Vasen von Martin Schnell.
Offenbar wurde der Schrank im 19. Jahrhundert restauriert, jedoch nicht gründlich und wenig sachkundig. Eine wirkliche sachgemäße Restaurierung dieses Möbels könnte seine außergewöhnliche Schönheit wieder zu Tage fördern. Der Schreibschrank würde nach seiner Restaurierung als zentraler Einrichtungsgegenstand das Chinakabinett im Mosigkauer Schloss zieren, das ehemals allein mit roten Lackmöbeln bestückt war.
Das Möbelstück befindet sich augenblicklich in einem bedauerlichen Zustand. In einigen Partien wie den unteren Schrankseiten sind die chinoisen Motive nahezu vollständig abgeblättert. Hier tritt allein der rote Bolusgrund zum Vorschein. In anderen Bereichen ist die Lackmalerei, möglicherweise durch zurückliegende unvollkommene Restaurierungsversuche mit einem dunklen Überzug bedeckt. Nur im Innenleben des Schrankes kann man sich noch einen Eindruck von der ursprünglichen prachtvollen Wirkung des roten Lacks machen. Doch auch wenn der Schrank nie wieder seine ursprüngliche Pracht und Schönheit vollständig wiedererlangen wird, rechtfertigt die hohe Bedeutung und die herausragende Qualität des Dresdener Prunkmöbels eine Konservierung und Restaurierung. Es gilt darüber hinaus zu bedenken: Wenn hier nicht bald restauratorische und konservierende Hand angelegt wird, wird der Verfall irreversibel fortschreiten.
In einem ersten Schritt sind die Schadensbilder und ältere Restaurierungen zu erfassen, es werden Proben zu entnehmen sein, die dann in einem Labor naturwissenschaftlich untersucht werden müssen. Die darauf folgenden Reinigungs- und Festigungsarbeiten dienen dazu, den fortschreitenden Verfallsprozess aufzuhalten und das Möbel auch in seiner unvollkommenen Erscheinung ausstellungsfähig zu machen. Die Kosten werden von Restauratoren mit 6.000 bis 7.000 Euro veranschlagt. Eine anzustrebende Gesamtrestaurierung, bei der auch die restliche Lackierung wieder zu Farbe und Glanz kommen soll, wird Kosten von nicht unter 50.000 Euro verursachen. Doch wird man für eine exakte Ermittlung der Kosten die erste Stufe der Untersuchungen und Restaurierungen abwarten müssen.
Da die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz bereits seit längerem über keinen Restaurierungsetat mehr verfügt und die beiden hauseigenen Restauratoren nicht auf Lack spezialisiert sind, ist die Stiftung bei der Restaurierung des Schrankes auf Ihre großzügige Förderung angewiesen. So bitten wir Sie herzlich um Unterstützung, damit diese außergewöhnliche kunsthandwerkliche Schöpfung des 18. Jahrhunderts vor dem Verfall bewahrt und der Öffentlichkeit wieder als bedeutendes Beispiel Dresdener Möbelbaukunst im Schloss Mosigkau präsentiert werden kann.