Kunsthalle Bielefeld erwirbt „Rentner“ von Emil Nolde

„Mit dem Rückkauf des Gemäldes Rentner von Emil Nolde kann die Kunsthalle Bielefeld künftig nicht nur an ihren ursprünglichen Sammlungsbestand und den Beginn des öffentlichen Kunstsammelns im Städtischen Kunsthaus Bielefeld anknüpfen. Das Gemälde steht ebenso für die Beschlagnahme durch die Nationalsozialisten im Rahmen der Aktionen zur „Entarteten Kunst“. Es nimmt in der Geschichte der Kunsthalle Bielefeld eine besondere Position ein und bietet Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit Werk und Person des Künstlers“, so Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Vom 3. März bis 3. April 1929 hatte im neu gegründeten Städtischen Kunsthaus Bielefeld eine Ausstellung mit Gemälden, Aquarellen und Grafiken des Künstlers Emil Nolde stattgefunden. Unter den ausgestellten Leihgaben befand sich auch das 1912 entstandene Werk Rentner. Noch im selben Jahr hatte der damalige Leiter und Gründungsdirektor des Städtischen Kunsthauses, Heinrich Becker, das Bild erworben. Es war erst das zweite Werk von überregionaler Bedeutung für die neu gegründete Institution und galt als richtungsweisend für die weitere Entwicklung der Sammlung. Die Erwerbung des Gemäldes unterstrich den Anspruch des Hauses, in Bielefeld eine Sammlung von Werken mit überregionaler Bedeutung aufzubauen. Bis zu seiner Amtsenthebung am 1. April 1933 ergänzte Becker die Sammlung mit weiteren Ankäufen, darunter Werke von August Macke, Käthe Kollwitz und Oskar Schlemmer. 1937 verlor das Kunsthaus Noldes Rentner durch eine nationalsozialistische Beschlagnahmeaktion. Mit insgesamt 136 Werken verlor das Städtische Kunsthaus damals nahezu seinen gesamten modernen Sammlungsbestand. Seit 2003 befand sich der Rentner in einer englischen Privatsammlung und wurde nun der Kunsthalle Bielefeld zum Kauf angeboten.

Das Gemälde stammt aus der 1919/20 entstanden Reihe der Typenbildnisse und „Charakterköpfe“. Zu dieser Reihe zählen neben der Rentner noch der Araber, der Ratsherr, der Gutsherr, der Alchymist und der Maler. Nolde malte sie alle ohne die Absicht, Porträts zu schaffen und ohne den Abgebildeten eine personale Identität zuzuordnen. Der Rentner zeigt eine rätselhafte, fast mystische Figur: Ein hageres Gesicht in Mischtönen von dunklem Ocker und gelblichen Grün, ein schmaler Oberkörper mit hängenden Schultern und weit geöffnete Augen mit übergroßen, schwarzen Pupillen. Die farbig akzentuierte Kleidung betont, dass dieser Rentner nicht für Ärmlichkeit steht. Ohne ein Zeichen von Beruf oder Stand unterscheidet sich das Gemälde wesentlich von den anderen Typenbildnissen – der Rentner repräsentiert keinen gesellschaftlichen Status mehr.

1945 wurde Becker wieder in sein Amt eingesetzt; er und seine Nachfolger widmeten sich dem Wiederaufbau der Sammlung. Der Sammlungsbereich zur Klassischen Moderne mit dem Schwerpunkt Expressionismus umfasst heute bereits zwei Nolde-Gemälde: Männerköpfe (1912) und Tropenwald (1914). In diesen Bestand fügt sich das rückerworbene Gemälde des Rentner ebenso ein wie in die Sammlung der „Bildnisse und Figurenbildnisse“, der auch Werke unter anderem von Alexej Jawlensky, Paula Modersohn-Becker oder George Condo von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst hinzuzurechnen sind.

Weitere Förderer dieser Erwerbung: Brigitte und Arend Oetkers, privater Geldgeber, Stadt Bielefeld