25 Jahre Kulturstiftung der Länder

In letzter Sekunde Kafkas Briefe an seine Lieblingsschwester Ottla vor der Zerteilung in alle Welt zu retten, jahrelange Restitutionsverhandlungen mit fürstlichen Familien zu koordinieren, um ganze Ausstellungsräume von Museen zu erhalten, riesige, kostbare Münzschätze zurück ins angestammte Schlossmuseum zu holen oder auf Auktionen Welfen-Pokale aus der Kunstkollektion Yves Saint Laurents zu ersteigern: Pflicht und Kür zugleich der Arbeit der Kulturstiftung der Länder, deren versierte Spezialisten auch bei komplizierten Kunst- und Kulturgutankäufen für Sammlungen einen langen Atem beweisen und mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl auch heikle Fälle über viele Jahre beratend begleiten. Als sogenannte Einkaufsgemeinschaft der Länder für große Kunstankäufe 1987 gegründet, widmet sich die Stiftung seit ihrer Arbeitsaufnahme 1988 vielen weiteren Aufgaben in ihrem Kosmos aus Bewahrung, Sicherung und Vermittlung des kulturellen Erbes. „25 Jahre Kulturstiftung der Länder ist eine große Erfolgsgeschichte – für alle Bundesländer, denn alle profitieren von dieser segensreichen Arbeit. Die Kulturstiftung leistet hier eine großartige, von hoher fachlicher Kompetenz geprägte Arbeit“, sagte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Vorsitzender des Stiftungsrats der Kulturstiftung der Länder, im Vorfeld des 25-jährigen Jubiläums der Stiftung.

Die Stiftung verkörpere die Kulturhoheit der Länder und somit den Föderalismus. Sie wurde gegründet, um dort einzusteigen, wo inhaltliche und finanzielle Herausforderungen die Kraft der einzelnen Länder übersteigen. Dies mache sie in hervorragender Weise: Mit einem überzeugenden Förderkonzept, aber vor allem auch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Tag für Tag kompetent und mit viel Herzblut den Auftrag der Kulturstiftung mit Leben erfüllen. „Man müsste diese Einrichtung erfinden, wenn es sie nicht schon gäbe!“, sagte Ministerpräsident Kretschmann. „Die Kulturstiftung der Länder ist eine Institution geworden, die anspornt und ermutigt, die finanziert, verbindet und berät. Ich möchte allen, die die Kulturstiftung oft auch ehrenamtlich unterstützen, herzlichen Dank und Anerkennung sagen.“

Kulturpolitische Initiativen und Forschungen zu Raubkunst und „Beutekunst“

Seit dem Amtsantritt von Generalsekretärin Isabel Pfeiffer-Poensgen im Jahr 2004 wurden zunehmend auch kulturpolitische Initiativen aufgelegt. Pfeiffer-Poensgen konnte im Jahr 2008 gemeinsam mit dem Bund erstmals die dringend notwendige, gründliche Erforschung der deutschen Museen, Bibliotheken und Archive nach Raubgut der NS-Zeit in kurz- und langfristigen Projekten starten: Bis heute wurden und werden in den von der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung unterstützten 128 Forschungsprojekten (Gesamtfördersumme 7,8 Mill. Euro) über 80.000 Objekte in 61 Museen und über 490.000 Bücher und Drucke in 18 Bibliotheken überprüft. Bei 31 geförderten Projekten wurden Restitutionen vollzogen oder andere „gerechte und faire Lösungen“ im Sinne der „Washingtoner Erklärung“ von 1998 gefunden. Dabei steht die Kulturstiftung der Länder den Institutionen auch zur Seite, wenn es nach einer Restitution um den rechtmäßigen Erwerb der betreffenden Objekte geht.

Über 1.000 Erwerbungen von Museen, Bibliotheken und Archiven

Im Mittelpunkt der Arbeit der Kulturstiftung der Länder steht immer das kulturelle Erbe in seinem historischen Zusammenhang: „Für uns sind Kunstwerke besonders wichtig, in denen sich das Bewusstsein einer gemeinsamen kulturellen Herkunft, auch die geschichtlich bedingte Zusammengehörigkeit einer Gesellschaft manifestiert. Also Bewahrung der Identität, Begründung von Legitimation. Die sichtbare Präsenz dafür können bedeutsame Kunstwerke bieten. Bei Dürer, Holbein oder dem Nibelungenlied fühlen sich viele Menschen angesprochen, bei Kunstwerken von eher regionaler Bedeutung ist das schon vielschichtiger. Aber gerade diese Werke müssen wir bei unseren Förderungen auch beachten. Deshalb spreche ich auch gern vom Patrimonium der Regionen, das ist dem föderalen Deutschland eigentlich viel gemäßer“, sagte Isabel Pfeiffer-Poensgen anlässlich des Jubiläums.

Von deutschen Museen, Bibliotheken und Archiven wurden 1.020 Kunstwerke, Sammlungen, Archivalien, Handschriften und weiteres kostbares Kulturgut mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder angekauft. Rund 160 Millionen Euro konnten dafür in 25 Jahren von den Ländern aufgebracht werden, im Verbund mit zahlreichen öffentlichen und privaten Mitförderern wurden Werke im Gesamtwert von über 600 Millionen erworben: Von einer Handschrift des Nibelungenlieds über Teile des Quedlinburger Domschatzes bis zum Wildensteiner Altar des Meisters von Meßkirch, von Bibeln Lucas Cranachs über Werke Tilman Riemenschneiders, Rubens, Hans Holbeins d. Älteren, von Edvard Munch oder Adolph Menzel bis hin zu Werken von Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix, Joseph Beuys, Martin Kippenberger, Gerhard Richter oder Katharina Grosse; von Postkarten Thomas Manns, dem Nachlass Wilhelm Lehmbrucks, Romanmanuskripten wie Franz Kafkas „Prozess“, Autographen wie die „Diabelli-Variationen“ von Beethoven, wertvollen Roentgen-Möbeln, Design-Sammlungen oder Fotografien der Bauhaus-Zeit bis hin zu Vor- und Nachlässen von Bertolt Brecht, Ronald Searle, Christa Wolf oder Imre Kertész – ein schier unerschöpfliches Panorama der künstlerischen und kulturellen Geschichte Deutschlands und darüber hinaus. Dabei geht es nicht selten auch um eine Sammlungsergänzung für Museen, um schmerzliche Lücken zu schließen, welche nach Entfernungen im Rahmen der NS-Aktion „Entartete Kunst“ entstanden.

Ausstellungsförderung

Die Kulturstiftung der Länder animiert Museen dazu, immer die eigene Sammlung zum Ausgangspunkt von Neuerwerbungen oder einer Präsentation zu machen: Zahlreiche von der Kulturstiftung der Länder geförderte Ausstellungen widmen sich deshalb der nicht selten schöne Überraschungen bergenden Neuentdeckung ihrer eigenen Sammlung. Vielbeachtet war z. B. die Landesausstellung Sachsen-Anhalts „Der Naumburger Meister – Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen“ in Naumburg, die Ausstellung „Leonardo des Nordens – Joos van Cleve“ im Aachener Suermondt-Ludwig-Museum oder „100 Jahre Lehmbrucks Kniende – Paris 1911“ im Duisburger Lehmbruck Museum sowie die Ausstellung „Brueghel“ in der Alten Pinakothek in München in diesem Jahr.

Deutsch-Russischer Museumsdialog

In den letzten Jahren nahm die Stiftung auch die Erforschung der Verluste deutscher und russischer Museen, Bibliotheken und Archive im und nach dem Zweiten Weltkrieg in den Blick: ein kontrovers diskutiertes kulturpolitisches Thema, für dessen Bearbeitung von Stiftungen und Mäzenen erhebliche Drittmittel eingeworben werden konnten. Hunderttausende Werke wurden von russischen Trophäenbrigaden aus deutschen Sammlungen abtransportiert. Welche Wege nahmen die Kunstwerke, wo befinden sie sich heute? – Drängende Fragen der Forscher des Deutsch-Russischen Museumsdialogs, der – jenseits der Diskussion um eine Rückgabe – sich einem intensiven Austausch mit den Kollegen in russischen Museen widmet sowie verfügbare Dokumente wie aufgefundene Transportlisten der sowjetischen Truppen auswertet. Mit dem vorrangigen Ziel „Aufklärung und freier Zugang zu den Kunstwerken“ sind beispielsweise auch erste gemeinsame Ausstellungsprojekte initiiert worden. Auf der anderen Seite: Was wurde von deutschen NS-Sonderkommandos in sowjetischen Institutionen beschlagnahmt, welche Verluste durch Zerstörung, Diebstahl und Abtransport erlitten die reichen russischen Sammlungen im Krieg? Ein deutsch-russisches Forscherteam begibt sich seit 2012 mit Unterstützung der Volkswagen-Stiftung in internationalen Archiven und auch in privaten Aufzeichnungen von Wehrmachtsangehörigen auf die Spur des Kunstraubs, um endlich mehr Klarheit zu schaffen über das Ausmaß der Verluste und das Schicksal der kostbaren, verschollenen Kulturgüter.

Eine Auswahl weiterer Aufgaben – Kulturguterhalt, kulturelle Bildung

Sektionsprotokolle von Virchow, kostbare Chorbücher in Naumburg oder ein Adressbuch von Hannah Höch würden von Schädlingen zernagt oder würden verschimmeln und zerfallen, würde nicht die Kulturstiftung im Auftrag der Länder gemeinsam mit dem Bundesbeauftragen für Kultur und Medien Staatsminister Bernd Neumann diesen manchmal tief in Archiven und Bibliotheken verborgenen Zeugnissen unserer Kultur die nötige Aufmerksamkeit schenken: Seit 2010 sind 133 Modellprojekte der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts mit einer Förderhöhe von 1,7 Millionen Euro gestartet, die den Erhalt der geschriebenen Schätze in zahlreichen Archiven Deutschlands zum Ziel hat. Viele weitere Förderungen sind jedoch nötig, um den komplexen Schadensbildern der wertvollen Handschriften und Archivalien zu begegnen.

Ihre Begeisterung für Literatur, Musik, Tanz, Theater oder bildende Kunst haben 273.000 Schülerinnen und Schüler in über 7.000 Wettbewerbsprojekten der Bildungsinitiative Kinder zum Olymp! bewiesen: Bundesweit prämiert die Kulturstiftung mit Unterstützung der Deutsche Bank Stiftung seit zehn Jahren mit ihren begehrten Preisen herausragende Kooperationen von Schulen mit kulturellen Institutionen und Künstlern.

Die Kulturstiftung der Länder verleiht des Weiteren u. a. gemeinsam mit dem Deutschen Bühnenverein den Deutschen Theaterpreis Der Faust, sie fördert im Auftrag der Länder kulturelle Initiativen und Institutionen wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, den Deutschen Übersetzerfonds, den Deutschen Musikrat oder den Deutschen Verein für Kunstwissenschaft; die Stiftung organisiert darüber hinaus jährlich die Stipendiatenauswahl u. a. für die Villa Massimo in Rom.

Seit 14 Jahren fördert der Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder mit zurzeit über 270 Mitgliedern jährlich mit rund 100.000 Euro zahlreiche Restaurierungsvorhaben von Museen, Bibliotheken und Archiven in Ost- und Mitteldeutschland.

Das Stiftungsmagazin Arsprototo mit mittlerweile fast 15.000 Abonnenten informiert seit 2005 viermal jährlich in Reportagen über spannende Rettungen wertvoller Kunstwerke und ruft zu Spenden für Restaurierungen auf.

Zum Jubiläum erscheint eine Sonderausgabe des Magazins Arsprototo, das viele Wünsche, Perspektiven und zukünftige Aufgabengebiete der Kulturstiftung der Länder anschaulich versammelt.