Wettlauf gegen die Zeit

Liebe Leserin, lieber Leser,

Papier ist geduldig, sagt der Volksmund. Und in der Tat: Ein zweihundert Jahre altes Buch können Sie in der Regel problemlos öffnen. Versuchen Sie das mal mit einer zwanzig Jahre alten Computer-Diskette…

Aber dennoch: Papier ist nicht von unbegrenzter Haltbarkeit. Wie alles Organische strebt auch Papier dem Verfall zu. Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes: Papier zerfällt. Holzschliff und Harzleim sind es, deren Säurebestandteile das Papier von innen heraus zerfressen. Und gerade die „modernen“ Papiere ab der Mitte des 19. Jahrhunderts sind hiervon besonders betroffen, Papiere, deren massenhafte Herstellung Zeugnis ablegt von Beginn und Aufstieg des bürger­lichen Zeitalters mit seiner neuen, öffentlichen Kommunikation. Nur ein Beispiel: Gab es in Berlin um 1800 ganze zwei Tageszeitungen (die übrigens mitnichten täglich erschienen), konkurrierten einhundert Jahre später schon Dutzende Zeitungen, Zeitschriften und Magazine um eine exponentiell gewachsene Leserschaft.

Kein Wunder also, dass Bibliotheken und Archive als unsere kulturellen Gedächtnisse in besonderem Maße Bestände aus dieser Zeit bewahren – und damit vor dem gewaltigen Problem des Papierzerfalls stehen, vor allem durch den „Säurefraß“. In der Dezemberausgabe von Arsprototo möchten wir Ihnen darum die Initiative „KEK“ vorstellen, die „Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts“, mit welcher Bund und Länder gemeinsam versuchen ­wollen, die Zeugnisse unserer Geschichte in Biblio­theken und Archiven koordiniert zu restaurieren und so vor der Zerstörung zu bewahren. Ein Wettlauf gegen die Zeit!

Vorstellen möchten wir Ihnen mit diesem Heft auch eine ganz besondere Partnerin der Kulturstiftung der Länder seit vielen Jahren: die Ernst von Siemens Kunststiftung. Sicher haben Sie den Namen dieser wichtigen Institution im Zusammenhang vieler Erwerbungen in Arsprototo oft gelesen. Nicht von ungefähr: Denn die Ernst von Siemens Kunststiftung hat zahl­reiche herausragende Ankäufe, aber auch Restaurierungen und Ausstellungen in Deutschland unterstützt, die ohne diese Hilfe nicht hätten realisiert werden können. Wir freuen uns daher sehr, dass wir auch in Sachen Arsprototo mit der Ernst von Siemens Kunststiftung zusammenarbeiten werden. Künftig stellt die Stiftung in jeder Ausgabe eine besondere Erwerbung für ein Museum vor, in diesem Heft auf den Seiten 46/47 das Gemälde „Achill empfängt die Gesandten Agamemnons“ von Gottlieb Schick für die Staatsgalerie Stuttgart.

Mir bleibt, Ihnen und Ihren Familien eine schöne Weihnachtszeit und einen geruhsamen Jahreswechsel zu wünschen und Ihnen ab Seite 52 unser Sammler-Porträt von Henry Stoll und August Schmidt in Neubrandenburg zu empfehlen, mit welchem wir das Land Mecklenburg-Vorpommern würdigen möchten. Ein gutes Jahr für die Kulturstiftung der Länder liegt hinter uns. Bleiben Sie uns gewogen.