Kriegsverluste deutscher Museen

Seit Dezember 2007 widmet sich der Deutsch-Russische Museumsdialog in einem umfangreichen Forschungsprojekt den Verlusten der deutschen Museen während und in der Folge des Zweiten Weltkriegs. Die Auswertung von im Zuge des Abtransports von deutschen Museumsgütern in die Sowjetunion entstandenen Dokumenten soll den Museen mehr Klarheit über Art, Umfang und Verbleib der von ihnen vermissten Bestände verschaffen.

Dazu wurden in Kopie im Deutschen Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg verwahrte Akten, insgesamt über 8.500 Blatt, ausgewertet. Sie dokumentieren die Tätigkeit der sowjetischen Trophäeneinheiten des Kunstkomitees beim Rat der Volkskommissare (später: Ministerrat) der UdSSR in den ersten Nachkriegsjahren. Die Originale werden im Russischen Staatsarchiv für Literatur und Kunst in Moskau verwahrt.

Zunächst übertrug die fünfköpfige Projektgruppe aus Kunst- und Osteuropahistoriker/-innen die russischsprachigen Dokumente ins Deutsche und erfasste alle Informationen, die konkrete Kunstwerke betreffen, in einer Datenbank. Auf dieser Grundlage wird der Aktenbestand seit 2012 für die 87 Museen des DRMD ausgewertet.

Bereits bearbeitet wurden Sammlungen in Berlin, Chemnitz, Dessau, Dresden, Gotha, Leipzig, Magdeburg und Potsdam, darunter die Gemäldegalerie, die Nationalgalerie und die Antikensammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, die Gemäldesammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und die Gemäldegalerie Alte Meister, die Galerie Neue Meister sowie die Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

Im Ergebnis der Auswertungen, die auch die großen Rückgabeaktionen der Jahre 1955 und 1957/59 sowie spätere Restitutionen berücksichtigen, gewinnen die Museen differenzierte Kenntnisse von den sehr unterschiedlichen Verlustgeschichten ihrer Kunstwerke. Zu diesen zählten neben dem organisierten Abtransport durch sowjetische Trophäenbrigaden private Mitnahmen nach Ost- und Westeuropa sowie in die USA, Zerstörungen, Diebstähle oder Plünderungen. Dieser nuancierte Blick ist eine wichtige Voraussetzung für eine unvoreingenommene Geschichtsschreibung und solide Basis für kommende deutsch-russische sowie gesamteuropäische Forschungs- und Ausstellungsprojekte.

Die Forschungen der Arbeitsgruppe fließen derzeit ein in die Ausstellung „Das verschwundene Museum“, eine Kooperation der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst mit der Gemäldegalerie, der Gipsformerei und dem Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. Sie finden auch eine Spiegelung in aktuellen russischen Projekten, etwa in einer jüngst erschienenen Publikation der Staatlichen Eremitage (Die Staatliche Eremitage. „Verlagerte Kunst“, 1945–1958, Archivdokumente, bearb. v. Anna Aponasenko, Teil I, St. Petersburg 2014).

Die Leitung des Deutsch-Russischen Museumsdialoges liegt bei Dr. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder. Wissenschaftliche Mitarbeiter des Projektes sind Dr. Ralph Jaeckel, Dr. Anne Kuhlmann-Smirnov und Anastasia Yurchenko, M. A.

Dieses Projekt wird ermöglicht dank der großzügigen finanziellen Unterstützung der Rike und Rainald Pohl Stiftung sowie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Publikation der Ergebnisse ist für Frühjahr 2020 geplant.