Restaurierungsförderung
Kunst auf Lager
Was wäre ein Museum ohne seine Sammlung? Das Bündnis „Kunst auf Lager“ hilft Museen bei der Erschließung und Sicherung ihrer Depots. Auch die Kulturstiftung der Länder und ihr Freundeskreis engagieren sich in der Initiative.
Die Sammlung ist das Herz eines Museums, doch es schlägt im Verborgenen: Während Besucher durch große Sonderschauen und repräsentative Ausstellungssäle der Museen strömen, schlummern bis zu 90% der Sammlungsbestände in Kellern und Depots – nicht immer sind die Lagerbedingungen dort ideal, bedeutende Kunstwerke aufgrund ihres fragilen Erhaltungszustands nicht ausstellbar. 14 kulturfördernde Institutionen schmieden mit dem Bündnis „Kunst auf Lager“ eine Allianz, um wertvolles Kulturgut in musealen Beständen für die Zukunft zu sichern und wissenschaftlich zu erschließen.
„Mecklenburger Planschatz“, Restaurierung von 163 unbekannten Architekturzeichnungen des 18. Jahrhunderts aus der herzoglichen Plankammer, hier: Johann August Corvinus, Perspektivische Facciata gegen den Fassadengarten; Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für die Staatlichen Museen Schwerin; © Staatliche Museen Schwerin/Foto: Gabriele Broecker
Bronzerad aus dem 9. Jh. v. Chr., eines von vier Rädern des 1919 in Stade gefundenen Bronzedepots, ca. 58 cm im Durchmesser, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für die Museen Stade © Museen Stade
Frans Hals, Bildnis eines vornehmen Herren (1643) und Bildnis einer sitzenden Dame; Restaurierungsförderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder für das Pommersche Landesmuseum Greifswald © Pommersches Landesmuseum Greifswald / Fotos: Kai Kornow
Schule von Joos van Cleve, Heiliger Hieronymus, um 1510, 38,3 x 29,8 cm; Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für das Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung; © Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung
Figuren aus der Szene „Jesus vor Kaiphas“ im Depot, Restaurierungsförderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder für das Kloster Neuzelle © Stiftung Stift Neuzelle / Foto: Dr. Martin Salesch
Carl Ferdinand Stelzner, Daguerreotypie von Anna Henriette Stelzner mit ihrer Freundin Frau von Braunschweig, um 1849, 7,5 x 6,1 cm, mit Ausblühungen der Glaskrankheit im unteren Bereich, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Fossil eines über 3m langen Fischsauriers Stenopterygius uniter, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart © SMNS/ Foto: Martin Wahler
Architekturmodell "Templum Salomonis", um 1685, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für das Museum für Hamburgische Geschichte © SHMH / Foto: Elke Schneider
Rauhfußbussard (Buteo lagopus), originales Habituspräparat von Alfred Brehm, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für die Brehm-Gedenkstätte Renthendorf © Foto: Burkhard Fritz
Schreibschrank des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II., Restaurierungsförderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder für das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Schloss Pillnitz © SKD
Benedikt Dreyer zugeschrieben, Engelsfigur aus der Lübecker Marienkirche, um 1518-1520, 55 x 29 cm, St. Annen-Museum, Lübeck © Foto: Annette Henning, Kiel
Das Bündnis „Kunst auf Lager“ unterstützt mit den unterschiedlichen Förderangeboten der bisher vierzehn beteiligten Förderer kurz- und langfristig Museen, die ihre Depots fachgerecht modernisieren und erschließen sowie einzelne Kunst- und Kulturgüter konservieren und restaurieren wollen. Denn viele Museen können nicht allen Objekten, die sie beherbergen, gerecht werden: Häufig fehlen den Museen das Personal, die Zeit und die finanziellen Mittel, die umfangreichen Sammlungsbestände zu erforschen und national wie regional wertvolle Objekte für eine Präsentation zu restaurieren. Das von der Kulturstiftung der Länder und der Hermann Reemtsma Stiftung im Jahr 2014 initiierte Bündnis hilft Kunstmuseen ebenso wie heimat- und volkskundlichen, naturwissenschaftlichen und technischen Museen bei diesen wichtigen Aufgaben: Mehrere Millionen Euro stellen die Bündnispartner in den nächsten Jahren dafür zur Verfügung.
Nicht die publikumswirksamen Großevents oder die spektakulären Neuerwerbungen stehen somit im Fokus von „Kunst auf Lager“, sondern die oftmals vergessenen Objekte in den Museumskellern. Diese zu erschließen, erforschen und zu sichern war bisher ein häufig vernachlässigter Aspekt des Kulturgutschutzes. Das Bündnis möchte daher auch Politik und Gesellschaft für die Erhaltung und Erforschung von Depotbeständen öffentlicher Sammlungen sensibilisieren und die Bedeutung dieser Sammlungen als gemeinsames kulturelles Gedächtnis in Erinnerung rufen. Weitere Stiftungen sowie private Förderer sind ausdrücklich eingeladen, dem Bündnis beizutreten, um auch das materielle Erbe unserer kulturellen Überlieferung zu sichern.
Einer der ersten Anträge erreichte das Bündnis aus Karlsruhe: Seit 2003 fristete in der Staatlichen Kunsthalle das bedeutende Werk „Kreuztragung“ von Matthias Grünewald sein Dasein überwiegend im Museumsdepot. Aufgrund von Materialalterung über die Jahre nachgedunkelt, traten formlose Flecken im Sujet auf, die das Erscheinungsbild der 196 x 152 cm großen Tafel störten. Ohne durch die von „Kunst auf Lager“ geförderte Personalverstärkung hätte die Restaurierung diese Hauptwerks der frühneuzeitlichen Kunstgeschichte weitere zwei Jahrzehnte in Anspruch genommen. Eine eigens für die „Kreuztragung“ engagierte Spezialistin kümmert sich nun im aufwändigen, mikroskopischen Verfahren um die Entfernung von Übermalungen und Kittungen. Schritt für Schritt legt sie Grünewalds Pinselstrich und die leuchtenden Farben frei, sodass sich das Werk nach Fertigstellung der Restaurierung im ursprünglichen Glanz der Öffentlichkeit präsentieren kann.
Frans Hals, Bildnis eines vornehmen Herren (1643) und Bildnis einer sitzenden Dame; Restaurierungsförderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder für das Pommersche Landesmuseum Greifswald © Pommersches Landesmuseum Greifswald / Fotos: Kai Kornow
Fossil eines über 3m langen Fischsauriers Stenopterygius uniter, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart © SMNS/ Foto: Martin Wahler
Michael Conrad Hirt zugeschrieben, Epitaph für Bürgermeister Heinrich Retzlow (unrestaurierter Zustand), um 1642, 181 × 116 cm, Restaurierungsförderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder für die Marienkirche, Berlin © St. Petri-St. Mariengemeinde / Foto: Andreas Mieth
Architekturmodell "Templum Salomonis", um 1685, Restaurierungsförderung der Kulturstiftung der Länder für das Museum für Hamburgische Geschichte © SHMH / Foto: Elke Schneider
Schreibschrank des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II., Restaurierungsförderung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder für das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Schloss Pillnitz © SKD
Die seit 2014 bei der Kulturstiftung der Länder eingegangen Anträge sind vielfältig: Die Brehm-Gedenkstätte in Rethendorf bat um Beistand bei der Erhaltung von Vogelpräparaten aus der Sammlung des berühmten Zoologen. Im Museum für Hamburgische Geschichte befreiten Restauratorinnen das große Modell des ersten Salomonischen Tempels weitgehend von Giftstoffen im Holz. Die Rettung der 18 Collagen Dieter Urbachs mit DDR-Architekturentwürfen gelang, obwohl die Materialvielfalt und der Klebstoff umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen von Nöten machten. Der sogenannte „Mecklenburger Planschatzes“, fragile Architekturblätte aus dem 18. Jahrhundert, konnte für die wissenschaftliche Erschließung fachgerecht gesichert werden. Und im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart glückte es, die chemische Zersetzung von über 180 Millionen Jahre alten Fossilplatten dank aufwändiger Reinigung und Präparation aufzuhalten. Auch der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder greift Institutionen bei Restaurierungen von Depotschätzen unter die Arme: Zu den schönsten Projekten seit 2014 gehören die Restaurierung zweier Porträts von Frans Hals im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald, die Rettung des Epitaphs des Bürgermeisters Heinrich Retzlow in der Berliner Marienkirche oder die Instandsetzung der Passionsszene „Jesus vor Kaiphas“ des Theatrum Sacrum im Brandenburgischen Stift Neuzelle.
Der vielfältigen Arbeit des Bündnisses widmet sich die Arsprototo Ausgabe 2/2016: Ausführliche Artikel zum Schwerpunkt „Kunst auf Lager“ stellen die Aufgabenbereiche der 14 Partner vor, die sich neben Restaurierungen auch für modernisierte Lagermöglichkeiten, Konservierung, Erschließung und Erforschung der Objekte stark machen. Beispielhaft wird von herausragenden Erfolgen dieses Engagements berichtet, darunter eine mittelalterliche Tafelmalerei, deren Goldlüsterung ihre Strahlkraft wiedererlangt, die wissenschaftliche Erschließung und fachgerechte Bewahrung zeitgenössischer Videokunst oder die Katalogisierung und Sicherung eines jüdischen Bibliotheksbestands.
