Was hat das lokale Community-Projekt „Garten der Erinnerungen“ aus Köln-Kalk mit „Explore Dance“, dem Hamburger Tanzfestival für junges Publikum zu tun? Und was verbindet die Theaterprojekte der Brüder-Grimm-Grundschule in Berlin-Wedding mit der Initiative ARTEMIS des Frankfurter Städel Museums, in der an Demenz erkrankte Menschen mit ihren Angehörigen Kunst erleben? Was haben die Menschen hinter diesen Initiativen sich zu sagen, was können sie voneinander lernen, wie können sie sich gegenseitig bestärken? Wo und wie erhalten sie Unterstützung?
Was diese Initiativen verbindet, ist, dass sie Jung und Alt in Auseinandersetzung mit den Künsten bringen und dadurch ein besseres Verständnis des kulturellen Erbes, die Reflexion eigener Sichtweisen und Standpunkte oder auch die jeweils eigene künstlerisch-kreative Ausdrucksfähigkeit stärken. Die Reflexion und Produktion in der ästhetischen Praxis sind zwei zentrale Aspekte der kulturellen Bildung. Gemein ist den Initiativen auch, dass sie mit ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern Vertrauen und Nähe aufbauen und so mit ihrer Bildungsarbeit Zugangswege erschließen – Zugänge zur Nutzung digitaler Virtual-Reality-Technologie als künstlerisches Handwerk wie in Köln, Zugänge Jugendlicher zum international renommierten zeitgenössischen Tanz in Hamburg, Zugänge zu Kulturinstitutionen wie im Fall der Grundschule im Wedding, die im Rahmen des Programms „TUSCH. Theater und Schule“ eine enge Kooperation mit der Deutschen Oper Berlin aufbaut, Zugänge zu generationsübergreifenden Gesprächen über bildende Kunst in Frankfurt.
Als Onlineportal, welches antritt, kulturelle Bildung in Deutschland zu stärken, zeigt MAKURA, das Portal für kulturelle Bildung der Kulturstiftung der Länder, diese vier und noch 236 weitere Projektbeispiele. Einblicke in die praktische Arbeit sind aber bei Weitem nicht alles, was das Portal zu bieten hat.
Eine für die Entwicklung des Konzepts des heutigen Portals durch den Kooperationspartner und -förderer der Kulturstiftung der Länder, die Stiftung Mercator, in Auftrag gegebene Bedarfs- und Stakeholder-Analyse zeigte im Jahr 2020, dass zwar eine große Bandbreite an Praxis- und Methodenwissen vorhanden ist, es aber an einer strukturellen Verankerung mangelt, also an einer Sicherung, Festigung und Verbreitung bisheriger Ergebnisse und Erkenntnisse. Die Träger von Initiativen und Projekten, die Vereine, Verbände und Kulturinstitutionen, bei denen kulturelle Bildung angesiedelt ist, bräuchten starke Fürsprecher, mehr überregionale Sichtbarkeit für die Bedeutung kultureller Bildung und mehr Vernetzungsmöglichkeiten der praktisch arbeitenden Personen, die ihre Angebote konzeptionell und methodisch entwickeln, so die Ergebnisse der Analyse.
Es mag verwundern, ist doch eine Kultur, die allen Menschen in der Gesellschaft zugänglich ist, schon seit den 1970er-Jahren ein kulturpolitisches Ziel der Länder und des Bundes, die kulturelle Bildung als ein Mittel zur Verbesserung der kulturellen Teilhabe fester Gegenstand von kultur-, bildungs-, jugend- und sozialpolitischer Förderung und Regelung. Es gibt in Deutschland zwei Akademien für kulturelle Bildung, die Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V., die Kulturpolitische Gesellschaft, seit einigen Jahren auch den Bundesverband der Kulturagent:innen und das Netzwerk Forschung kulturelle Bildung. Gemeinnützige Stiftungen haben jahrelang mit großen Budgets kulturelle Bildung gefördert. Trotz struktureller Probleme wie der vielfach zeitlich befristeten Förderung von Projekten und Verteilungskonflikten bei knapper werdenden Fördermitteln gibt es eine Vielzahl an Angeboten und Zugangswegen zur Kultur.
Und doch bestätigen Studien, wie sie etwa die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums für kulturelle Teilhabeforschung in der Berliner Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung vornehmen, immer wieder, dass große Teile der Bevölkerung in Deutschland kaum Kulturangebote wahrnehmen und dass kulturelle Teilhabe stark durch den sozioökonomischen Hintergrund und das Elternhaus geprägt sind. Was sagen diese Befunde über die gesellschaftliche Wirkungskraft kultureller Bildung aus und über ihre Effekte auf die kulturellen Teilhabechancen in unserer Gesellschaft?
Die wissenschaftlich ausgerichtete Plattform www.kubi-online.de konstatierte kürzlich in dem Themenschwerpunkt „Quo vadis Kulturelle Bildung?“, dass sie den gesellschaftlichen Wandel in den Blick nehmen müsse, um zeitgemäß zu bleiben, und meint damit die großen Veränderungsprozesse, die uns alle betreffen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Pluralismus und gesellschaftlicher Zusammenhalt, Globalisierung. Auch das Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung, welches den kollegialen, interdisziplinären Austausch über Theorien, Fragestellungen und Forschungsmethoden in der kulturellen Bildung fördert, markiert den großen Bedarf, eigene Zielsetzungen und Arbeitsweisen zu hinterfragen, und regte daher bei der letzten Jahrestagung im September 2024 an, „Methoden kultureller Bildung [zu] überdenken“. Zeitgemäß neue Methoden, Themen und Formate setzen: ein Weg, um mehr Menschen für Kultur zu begeistern.
Auf die wichtigen Grundsatzfragen, was kulturelle Bildung verändern kann und wie sie am wirkungsvollsten ist, antwortet MAKURA zunächst mit der Vielstimmigkeit des Feldes. Im Kulturföderalismus ist die Pluralität und Diversität die Stärke. MAKURA verschafft ihr eine offene Bühne: In 16 Länderporträts, derzeit rund 240 Projektbeschreibungen, knapp 650 Kontakten von staatlichen Einrichtungen, Verbänden, Vereinen, Stiftungen und Kultureinrichtungen, deutschlandweit über 150 Angeboten der Aus- und Weiterbildung und 63 Publikationen und Podcasts, darunter die gesamten Studien, Positionspapiere, Handreichungen und Podcasts des ehemaligen Rats für kulturelle Bildung, schafft das Portal MAKURA Transparenz über die politischen Rahmungen und Förderstrategien auf Landesebene, macht Praxiswissen auffindbar und vermittelt passende Anlaufstellen für Fördermittel, Wettbewerbe und Preise.
Die Menüführung und eine Filterfunktion helfen bei der Suche nach passenden Inhalten. Und so komme ich von meiner Suche nach theaterpädagogischen Angeboten für Kinder beispielsweise auf das Zentrum für kulturelle Teilhabe in Baden-Württemberg, dessen Leitfaden „How to“ mir Fachwissen- und Erfahrungen zur Arbeit mit Kinder- und Jugendbeiräten an Theatern und anderen Kultureinrichtungen vermittelt. Zugleich werde ich in der Rubrik „Diskurse und Analysen“ auf die Projektauswertung „Making a difference“ zur inklusiven Kulturarbeit im Tanz hingewiesen. Geleitet von einem Interesse an der Vermittlung performativer Künste, erhalte ich so Einblicke in umfangreiches Erfahrungs- und Methodenwissen. Es lässt sich über MAKURA unkompliziert und zugleich tief einsteigen in das Arbeitsfeld der kulturellen Bildung.
Das Portal MAKURA wird gut ein Jahr seit dem Launch im Juli 2023 rege genutzt. Bis Oktober 2024 konnten knapp 30.000 Besuche registriert werden. „Durch die Förderung von Bund und Ländern entstehen in der kulturellen Bildung zukunftsweisende Angebote für neue Zielgruppen“, so Dr. Désirée Kleiner-Liebau, Abteilungsleiterin beim DLR Projektträger und verantwortlich u. a. für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“, mit dem deutschlandweit außerschulische Angebote der kulturellen Bildung gefördert werden. „Für uns ist es wichtig, dass Förderprogramme sinnvoll ineinandergreifen. MAKURA gibt einen hervorragenden Überblick, welche Fördermöglichkeiten es wo gibt und bietet mit dem Format INSPIRE interessante Einblicke in Trends der kulturellen Bildung. Deshalb empfehlen wir MAKURA gern weiter.“
Die verschiedenen Formen, in denen kulturelle Bildung stattfindet – ob in der Schule, in freien Initiativen und Projekten, Jugend- und Kulturzentren oder in Kultureinrichtungen wie Theatern, Museen oder Konzert- und Opernhäusern –, sind immer in Strukturen eingebunden, die sie bedingen. MAKURA unternimmt daher auch den Versuch, kulturelle Bildung in ihrem jeweiligen Kontext zu betrachten sowie Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Wirkung aufzuzeigen.
Um eine inhaltlich-fachliche Einordnung kultureller Bildung im gesellschaftlichen Kontext vorzunehmen, ergänzt die Redaktion das Portal MAKURA um thematische Schwerpunkte unter dem Titel INSPIRE. In der ersten Ausgabe widmeten wir uns der Frage, wie kulturelle Teilhabe für mehr Menschen möglich werden kann. Unter dem Titel „Perspektivenvielfalt und Mitbestimmung in kultureller Bildung“ bieten Interviews, Textbeiträge und künstlerische Ansätze neue Perspektiven und vertiefende Zugänge zum Thema. Herausforderungen rund um Diversität, Teilhabe und Diskriminierungskritik in der kulturellen Bildung werden im Kontext der Organisationsentwicklung von Kultureinrichtungen beleuchtet, weil kulturelle Bildung und Kulturvermittlung auf Organisationen angewiesen ist, die insgesamt an der Verbesserung kultureller Teilhabe orientiert sind.
Das INSPIRE bildet etablierte und auch neue Stimmen wie die des international zusammengesetzten Künstler:innen-Kollektivs TAAT ab, das uns die Bedeutung der Natur für künstlerisch-kreatives Schaffen in der Gemeinschaft bildhaft vor Augen führt. Das nächste INSPIRE widmet sich dem Verhältnis von Kultur und Demokratie anhand der Fragen, wie Kulturinstitutionen demokratiefördernd wirken können und wie Angebote der kulturellen Bildung Gemeinschaft und Zusammenhalt stiften, wie auch demokratische Werte wie Meinungsfreiheit und Solidarität vermitteln.
„Kulturelle Bildung ermöglicht gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe, diese wiederum ist ein Menschenrecht. Warum also müssen wir uns dessen immer wieder vergewissern? Um uns daran zu erinnern, welche Ziele wir gemeinsam verfolgen: Teilhabegerechtigkeit zu schaffen, in Kunst, Kultur und unser aller Lebenswelten, um Zugänge zu Anderen und Anderem und zu uns selbst erfahren zu können“, so Timon Gremmels, Hessischer Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur und 2023/24 Vorsitzender der Kultur-Ministerkonferenz in seinem Grußwort zur YUNIK Konferenz für kulturelle Bildung 2024.
Die Stärkung der kulturellen Teilhabe als kulturpolitisches Thema aufzugreifen heißt bei der Kulturstiftung der Länder flankierend zur Vergabe von Fördermitteln auch, im Rahmen von operativen Projekten und Initiativen, Akteurinnen und Akteure und die dahinterstehenden Institutionen in ihrer Arbeit mit fach- und feldbezogener Expertise und Gelegenheiten für kollegialen Austausch zu unterstützen. MAKURA trägt dazu bei, das Engagement der Länder für die kulturelle Bildung in der föderalen Struktur gebündelt sichtbar zu machen und fördert über die vielfältigen Beiträge den Wissenstransfer und die Vernetzung. „YUNIK Konferenz für kulturelle Bildung“ in Nachfolge des langjährigen Programms „Kinder zum Olymp!“ bot in den Jahren 2022 und 2024 Raum für fachlichen Austausch und Vernetzung unter den Profis kultureller Bildung. Als Auszeichnung für herausragende Projekte wurde 2024 bereits zum dritten Mal der Preis KULTURLICHTER verliehen. Ein neu aufgelegtes Programm zur teilhabe- und diversitätsorientierten Weiterentwicklung von Kultureinrichtungen, welches im Jahr 2025 startet, setzt bei systemisch angelegter Beratung der Einrichtungen und der Qualifizierung von Personal im Rahmen von Workshops und einer begleitenden Konferenzreihe an. Diese Initiativen der Kulturstiftung der Länder haben das Anliegen gemeinsam, unterstützende Strukturen zu schaffen, in denen konstruktive Ideen gedeihen, Kompetenzen weiterentwickelt und Wissen effektiv angewendet werden kann. Dadurch sollen Voraussetzungen geschaffen werden, um mehr Menschen gleichberechtigte Zugänge zu wertvollen kulturellen Räumen, Diskursen und Institutionen ermöglichen zu können.
MAKURA lebt von den Ideen, Themen und Inhalten des Feldes. Die Redaktion ist offen für Themenvorschläge in der Rubrik INSPIRE und nimmt Hinweise auf relevante Projekte, Initiativen und Organisationen gerne entgegen.