Washingtoner Prinzipien in Düren

Seit dem Jahr 1933 war die Sammlung des Leopold-Hoesch-Museums um zahlreiche Werke gewachsen. In den 1950er- und 1960er-Jahren baute der damalige Direktor Dr. Heinrich Appel die Sammlung der Klassischen Moderne aus und kaufte je Künstlerin und Künstler nur ein ausgesuchtes Werk. Doch woher kamen die Objekte? Dieser Frage geht das Museum seit 2015 gemeinsam mit einem Provenienzforscher nach. Insgesamt 2.040 liegen im Fokus der Recherche. „Das Leopold-Hoesch-Museum nimmt die Verantwortung der eigenen Sammlungsgeschichte an und zeigt, wie wichtig proaktive Provenienzforschung ist. Durch die Kommunikation der Rechercheergebnisse und im Dialog mit der Erbengemeinschaft hat man in Düren gemeinsam zu einer Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien gefunden“, sagt Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Karl Schmidt-Rottluff, Ostsee (Schiffe am Strand), 1922, 103 × 125 cm; Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum; © VG Bild-Kunst / Foto: Peter Hinschläger
Karl Schmidt-Rottluff, Ostsee (Schiffe am Strand), 1922, 103 × 125 cm; Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum; © VG Bild-Kunst / Foto: Peter Hinschläger

„Ostsee (Schiffe am Stand)“ von Karl Schmidt-Rottluff hatte als expressionistisches Ölgemälde in den 1920er-Jahren eine Berliner Privatsammlung ergänzt. Durch das nationalsozialistischen Regime als Juden verfolgt, verloren Hugo und seine Frau Toni Benario (1886–1962) ihre Kunstsammlung – und damit auch das Seestück, das 1922 im hinterpommerschen Fischerdorf Jershöft in einem Aquarell vom „Brücke“-Gründungsmitglied konzipiert und kurz darauf auf einer großen Leinwand ausgeführt worden war. An die Erben des Ehepaares restituiert das Museum nun das NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunstwerk und vereinbarte zugleich den Rückkauf des Gemäldes. Die Kulturstiftung der Länder förderte die Erwerbung anteilig mit 267.000 Euro.

Am 28. Januar 1933 hatte sich Hugo Benario in einem Brief an das Kunsthaus Zürich gewandt und „Ostsee“ zum Kauf angeboten. Beigelegte Schwarz-Weiß-Fotografien ermöglichten es den Adressaten, sich einen Eindruck von der bewegten Küsten-Darstellung zu machen – erwerben wollten sie das Gemälde dennoch nicht. Die Abbildungen sollten jedoch noch eine entscheidende Rolle spielen: Mit ihnen konnte nun belegt werden, dass die beiden im Werkverzeichnis von Schmidt-Rottluff verzeichneten Arbeiten „Schiffe am Strand“ und „Ostsee“ tatsächlich ein einziges Bild sind. Nicht ein Gemälde im Besitz des Leopold-Hoesch Museums und eines, das vormals Hugo Benario gehörte – vielmehr war Benarios Bild in den Besitz des Museum gekommen. 1952 erwarb der Dürener Direktor das Gemälde von Annie Marnitz, die es nach dem Tod von Dr. Paul Wiegmann 1945 bekommen hatte. Wiegmann wiederum, so legt die Forschung nahe, hatte das Gemälde Mitte der 1930er-Jahre in Berlin erworben.

Weitere Förderer: Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW / Bezirksregierung Köln, Ernst von Siemens Kunststiftung, Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien, Stadt Düren