Prinzessinnen, die lesen

Zwischen Krone und Jahreszahl verflechten sich die Initialen der Sophie Albertine zu einem kunstvollen Monogramm. Umrankt von pastellenen Blumenstickereien durchwirken kräftige Goldfäden die Seide eines luxuriösen Bucheinbandes. Als Schutz einer Huldigungsode für die schwedische Prinzessin aus der preußischen Linie des Hohenzollerngeschlechts konnte der Umschlag gar nicht prächtig genug sein: Der Magistrat und die Gilden von Quedlinburg hatten die Bände im Jahre 1787 anfertigen lassen, um die Amtseinsetzung der Prinzessin Sophie Albertine zur Äbtissin des Reichsstifts Quedlinburg zu feiern. Insgesamt 13 dieser in Samt und Seide eingeschlagenen Unikate hatte Sophie Albertine zur feierlichen Weihe erhalten und schließlich ihrer Privatbibliothek zugeführt.

Ihre persönliche Lesebibliothek am schwedischen Hof bestückte die Prinzessin Sophie Albertine (1753–1829), ihres Zeichens Nichte Friedrichs des Großen, jedoch nicht nur mit den seidenen Preisungen ihrer eigenen Person. Als politisch agierende Adelige und geistliche Würdenträgerin war Sophie Albertine stets darauf bedacht, sich zu bilden und ihr Wissen über die Welt zu erweitern: Den Grundstock hierfür bildeten die vererbten Buchbestände ihrer Großmutter, der preußischen Königin Sophie Dorothea von Hannover (1687–1757), und ihrer Mutter Luise Ulrike von Preußen, Königin von Schweden (1720–1782). Als Mutter und Schwester des „Alten Fritz“ waren beide selbst Teil des Hochadels und daher gebildete und belesene Frauen.

1.445 Titel in rund 4.500 Bänden haben die prominenten Hohenzollern-Damen zwischen dem späten 17. Jahrhundert bis etwa 1830 zusammengetragen in ihrer Prinzessinnen-Bibliothek. Wie am Hofe üblich, lasen sie vornehmlich französische Literatur – nur ein kleiner Teil der Bücher ist auf Schwedisch oder, wie Sophie Albertines Huldigungsoden, auf Deutsch verfasst. Ihr Interesse galt vor allem Lektüre mit historischem Bezug, wie am Hof und im Adel verorteten Biographien, Memoiren, Briefausgaben und Reiseliteratur. Abhandlungen zur politischen Philosophie, Werke zu zeitgenössischer Architektur und bildender Kunst reihten sie in ihren Bücherregalen neben schöngeistige Romane, europäische Fabel- und Abenteuerliteratur von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Poesiebände, Hofkalender, Journale und Anthologien. Sechs Handschriften in Form von Rechnungs- und Kassenbüchern sowie ein Übungsheft, in dem die schwedische Königin Luise Ulrike englische Vokabeln niederschrieb, erhielten sich in der Gesamtbibliothek ebenso wie Sammelmappen mit Graphiken von van Dyck, Rubens oder Hogarth. Ihrem Stand angemessen, besaßen die Adeligen vor allem Literatur in prachtvollen Handeinbänden, die sie selbst in Auftrag gaben oder als Geschenke erhielten: Teilweise auf Seide gedruckt und mit aufwändigen Goldprägungen, Wappen und Monogrammen versehen, stellten schwedische und deutsche Hofbuchbinder alle Bände als Unikate her. Auch wenn das bis heute makellose Erscheinungsbild der Buchsammlung anderes vermuten lässt: Die miteinander verbundenen Bibliotheken der Mutter, der Schwester und der Nichte von Friedrich II. waren im alltäglichen Gebrauch, dienten neben der Weiterbildung auch dem persönlichen Lesevergnügen der Adelsdamen.

Die Kulturstiftung der Länder, die Rudolf-August Oetker-Stiftung, der Verein der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V., die Breslauer Foundation, die Wüstenrot Stiftung, die Stiftung Preußische Seehandlung und viele private Spender haben nun gemeinsam den Ankauf der Prinzessinnen-Bibliothek ermöglicht. Lange bei den Nachfahren Sophie Albertines in Schweden verblieben, war die Sammlung zuletzt im Privatbesitz. Das Gros gelangt nun in die Staatsbibliothek zu Berlin in die Abteilung Historische Drucke im Haus Unter den Linden. Über zwei Drittel der Bände aus Sophie Albertines Sammlung waren dort noch nicht vorhanden oder fehlten aufgrund von Kriegsverlusten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg wird etwa 500 ausgewählte Bände im Schloss Rheinsberg präsentieren. Nur selten haben sich Privatbibliotheken von adeligen Frauen in vergleichbarem Umfang und Zustand erhalten: Aus dem Bestand der Prinzessinnen-Bibliothek lassen sich nun relevante Rückschlüsse auf Interessen, Lese- und Sammelverhalten sowie das Selbstverständnis des weiblichen Hochadels ziehen.