Kultur begeistert
An einem Novemberabend im Jahr 2016 saß ich im stockdunklen Zuschauerraum des Depot 2 am Schauspiel Köln. Schülerinnen und Schüler einer örtlichen Abendschule bringen eigene Geschichten auf die Bühne, so lautete die Ankündigung. Was ich in den nächsten zwei Stunden sah, war genau das und zugleich etwas ganz anderes.
Zur selben Zeit war der Höhepunkt der Migration nach Europa gerade überwunden – in Deutschland steckten Politik und Gesellschaft in einer Zerreißprobe; wir diskutierten über Fragen der Unterbringung und Integration hunderttausender geflüchteter Menschen, über Rückführungen und das EU-Abkommen mit der Türkei. Rechte Gewalt einerseits und Gesten der Menschlichkeit andererseits prägten die täglichen Nachrichten. Als im Theatersaal das Licht anging, erlebte ich an diesem Abend eine Reflexion genau dieser weltpolitischen Lage. Was dort geboten wurde, war jedoch keine Reportage in der Tagesschau, kein wissenschaftlicher Vortrag und auch kein aufgesagter Text eines lange toten Dichters.
Wir im Publikum erlebten, wie 20 Jugendliche und junge Erwachsene ein bewegendes Gespräch über ihre Biografien begannen. Über Flucht, Kriegserfahrungen, Identität und Heimat, Diskriminierung, Freundschaft und Liebe. Die jungen Protagonisten saßen tagsüber in der Schule, an der Supermarktkasse, im Hörsaal. Manche hatten die Schule abgebrochen und suchten nach einer Perspektive.
Es war ein authentischer, humorvoller, kluger und ernsthafter Einblick in die Wirklichkeiten der jungen Generation in Deutschland, so unterschiedlich sie auch sein mögen. Was das Verbindende dort auf der Bühne war? Kunst. Und zwar Kunst von so hoher Qualität und Überzeugungskraft, dass die Performances des Import Export Kollektivs heute Teil des regulären Spielplans des Schauspiel Kölns sind und dort neben Henrik Ibsens „Nora“ und der „Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller stehen. Die letzten Vorstellungen waren allesamt ausverkauft, bis im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie alle Kultureinrichtungen vorerst schließen mussten.
„Bastel-biografisches Theater“ nennt der Regisseur und Theaterpädagoge Bassam Ghazi sein Werk mit dem Import-Export-Kollektiv. Natürlich steckt mehr dahinter als improvisierte Bastelei: Ästhetischer Anspruch, pädagogische Ziele, soziale Werte. Was Ghazi da vermittelt, ist kulturelle Bildung. Sie entstehe „im Wechselspiel von Rezeption und Produktion, individuellem und gemeinschaftlichem Lernen, ästhetischer Wahrnehmung, Erkenntnis und künstlerischem Handeln“, so formuliert es die Kultusministerkonferenz der Länder in ministerialem Deutsch. Dabei kann kulturelle Bildung etwas sehr Handfestes sein, weil sie im besten Fall Antworten liefert auf die drängenden Fragen der Jugend, die sich auch Erwachsene immer wieder stellen: In was für einer Welt will ich leben? Was trage ich dazu bei? Zu welcher Gruppe gehöre ich? Welchen Werten will ich folgen? Und wie stehe ich zu denen, die andere Werte haben als ich selbst?
In einer Gesellschaft, in der sich das Verbindende von Volksparteien, Kirche und Traditionsfamilie immer weiter lockert und die nach neuem Zusammenhalt sucht, hat sich die Kulturstiftung der Länder dazu entschlossen, die kulturelle Bildung in Deutschland weiter zu fördern. Sie tut es im Auftrag der 16 Länder und genau an den Stellen, an denen länderübergreifende, deutschlandweite Aktivitäten gefragt sind – etwa beim Aufbau von Netzwerken, beim Transfer von Wissen und Good-Practice-Beispielen, bei Fragen der Evaluation und der Forschung, die die Wirksamkeit kultureller Bildung untersucht. Wir möchten gemeinsam mit Partnern kulturelle Bildung in Politik und Gesellschaft weiter aufwerten.
Seit langem gehört die Förderung kultureller Bildung zum Engagement der Kulturstiftung der Länder für den Erhalt und den öffentlichen Zugang zu materiellen Kulturgütern wie Gemälden, Skulpturen oder archäologischen Funden von gesamtstaatlicher Bedeutung. Von der kulturellen Bildung und der Kulturvermittlung gehen Impulse aus, die für den gesamten Kulturbetrieb wichtig sind: Es sind die Fragen nach gesellschaftlicher Beteiligung und gerechter Teilhabe an Kunst und Kultur. Kulturelle Bildung muss daher ein integraler Bestandteil von kulturpolitischer Programmatik und Förderung sein.
Über das, was kulturelle Bildung sei, was sie für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft bedeuten kann, ist seit der Aufklärung viel geschrieben und gesagt worden. Friedrich Schiller hob im Jahr 1793 in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ die befreiende Wirkung der Kunst hervor. Sie sei zwar „immer nur leitbildhafte Vorbereitung, bloße Vorwegnahme im Phantasie-Bereich des Möglichen“, setze aber auch „das Individuum in Freiheit“. Kulturelle Bildung als Erziehung zur Freiheit. Heute gibt es viele unterschiedliche Begriffe, viele Spielarten und zudem ein komplexes Netz an kommunalen, regionalen, staatlichen und privaten Trägern und Förderern der kulturellen Bildung.
In der Bundesrepublik der 1970er-Jahre haben Konzepte kultureller Bildung eine verstärkte Aufmerksamkeit bekommen; und zwar im Zuge einer allgemeinen Forderung nach mehr Selbstbestimmung und Mitbestimmung in Bildung und Kultur, aber auch von Seiten der Kunst selbst, die sich neu definierte und als eine soziale Kraft begriff. Joseph Beuys’ berühmter Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ mag die Geister nach wie vor scheiden, markiert aber einen wichtigen Wendepunkt, eine Hinwendung zur Kunst, die sich nicht nur mit dem Wahren, Guten und Schönen auseinandersetzt, sondern gesellschaftliche Verhältnisse reflektiert und sich sozial engagiert. Seitdem ist Partizipation ein wesentliches Element in der Kunst und in der kulturellen Bildungsarbeit.
Nach der ersten PISA-Studie im Jahr 2000, die das wohlhabende Deutschland auf einen beschämenden mittleren Rang einordnete, gingen die Interpretationen darüber, welche Kompetenzen der Jugend in Zukunft wichtig seien, stark auseinander. Musik- und Kunstunterricht wurden seitdem vernachlässigt, so die Wahrnehmung vieler Pädagogen. PISA hat den Eindruck verstärkt, Kultur sei Luxus und es komme vor allem auf Qualifikationen in Naturwissenschaften und Sprachen an.
Dass Kunst und Kultur es überhaupt erst ermöglichen können, Jugendliche für jegliche Art der Bildung zu öffnen, drang 2004 erstmals mit Projekten wie „Rhythm is it“ ins öffentliche Bewusstsein. Der Dokumentarfilm über eine Zusammenarbeit der Berliner Philharmoniker mit 240 Jugendlichen und dem Choreografen Royston Maldoom führte vor Augen, welche positiven Effekte Kulturprojekte gerade für Schüler aus bildungsfernen Schichten haben können. Der Film markiert den Beginn einer neuen Welle der zielgerichteten Förderung und Professionalisierung: Im neuen Jahrtausend ist die staatliche Unterstützung ebenso wie das Engagement privater Stiftungen für kulturelle Bildung ausgeweitet worden. In diese Jahre des Aufbruchs fiel auch der Startschuss für das Programm „Kinder zum Olymp!“ der Kulturstiftung der Länder in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung „Jugend Bildung Kultur“ der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers – ab 2005 auch der Kulturstiftung des Bundes. Ein wichtiger Wegbereiter.
„TV aus, zum Kunstgebet!“ überschrieb die Süddeutsche Zeitung am 2. Februar 2004 einen Bericht über den ersten „Kinder zum Olymp“-Kongress in Leipzig, der sich mit Leidenschaft und einer Menge Sachverstand für die Förderung der ästhetischen Bildung und Erziehung einsetzte. Einer Roadshow gleich fanden dann alle zwei Jahre in verschiedenen Ländern Deutschlands weitere Kongresse statt. Sie zeigten gute Beispiele und brachten die Profis der Szene zusammen, stifteten Netzwerke. Kitas und Schulen wurden darin bestärkt, der kulturellen Bildung aller Kinder und Jugendlichen nicht nur über die musischen Fächer wie Kunst und Musik, sondern über Kooperationen mit Kultureinrichtungen gerecht zu werden. Dies wurde auch im Zuge des Ausbaus von Ganztagsschulen immer wichtiger.
In den letzten Jahren ist der Begriff der Teilhabe in Bezug auf die kulturelle Bildung noch erweitert worden – es geht um Teilhabe an der Kultur als Grundrecht jedes Menschen, aber auch um die Bildungspotenziale der kulturellen Bildung und um die Möglichkeiten, Kindern und Jugendlichen unabhängig von den Voraussetzungen ihrer Elternhäuser einen Zugang zu Kunst und zu Kultur zu ermöglichen.
„Kulturelle Bildung ist Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste.“ So lautet der Grundsatz des unabhängigen Expertenrates „Rat für Kulturelle Bildung“, dem derzeit elf Fachleute unterschiedlicher Disziplinien angehören, Wissenschaftler und Künstler. Der Rat beschäftigt sich mit der Lage und Qualität kultureller Bildung in Deutschland, gibt Empfehlungen an Politik und Wissenschaft, fungiert als Impulsgeber und Drehschreibe für den deutschlandweiten Austausch. Weil sie nachweislich grundlegende Kompetenzen fördert, hat kulturelle Bildung mehr und mehr an bildungspolitischer Bedeutung gewonnen.
Kulturelle Bildung vermittelt die Kompetenz, sich in den kulturellen Ausdrucksformen, die unsere Gesellschaft ausmachen, bewegen zu können. Wer beispielsweise nie Gelegenheit hatte, das Alphabet zu lernen, kann nicht lesen und an den großen Geschichten unserer Gesellschaft teilhaben. Die Techniken beherrschen zu lernen und die Geschichte zu kennen ist das Eine. Sie ermöglichen das Verständnis unseres kulturellen Erbes. Die gesellschaftliche Bedeutung, die dem entspringt, ist das Andere: Kulturelle Bildung vermittelt das Handwerkszeug, um das Erbe in die Zukunft fortzuschreiben.
Und sie fügt der allgemeinen Bildung etwas hinzu, das nicht gelehrt, sondern nur erworben werden kann: die Fähigkeit, sich zu reflektieren, sich in andere Menschen einzufühlen, seine Stimme zu erheben, anderen zuhören zu können, selber zu denken und zu handeln.
Wird kulturelle Bildung überfrachtet? Nein, es hat Hand und Fuß. Studien wie etwa die aus dem „Forschungsfonds Kulturelle Bildung“ zeigen, dass sie unter bestimmten Bedingungen wirkt: Tanz und Bewegungstheater beispielsweise können sich positiv auf die Kreativität auswirken.
Beim Tanzen, Musizieren, Gestalten oder Zeichnen können wir Kompetenzen erwerben, die über bloße Fächer oder Wissensgebiete hinausgehen. Überfachliche Kompetenzen oder Soft Skills – wie man sie nun immer bezeichnen möchte. Flexibel denken, kreativ neue Wege und Lösungen finden, seine Stimme erheben und im Austausch mit anderen Kompromisse finden können –, all diese Fähigkeiten hat die gemeinnützige Organisation „Partnership for 21st Century Learning“ in den Vereinigten Staaten im Konzept der „Competencies for the 21st century“ verdichtet; dahinter stecken Größen der US-amerikanischen Politik, des Bildungssektors und der Wirtschaft. Als Kernkompetenzen werden bestimmt: Kreativität, Kommunikation, Kooperation, kritisches Denken. Weltweit ist dieses Konzept in unterschiedlichen Varianten dankbar aufgegriffen worden; es scheint nur zu gut zu passen in unsere Lebens- und Arbeitswelt, die von einem schnellen Wandel und dem Digitalen geprägt ist. Fürsprecher in Deutschland sind beispielsweise der Chef der PISA-Studien, Andreas Schleicher, oder auch Bildungsinitiativen wie „Education Y“ in Düsseldorf.
Diese Sicht ist umstritten. Zu Recht? Der Blick auf die Wirkungen, die Nutzbarkeit und Indienstnahme der kulturellen Bildung ist ambivalent. Denn verschwindet bei der Zweckorientierung nicht die Kunst als genau das, was eigentlich im Zentrum der Auseinandersetzung steht mit all ihrem Eigensinn? Ihrer Freiheit, zu entwickeln, ergebnisoffen zu sein, nicht vom Ende, sondern vom Anfang her zu denken, sich am Menschen und seinen Bedürfnissen zu orientieren?
Im Jahr 2007 erregte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, schon damals ein Orchester von Weltrang, großes Aufsehen, als sie Probenräume in einer Bremer Gesamtschule bezog. Mitten in einem von Kinderarmut und Bildungsbenachteiligung geprägten Stadtteil. Das Orchester rief das „Zukunftslabor“ ins Leben, aus dem musikalisch-soziale, regelmäßig stattfindende Projekte wie die „Stadtteil-Oper“ hervorgingen. Auch Begegnungen zwischen den Profi-Musikern und den jungen Leuten auf den Fluren, in der Mensa, bei Probebesuchen und in speziellen Musikklassen sind nicht selten. So simpel, so herausragend: Räumliche Nähe schafft Begegnungen, schafft Chancen.
Die Enquête-Kommission des deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ markierte, ebenfalls im Jahr 2007, ein massives Umsetzungsproblem im Feld der kulturellen Bildung. Der Befund: viel Programmatik, viele gute Projekte, wenig Breitenwirkung. Und heute? Fest steht, dass kulturelle Bildung eine unverzichtbare öffentliche Aufgabe geworden und aus der Jugend-, Kultur-, Bildungs- und Sozialpolitik nicht wegzudenken ist. Sie wird in vielen Politikfeldern und aus vielen verschiedenen Töpfen gefördert. Überall in Deutschland finden an Theatern, Museen und Opernhäusern, in Universitäten, Bibliotheken und in den Medien vorbildliche Kulturprojekte mit jungen und älteren Besuchern, mit Laien-Künstlerinnen und Interessierten statt.
Viele private deutsche Stiftungen wie die Robert Bosch Stiftung, die Stiftung Mercator und die Bertelsmann Stiftung haben große Programme auch für eine strukturelle Verankerung kultureller Bildung auf den Weg gebracht wie beispielsweise „Kunst und Spiele“ in der frühkindlichen Bildung, die „Musikalische Grundschule“ oder „Kulturagenten für kreative Schulen“ an weiterführenden Schulen. Einige deutsche Länder haben Kompetenzzentren und Anlaufstellen für kulturelle Bildung geschaffen oder Förderprogramme für kulturelle Bildung initiiert und mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Im Kulturfördergesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, im Dezember 2014 in Kraft getreten, steht kulturelle Bildung neben den Schwerpunkten der „Produktion und Präsentation der Künste“ und dem „Erhalt des kulturellen Erbes“ – wie es wirkt, wird sich zeigen.
Währenddessen entstehen neue Kulturorte. Einen davon hat sich der Rat für kulturelle Bildung in einer repräsentativen Umfrage unter 12- bis 19-jährigen genauer angesehen. Die Online-Video-Plattform YouTube ist digitales Leitmedium in dieser Altersgruppe. „Für viele der Jugendlichen sind die Videos auch in hohem Maße anregend, künstlerisch aktiv zu werden – sie fühlen sich in Bereichen wie Tanz, Film, Musik, Gaming oder Zeichnen zum Nachahmen und Mitmachen inspiriert“, so die Autoren der Studie.
YouTube ein Kulturort? Genau wie die klassischen Medien sich fragen müssen, wo ihr Publikum in Zukunft journalistische Inhalte konsumieren wird – der YouTube-Star Rezo hat in diesem Jahr die wichtigste deutsche Journalisten-Auszeichnung, den Nannen-Preis gewonnen – genauso müssen Kultureinrichtungen sich fragen, wo und wie sie in Zukunft ihr Publikum erreichen. Es ist wohl das Spontane und Unfertige, das vermeintlich Authentische und die Offenheit gegenüber neuen Themen und Ausdrucksformen, die gerade junge Menschen anspricht.
Mechthild Eickhoff, Geschäftsführerin des Fonds Soziokultur, hat einige Jahre als Leiterin der UZWEI im Dortmunder U junge Menschen in der Medienwerkstatt oder bei Filmworkshops begleitet und partizipative Ausstellungen realisiert. Digitale Mittel wie Tablets und Smartphones kamen dabei zum Einsatz. Viel wichtiger sei aber die Einsicht, so Eickhoff, dass die Digitalität unsere Gesellschaft in einen neuen Zustand versetzt habe. „Wir denken und handeln in Netzwerken, kommunizieren schneller und einfacher, sind am Dialog orientiert, trauen uns, Dinge auszuprobieren, zu verwerfen und ungewöhnliche Sichtweisen und Communities einzubinden.“ Mit dieser Grundhaltung sind Kultureinrichtungen also gefordert, auf je eigene Art und Weise erfinderisch zu werden und im Sinne einer Plattform auch Räume und Rollen frei zu geben, um gesellschaftlich bedeutsam zu bleiben.
Wie wichtig es ist, junge Generationen in Deutschland auch über die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur an freiheitlich-demokratische Werte zu binden, liegt auf der Hand. Viele Kultureinrichtungen werden von politisch rechten Gruppierungen unter Druck gesetzt, insbesondere in ländlichen Regionen, wo es nicht viele kulturelle Angebote gibt. „In diesen Zeiten gibt es keine Neutralität. Wir müssen für unsere Werte einstehen,“ sagt Judith Schilling, Geschäftsführerin des Treibhaus e.V. in der sächsischen Kleinstadt Döbeln. „In unseren Projekten wie dem Café Courage oder der Siebdruckwerkstatt bringen wir unterschiedlichste Menschen aller Altersstufen zusammen. Wir bieten Raum für verschiedene Sichtweisen. Zum Streiten und Diskutieren, aber auch als Schutzraum, in dem man sich entfalten kann.“
Einer der führenden politischen Denker unserer Zeit und Professor an der Stanford University in Californien, Francis Fukuyama, resümiert in seinem aktuellen Buch über die Lage der liberalen Demokratien in der Welt mit dem Titel „Identity. The Demand for Dignity and the Politics of Resentment“ (dt. „Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet“): „Wir werden nie aufhören, Identitätsmaßstäbe an uns selbst und unsere Gesellschaften anzulegen. Dennoch müssen wir im Gedächtnis behalten, dass die Identitäten tief in unserem Innern weder fixiert sind noch uns zwangsläufig durch den Zufall der Geburt beschert werden. Identität kann zur Spaltung, aber auch zur Einigung benutzt werden.“
Hier liegt eine zentrale Aufgabe kultureller Bildung und Kulturvermittlung in der demokratischen Gesellschaft: dass sie Diskurse über Identitäten anstößt, hinterfragt und beflügelt. Und dass sie dies im Sinne unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestmöglich tun kann, darin müssen Staat und Zivilgesellschaft die handelnden Personen und Institutionen unterstützen, ihnen die finanziellen Grundlagen dauerhaft bereitstellen, ihnen Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringen.
Zum Glück gibt es immer wieder Menschen, die einfach loslegen. Die spielen, was sie bewegt und es damit vermögen, uns zu bewegen. Wie das junge Ensemble in Köln. Für die kommende Spielzeit steht ein neues Stück an. Es heißt „Schöne neue Welt“.