Silberne Blicke
Fest ist sein Blick. Den Betrachtenden in seinen Bann ziehend, lösen sich seine Augen schier aus der silbernen Fläche. Im Münzrund von nur 25 Millimetern wird auf dem 1.000 Jahre alten Massenmedium Politik gemacht: Der bayerische Bischof Otto von Riedenburg (1061–1089) präsentiert sich erstmals mit seinen Insignien – mit Stab und Buch verweist er auf König Heinrich IV. (1056–1105), von dem er sein Amt empfangen hatte. Eine Geste mit politischer Sprengkraft: Während Heinrich IV. mit Papst Gregor VII. im sogenannten Investiturstreit um das Recht rang, kirchliche Ämter zu besetzen, bekannte sich der bayerische Bischof zu seinem König. Zuvor unbekannt, erzählt der im Obinger Schatzfund enthaltene Silberpfennig nun von wirkungsstarker Machtrepräsentation. Die souveräne Haltung der Eliten zeigt sich auch hier – wie schon in den Jahrhunderten davor und danach – im Porträt. Bedienten sich die mittelalterlichen Herrscher ihrer gemünzten Bildnisse, um ihre Legitimation über die Grenzen ihres Machtraums hinaus zu manifestieren, verbildlichen sich die Protagonisten der heutigen politischen Landschaft mit gleichem Nachdruck. Doch weder überdauern die konterfeitragenden Geldscheine so gut wie die metallenen Prägungen, noch verspricht die digitale Vervielfältigung der Porträts von Regierenden und Mächtigen die ewige Überlieferung. Zwischen 1056 und 1120/30 geprägt, um 1130 vergraben und erst 2000 nördlich des Chiemsees wiederentdeckt, strahlen die 994 Pfennige des Obinger Funds hingegen immer noch.
Auch im Landkreis Ostallgäu führte eine Sonde ihren Träger im Frühjahr 2014 zu dem sensationellen Schatz von 7.740 Silberpfennigen aus den Jahren 1160 bis 1220, vergraben kaum nach ihrer Entstehung in Waal. Einander die Köpfe zugeneigt, hält das bekrönte Paar den Reichsapfel in seiner Mitte (Abb. S. 1, re.). Als numismatisches Rarissimum verkündet der sogenannte Hochzeitspfennig einen diplomatischen Schachzug des Kaisers Heinrich VI. (1169–1197): Um seine Beziehungen zu Byzanz zu verbessern, leitete der Regent die Eheschließung seines Bruders Philipp von Schwaben (1177–1208) mit der Kaisertochter Irene von Byzanz (1177 oder 1180/81–1208) 1197 in die Wege. Von den sogenannten Auswurfsmünzen – anlässlich einer Heirat unter das Volk geworfen, um die Untertanen so an dem gesellschaftlichen Großereignis teilhaben zu lassen – haben sich nur drei erhalten.
Nicht jeder der insgesamt knapp 9.000 Silberpfennige beider Funde hält ein bemerkenswertes historisches Ereignis für seinen Betrachtenden parat. Die Bedeutung der beiden Schätze insgesamt ist jedoch kaum hoch genug anzusetzen, trugen die beiden Hortfunde doch bereits zur Klärung zahlreicher wissenschaftlicher Fragen bei. „Die Kulturstiftung der Länder zögert etwas, wenn es um die Förderung von Konvolut-Erwerbungen geht“, sagte Frank Druffner, kommissarischer Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, „bei Hortfunden allerdings liegt gerade im Konvolutcharakter der besondere Reiz: Aus der geographischen und zeitlichen Streuung der Prägungen und den Fundumständen können wichtige Rückschlüsse auf die Wirtschafts-, Handels- und Geldgeschichte gezogen werden. Besonders erfreut sind wir, wenn geförderte Erwerbungen im großen Rahmen dem Publikum gezeigt werden – so, wie es in München nun mit den beiden Münzschätzen der Fall ist.“ Denn diese werden ab dem 20. April in der Ausstellung „Geprägte Bildwelten der Romanik“ in der Münchner Residenz, Sitz der Münzsammlung, gezeigt.
Die Erwerbung der beiden Silberschätze für die Staatliche Münzsammlung München wurde von der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördert.