Berliner Reise
Aus der Sammlung Florian Karsch konnte das Land Berlin für die Berlinische Galerie herausragende Werke des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit erwerben: Das Landesmuseum erweitert seinen Sammlungsschwerpunkt Weimarer Republik um die Federzeichnung „So sah ich als Soldat aus“ von Otto Dix sowie um die wertvolle Mappe „Berliner Reise“ mit 10 Lithographien Max Beckmanns von 1922. Der Berlin-Besucher Beckmann porträtiert sich vor einer Litfaßsäule auf dem Umschlag: Zwei Monate weilte der Künstler in Berlin, zeichnete die Bilder zunächst in sein Reisetagebuch, in seiner Heimat Frankfurt am Main ließ er sie auf Stein umdrucken. Ein Porträt Berlins als „corrumpiertes und temperamentloses Nest“ – so Beckmann – entstand Anfang der 1920er Jahre: Die reiche Gesellschaft übt sich im Kartenspiel, amüsiert sich im Theater oder gibt sich gepflegt der Langeweile hin, während draußen auf der Straße die Armen betteln müssen. Beckmann entwirft als kritischer Beobachter ein Panorama der Stadt mit desillusionierten Menschen in klaustrophobischen, dichten Bildern. Sein Gemälde „Die Straße“ ziert bereits als ein Hauptwerk die Sammlung, bislang konnte man jedoch kein druckgraphisches Werk präsentieren. Insofern ist Beckmanns Auflagenwerk (Nr. 34 von 100 Exemplaren) eine willkommene Ergänzung.
Otto Dix‘ Federzeichnung rekurriert auf seine erschütternden Erlebnisse an der Front, der Künstler hatte sich freiwillig als Soldat gemeldet. Im ausgerufenen Antikriegsjahr 1924 zeigt sich Dix in drastischer Pose mit Maschinengewehr, Handgranaten und Stahlhelm als martialischer Frontsoldat, scheinbar gleichgültig angesichts des Grauens hängt die Zigarette lässig im Mundwinkel. Als authentische Form der künstlerischen Trauma-Bewältigung gilt sein nicht beschönigendes Selbstporträt, vereint er seine Kriegsbegeisterung doch mit der Darstellung der grausamen Maschinerie des Krieges; im Gegensatz zu späteren Darstellungen des Krieges stellt er sich hier nicht an den Rand des Grauens, sondern als aktiven Teilnehmer heraus. „So sah ich als Soldat aus“ ging ein in die Mappe „Der Krieg“ mit fünfzig Radierungen, die der Berliner Kunsthändler Karl Nierendorf 1924 verlegte. Ihm widmete Dix auch diese Zeichnung als „II. Probe der Kriegsmappe“.
Das Land Berlin erwirbt das Konvolut aus der Sammlung Florian Karsch, der Erbe der legendären Galerie Nierendorf ist, mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Die Berlinische Galerie und die Österreichische Galerie Belvedere zeigen die Werke in der großen Sonderausstellung „Wien Berlin. Kunst zweier Metropolen“, die ebenfalls von der Kulturstiftung der Länder unterstützt wird: Zentrale Werke der Wiener und Berliner Moderne werden noch bis zum 27. Januar 2014 in Berlin, anschließend in Wien präsentiert.