In Mode

Geschlitzte Wämser, geschmückte Federbaretts, dekorative Stiefelstulpen: Dies sind nur einige der modischen Raffinessen, die zur frühneuzeitlichen Garderobe dazugehörten. Je nach Stand und Geschlecht reichte die Kleidung von Leinen bis Samt, von einem schlichten Grau bis hin zum kostbar aus Schnecken gewonnenen Purpur, vom einfachen Alltagsgewand bis hin zum reich verzierten Schnabelschuh. Doch wie wurde ein geschlitztes Wams um 1600 überhaupt hergestellt? Wie pflegte man seinen filzenen Radmantel und bei welchen Anlässen gehörte eine üppige Halskrause zum verpflichtenden Dresscode? Im Germanischen Nationalmuseum kann man diesen Fragen ab sofort auf den Grund gehen und in einer Sonderausstellung die Vielseitigkeit der Mode des 16. und 17. Jahrhunderts als Teil der materiellen Kultur erfahren.

Als größtes kulturhistorisches Museum des deutschen Sprachraums verfügt das 1852 gegründete Nürnberger Museum über eine herausragende Sammlung frühneuzeitlicher Kleidung in Europa. Bisher wurde diese nur in einem Teilkatalog von Walter Fries aus dem Jahr 1926 publiziert. Die 1990 erschienene Publikation „Textiler Hausrat. Kleidung und Haustextilien in Nürnberg von 1500 bis 1650“ mit Beispielen aus dem Germanischen Nationalmuseum, von Jutta Zander-Seidel, Kuratorin der Ausstellung und Leiterin der Sammlungen Textilien und Schmuck, ist mittlerweile vergriffen. Dies veranlasste das Museum zu einem vierjährigen Forschungsprojekt, bei dem der Bestand nicht nur sorgfältig im hauseigenen Institut für Kunsttechnik und Konservierung restauriert, sondern auch wissenschaftlich neu bearbeitet wurde. In der Ausstellung zeigt das Museum nun Objekte dieser einzigartigen Sammlung erstmals öffentlich und stellt die wichtigsten Ergebnisse der Forschungsarbeiten vor.

Neben der Präsentation von rund 50 Originalkostümen aus den Jahren 1560 bis 1650 ergänzen rare Objekte und Funde zur Herstellung und Pflege von Kleidung die von der Kulturstiftung der Länder geförderte Schau. Archäologische Handwerksutensilien wie Nadeln, Scheren und Fingerhüte vermitteln einen Eindruck von der täglichen Arbeit des Schneiders, während Kleiderbürsten oder Wäschetafeln von der frühneuzeitlichen Reinigungspraxis erzählen. Mit der Zusammenführung der erhaltenen Zeugnisse mit zeitgenössischen Porträts – darunter bedeutende Leihgaben aus New York, Wien und Stockholm – thematisiert die Ausstellung darüber hinaus die Lesbarkeit von Kleidung im Bild und greift die derzeit verstärkt aufkommende kunsthistorische Methodendiskussion der Kleiderkunde auf. Während die seltenen textilen Originale Nahsichten auf Formen, Materialien und Macharten zulassen, vermitteln die Bildnisse Wirkung und ursprüngliche Trageweise. Anhand von modekritischen Flugblättern und Trachtenbüchern wird allerdings schnell deutlich, dass die Kunstwerke nicht als Abbild der Realität zu begreifen sind, sondern vielmehr der Inszenierung des Auftraggebers von Persönlichkeit und Status dienten. Die zur Ausstellung erscheinende Begleitpublikation erfasst den kostbaren Bestand frühneuzeitlicher Kleidung des Germanischen Nationalmuseums und stellt die Ergebnisse des Forschungsprojektes dauerhaft zur Verfügung.