Zwei Alabasterreliefs für das Museum Schnütgen
„Seit Jahrzehnten wurden diese beiden herausragenden Beispiele Internationaler Gotik nicht mehr gezeigt. Durch den Erwerb gelangen die Reliefs nun dauerhaft in öffentlichen Besitz und können der Forschung zugänglich gemacht werden. So kann die Wissenschaft den Fragen nach dem bislang ungeklärten Entstehungszusammenhang und auch nach dem Ursprungsort nachgehen. Dafür sind die Reliefs im Museum Schnütgen bestens aufgehoben, das über die Expertise im Umgang mit genau diesem Material und auch dieser Epoche verfügt“, so Prof. Dr. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.
Die Werke aus Alabaster – eine kristalline Form von Gips – sind eindeutig der Internatio-nalen Gotik zuzuordnen, einer Stilrichtung, die sich um 1400 insbesondere im niederlän-disch-burgundisch-rheinischen Raum verbreitete. Eine genaue Lokalisierung des Ursprungsortes der Alabasterreliefs ist bislang nicht möglich. Im 15. Jahrhundert herrschte ein reger künstlerischer Austausch zwischen den fürstlichen Residenzen in den burgundischen Niederlanden, Burgund, Frankreich und den Regionen am Mittelrhein. Das Museum Schnütgen ist bereits im Besitz der Skulpturenfragmente vom Tympanon der Kölner Ratskapelle (1424) und zweier Apostelfiguren aus Alabaster aus der Werkstatt des in den südlichen Niederlanden tätigen Meister des „Rimini-Altars“ (um 1430). Die von einer Münchner Kunsthandlung erworbenen Reliefs ergänzen diese Sammlung um sehr gut erhaltene Meisterwerke, die vermutlich im höfischen Auftrag angefertigt wurden.
Auf zwei Vierpassrahmen mit einer Größe von jeweils 28,5 × 28,5 × 6 cm zeigen die Reliefs einerseits Maria, nach links gerichtet und kniend vor einem Lesepult, die Hände andächtig zusammengelegt, andererseits den nach rechts gewendeten und sie grüßenden Erzengel Gabriel im Anflug. In der linken Hand hält der Engel ein Schriftband mit den Anfangsworten des Mariengrußes („Ave Maria …“). Auch neben die Figur Marias hat der unbekannte Meister ein bewegtes Schriftband geschliffen, es bekundet Marias Ergebenheit gegenüber der von Gabriel übermittelten Botschaft. Die Figuren und Rahmen sind aus einem Block gefertigt und der Erzengel und Maria dabei auf ungewöhnlich tiefe Rahmenformen gesetzt worden. Die Gesichter der beiden Figuren sind zudem mit Farben ergänzt, die Haare, Gewandsäume, Buchstaben der Schriftbänder und Flügel des Engels vergoldet worden. Es ist anzunehmen, dass die farbigen Teilfassungen der Gesichter und einige Vergoldungen erst später hinzugefügt wurden. Diese konnten jedoch vermutlich auf bereits bestehende, entstehungszeitliche Vergoldungen aufgetragen werden.
An den Rückseiten der Alabasterreliefs finden sich eingelassene, qualitätvolle Vierkanteisen. Sie deuten darauf hin, dass die Reliefs einst auf einer glatten Oberfläche befestigt waren. Aufgrund der Qualität sind die Reliefs sehr wahrscheinlich für ein kostbares Ausstattungselement einer Kirche wie ein Grabmal, ein größeres Kreuz oder ein Altarretabel verwendet worden. Der ursprüngliche Zweck der Stücke ist bislang nicht geklärt. Bekannt über die Herkunft ist nur, dass Julius Böhler die Reliefs 1907 vom Grafen Gregor Stroganoff in Rom erworben hat. Seither haben sie sich ununterbrochen im Besitz der Familie Böhler befunden.
Weitere Förderer dieser Erwerbung: Ernst von Siemens Kunststiftung, Stadt Köln