Resümee in der Residenz
Lediglich die Spitze des Eisbergs zeige die Schausammlung eines Museums, die paradiesische Fülle liege im Depot. Aus diesem „Gemischtwarenladen des Sammlergeschmacks“ ließen sich – mit entsprechenden personellen und finanziellen Mitteln – wahre Schätze heben, so waren sich die rund 270 in Hannover versammelten Expertinnen und Experten einig. Doch um die wertvollen Güter endgültig dem Vergessen zu entreißen, bedarf es der Konservierung, Restaurierung, Magazinierung. Mit mächtigen Sprachbildern und allerlei Termini technici verhandelte das Fachpublikum der Tagung „Kunst auf Lager“ leidenschaftlich und kenntnisreich aktuelle Fragen rund um Ausstellung und Depot, digitale und partizipative Möglichkeiten für Museen, Bibliotheken, Archive und Restaurierungswerkstätten.
„Wenn Sie bei Sitzungen von Kulturausschüssen in Kommunen sind, merken Sie: Es wird nur von Ausstellungen und Besucherzahlen gesprochen. Deswegen geraten die eigene Dauerpräsentation, die eigene Sammlung und vor allem das Depot vollkommen aus dem Fokus.“ Michael Rief, Kurator, Restaurator und stellvertretender Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums Aachen, sprach vielen seiner Kolleginnen und Kollegen aus der Seele. Finanzielle Engpässe und fehlende öffentliche Aufmerksamkeit erschweren es Museen, ihre Depots zu pflegen und aus deren Reichtum zu schöpfen. Das ist nicht nur für den Zustand der Objekte verhängnisvoll, sondern bringt im Extremfall sogar den Leihverkehr zum Erliegen, berichtet die freie Restauratorin Anke Scharrahs. So schwierig die Lage ist: „Kunst auf Lager“ hat sich – wie die Tagung auf Schloss Herrenhausen deutlich machte – als Pflegekraft von Kulturgut etabliert. Gerade und insbesondere bei schwierigen Fällen, wie z. B. dem Dresdner Damaskuszimmer, dessen Restaurierung Scharrahs seit Jahren vorantreibt.
Von den Vorzügen eines funktionalen Depots schwärmte der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Christoph Vogtherr: „Die Werke sind nun leichter zugänglich, was eine intensivere Arbeit am Original ermöglicht. Und, das liegt mir ganz besonders am Herzen, wir können jetzt auch anfangen, mit partizipativen Projekten im Depot zu arbeiten.“ Zugänglichkeit und Partizipation waren auch Schlagworte der angeregten bis hitzigen Debatten um Digitalisierung und Erschließung. Was soll digital zur Verfügung stehen, für wen und vor allem: für wieviel? Dass sich digital erschlossene Sammlungen jedoch auch schnell zu unzugänglichen Lagern entwickeln können – Dateien zeichnen sich durch deutlich kürzere Haltbarkeit aus als traditionelle Kulturgüter –, kam nicht zur Sprache.
Nach gut dreieinhalb Jahren zogen die Bündnispartner gemeinsam mit den Sachverständigen aus sammelnden Institutionen Bilanz. „Wir haben das Thema so in die Öffentlichkeit gebracht, wie wir das vorhatten“, resümierte Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung und während seiner Zeit bei der Kulturstiftung der Länder einer der Initiatoren des Bündnisses. „Am beglückendsten“, so der Geschäftsführer der Hermann Reemtsma Stiftung und „Kunst auf Lager“-Mitbegründer Sebastian Giesen, seien Projekte, in denen „man mit verschiedenen Kollegen zusammen ein großes Feld beackern kann“. Auch auf Antragssteller-Seite ist man mehr als zufrieden: Guido Wendt, kaufmännischer Geschäftsführer der Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen, hat „noch nie so eine schnelle Bearbeitung von Anträgen erlebt“, wie er beeindruckt berichtete. Die Erfolgsrezeptur des Bündnisses brachte Frank Druffner, kommissarischer Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder sowie Geschäftsführer des ebenfalls an der Initiative beteiligten Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder, auf den Punkt: „Nachhaltige Investitionen ins Betriebskapital überzeugen – insbesondere wirtschaftlich denkende Menschen.“ Die notwendige Öffentlichkeit für das Problemfeld „Depot“ hat das Bündnis „Kunst auf Lager“ geschaffen. Bis zu paradiesischen Zuständen ist es aber noch ein weiter Weg.