Beschreibung
Greifenklauen – so genannt nach den Krallen des mythischen Vogels Greif – sind Trinkhörner, die im 13. bis 17. Jahrhundert im profanen wie sakralen Bereich Verwendung fanden. Ein besonders wertvolles, im frühen 15. Jahrhundert geschaffenes Trinkhorn stammt aus der Schatzkammer des Doms zu Speyer und gelangte aus der bischöflichen Hofhaltung im Schloß zu Bruchsal im Zuge der Säkularisation von 1802 in die Kunstkammer des badischen Fürstenhauses. Das stark gekrümmte Horn ist mit einer Fassung in Gestalt von vergoldeten Silberbändern versehen und steht auf drei beinförmigen Stützen mit krallenartigen Füßen. Alle Fassungsbänder sowie die Fassung des Deckels tragen sorgsam gravierte und emaillierte Inschriften, auf denen in gotischen Majuskeln der Englische Gruß zu lesen ist, die Verkündigung des Engels an Maria. Auf dem Deckel des Hornes liegt ein vergoldeter Hirsch auf einer grünen Wiese mit Bäumen aus transluzentem Email. Verwendet wurde die Greifenklaue zum Trinken der Johannes-Minne am Festtag des Evangelisten. Das Minnetrinken war ein im Mittelalter geübter Brauch zur Ehrung populärer Heiliger, der jedoch des öfteren in Trinkgelage ausartete und darum von der Kirche nicht gebilligt wurde. Nur die Johannes-Minne bildete sich zu einer kirchlichen Segnung aus und erhielt im Volksglauben die Hochachtung eines Sakraments. Die Speyerische Greifenklaue ist nicht nur von herausragender künstlerischer Qualität, sondern besitzt neben ihrem religionsgeschichtlich hohen Rang auch eine landesgeschichtliche Bedeutung aufgrund ihrer jahrhundertealten südwestdeutschen Provenienz. Nachdem bereits 1995 ein seltenes Trinkhorn aus der Sammlung des badischen Fürstenhauses erworben werden konnte, gelangte nun mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder und der Museumsstiftung Baden-Württemberg ein weiteres Zeugnis der oberrheinischen Goldschmiedekunst an jenen Ort zurück, an dem es vor anderthalb Jahrhunderten schon einmal stand: in das Karlsruher Schloß, das heutige Badische Landesmuseum.