Erwerbungen

Sekretär zu Sekretär

Johannes Klinckerfuß, Schreibsekretär, 1804
Johannes Klinckerfuß, Schreibsekretär, 1804

Geradlinigkeit und Symmetrie sind Geschmacks­insignien des Klassizismus. So auch in den königlichen Appartements des Schlosses Ludwigsburg. Während die Flammen des Zweiten Weltkriegs das nahegelegene Stuttgart um das Innere des Neuen Schlosses brachten, überstand in Ludwigsburg eine der schönsten Residenzen des 18. Jahrhunderts wie durch ein Wunder den Wandel der Zeit. Doch nicht alles, was säuberlich in alten Inventaren beschrieben ist, hatte im Haus Bestand. Schon gegen 1824 verschwand ein Sekretär, den der Roentgen-Schüler Johannes Klinckerfuß (1770 – 1831) 1804 für das königliche Schreibzimmer entworfen und gefertigt hatte. Ein Pendant jedoch blieb im Besitz des Württemberger Herrscherhauses und erinnerte fortan an seinen Zwillingsbruder. Zweihundert Jahre später ist das verlorene Empirestück (im Bild rechts) wieder aufgetaucht. Im Arbeitszimmer König Friedrichs, das nun seine gesamte Ausstattung zurückerhalten hat, stehen beide Möbel wieder einander gegenüber – als ehrwürdige Boten klassizistischer Parallelität.

Mein Haus, mein Pferd, mein Hund …

Carl Steffeck, Ansicht der Villa Sorgenfrei mit Reitknecht, Pferd und Windhund, um 1840/45, 49 × 63 cm
Carl Steffeck, Ansicht der Villa Sorgenfrei mit Reitknecht, Pferd und Windhund, um 1840/45, 49 × 63 cm

Nicht der Mann – ohnehin nur ein Knecht – ist wichtig auf diesem Gemälde, sondern das Pferd. Carl Steffeck (1818 –1890), der große Berliner Pferdemaler, malte nach 1840 das edle Ross aus dem Stall der Berliner Familie Mendelssohn. Aus England war die Mode herübergeschwappt, edle Reittiere gleichsam porträthaft vorzuführen. Doch was ehedem dem adeligen Status diente, gerät in diesem Fall nun zum Symbol des selbstbewussten Bürgertums. Auftraggeber Alexander Mendelssohn, Enkel des Philosophen Moses Mendelssohn und Vetter Felix Mendelssohn Bartholdys, zeigt zugleich sein neues Sommerhaus im Hintergrund, die Villa Sorgenfrei. 1881 jedoch wurde die Charlottenburger Sommerfrische wieder abgerissen, um einem repräsentativeren Neubau Platz zu machen. So wird das Bild, von der Berliner Staatsbibliothek erworben, zum historischen Dokument und damit zur Bereicherung der Mendelssohn-Remise in der Jägerstraße, die sich dem Leben der prominenten Familie der Hauptstadt widmet.

Frankfurts Fotos

Eugène Atget, Sonnenfinsternis auf der Place de la Bastille, 1912, 18,1 × 22,6 cm (Ausschnitt)
Eugène Atget, Sonnenfinsternis auf der Place de la Bastille, 1912, 18,1 × 22,6 cm (Ausschnitt)

Was Wilfried Wiegand, langjähriger Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, gemeinsam mit seiner Frau Uta privat zusammengetragen hat, erweist sich als Musée imaginaire der internationalen Fotografiegeschichte: Ob der Kölner Dom der Gebrüder Bisson (1855) oder die französische Flotte von Gustave Le Gray (1858), das Porträt George Sands von Nadar (1864) oder ein Palermo-Jüngling von Wilhelm von Gloeden (1890) – stets erwarb der Kunsthistoriker mit Kennerblick nur Inkunabeln der frühen Fotografie. Und das mit originalen Rahmen noch dazu. Die Stadt seines langjährigen Wirkens kann sich nun über die Sammlung Wiegand freuen: Mit ihrem Einzug in das Städel hat das Haus am Schaumainkai einen Siebenmeilenschritt getan auf seinem Weg, vom Ort für Malerei und Plastik auch zu einem der Fotokunst zu werden. Das Musée imaginaire wird nun réel.

Comic von Komponistenhand

Beigelegte Zeichnung zur Absage des Neujahrskonzerts von Mendelssohn Bartholdy
Beigelegte Zeichnung zur Absage des Neujahrskonzerts von Mendelssohn Bartholdy

Fiebrig und entkräftet lagert Felix Mendelssohn Bartholdy seit Tagen auf seinem Kanapee. Magenkrämpfe quälen den Dirigenten, kalter Schweiß steht ihm auf der Stirn. Ein trockenes Stück Brot die erste vorsichtige Nahrung. Das näher­rückende Neujahrskonzert 1847 im Gewandhaus – schweren Herzens muss er es wohl absagen. Der kleine Comic, den der Kapellmeister seiner Absage beilegt, hat sich in der Sammlung von Rudolf Elvers erhalten, zusammen mit 87 originalen handschriftlichen Zeugnissen des weltberühmten Komponisten – darunter Liednotate, Kompositionsfragmente sowie Briefe und Zeichnungen. Dazu kostbare Korrespondenzen von Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Clara Schumann sowie anderen geistigen Größen des 19. Jahrhunderts und Werke des Komponisten mit einer großen Anzahl von gedruckten Alben und Faksimileausgaben. Rudolf Elvers, langjähriger Leiter der Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin, hat über Jahrzehnte seine private Sammlung an Mendelssohniana auch Dank seiner guten Verbindungen zu den Nachfahren des Komponisten aufbauen können. Im Jahr 2009 – zum 200. Geburtstag des Komponisten – zeigte das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig die Sonderausstellung „Der Leipziger Mendelssohn“. Rudolf Elvers besuchte diese Ausstellung – gleich zwei Mal – und war so begeistert, dass er den Entschluss fasste, seine Sammlung dem Museum zu überlassen. In Leipzig hat nun diese – weltweit größte – Privatsammlung zu Felix Mendelssohn Bartholdy ihren besten Aufbewahrungsort gefunden: in der Stadt, in der Mendelssohn als Dirigent und Orchesterleiter und auch als Gründer der ersten deutschen Musikhochschule Geschichte schrieb.

Mit dem Erwerb der Sammlung avanciert das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig zu einer der zentralen Mendelssohn-Einrichtungen und trägt so zur Profilierung Leipzigs als Zentrum der Mendelssohn-Pflege bei. Von Mitte November 2011 bis Anfang Januar 2012 werden in einer Studioausstellung wichtige Stücke aus der Sammlung Rudolf Elvers gezeigt – die schönsten Zeichnungen, die spannendsten Briefe, die wertvollsten Bücher sowie die anrührendsten persönlichen Zeugnisse des Komponisten und seines familiären Umfeldes.

Romantischer Adel

Taufhäubchen des Dichters Novalis
Taufhäubchen des Dichters Novalis

Im Mai des Jahres 1772 erblickte Georg Philipp Friedrich von Hardenberg auf Schloss Oberwiederstedt das Licht der Welt. Das kleine Renaissanceschlösschen im südlichen Harz des damaligen Kurfürstentums Sachsen war gerade erst durch eine Heirat in den Besitz der Familie gelangt, deren Sohn unter dem Namen Novalis zu einem der berückendsten Dichter deutscher Sprache werden sollte. Seiner Familie, dem kurhannoverschen Adelsgeschlecht von ­Hardenberg, entsprangen neben der früh­romantischen Schriftstellergestalt auch einflussreiche preußische Politiker wie der Staatskanzler Karl August von Hardenberg, der später das Königreich Preußen reformierte. Das vollständige Gutsarchiv der Familie von Hardenberg – mit dem beliebtesten Ausstellungsstück im dortigen Novalis-Museum, dem Taufhäubchen des Dichters – gelangt nun in die Obhut der heute auf dem Schloss ansässigen Novalis-Stiftung. Neben originalen Novalis-Autographen – wie zum Beispiel Briefe, ein Ge­dicht­entwurf und zwei Schulhefte des Dichters – kann die Stiftung jetzt auch Korrespondenzen der Eltern und Geschwister von Novalis, Familienalben, dichterische Zeugnisse der Brüder Karl und Anton sowie Dokumente zur Gutsgeschichte seit dem frühen 13. Jahrhundert erforschen. Die kostbaren Zeugnisse versprechen detaillierte Einblicke in die adelige Lebenswelt der vergangenen Jahrhunderte und in das historische Umfeld des zwar früh verstorbenen, aber dennoch zu Weltruhm gelangten Dichters Novalis, des Verfassers von „Hymnen an die Nacht“ oder des Romanfragments „Heinrich von Ofterdingen“.

Die Leichtigkeit des Stahls

Bernar Venet, 224.5° Arc x 5 et 225° Arc x 5, 2007
Bernar Venet, 224.5° Arc x 5 et 225° Arc x 5, 2007

An Koblenz’ alter Stadtmauer biegen sich die tonnenschweren Bögen in den Himmel und stemmen sich gegen das historische Monumentaldenkmal des „Deutschen Ecks“ an der Mündung der Mosel in den Rhein in unmittelbarer Nachbarschaft: Von Bernar Venet (* 1941) direkt, von Frankreichs Großmeister der stählernen Installationen, konnte das Ludwig Museum eine seiner mittlerweile weltberühmten Skulpturen erwerben: „224.5° Arc x 5 et 225° Arc x 5“ nennt der Künstler das neue Wahrzeichen der Sammlung – das sogleich auch zu einem Highlight der gerade gestarteten Bundesgartenschau 2011 in Koblenz avancierte. Venet schuf aus seinem bevorzugten Material Stahl in mehreren geschwungenen, nach oben offenen Bögen eine Symbiose aus scheinbar massiver, unverrückbarer Plastik und trotzdem visueller Leichtigkeit im schwebenden Eindruck des Werks. Der Ankauf des vier mal vier Meter messenden Giganten für das Museumsufer ist ein spektakulärer Coup des Ludwig Museums – ist es doch als einziges deutsches Museum seit vielen Jahren auf zeitgenössische französische Kunst spezialisiert.