Von Möbeln und Menschen
Liebe Leserin, lieber Leser,
wie man sich bettet, so schläft man – und wie man wohnt, so lebt man. Was mag da mehr ein Spiegel vergangener Epochen sein als Zeugnisse der Möbelkunst? Denn was kommt dem Menschen näher als das, worin er schläft, woran er isst und worauf er sitzt?
So mag es nicht verwundern, dass es keine Bauten, sondern Möbel waren, die Preußens Jahrhundertarchitekten das Tor zu seinem Erfolg aufschlossen. Einzug bei Hofe hielt der junge Schinkel mit dem Schlafzimmer der Königin Luise, das er 1809 für die Winterkammern im Schloss Charlottenburg entwarf. Was damals die Regentin bei ihrer Rückkehr von der Flucht vor Bonaparte – der in ihrem alten Bett geschlafen hatte – vorfinden sollte, das stieß auf höchste Wertschätzung und ist heute eine Inkunabel des Frühklassizismus.
Kein Wunder, dass sich die Hohenzollern in den folgenden Jahrzehnten auf den bewährten Schinkel verlassen wollten, ging es um Großes oder Kleines, um Schlösser, Kirchen, Monumente oder eben Möbel. So auch Luises zweitjüngster Sohn Prinz Carl, der sich vom Architekten das Schloss Glienicke zu einem Ort der Italiensehnsucht ausbauen ließ. Wie es nun gelingen konnte, im Ausland Schinkels hochbedeutendes Ensemble von sechs Sesseln und einem Sofa für Carls Refugium wieder aufzuspüren und glücklich zurückzuerwerben, das möchten wir Ihnen in der Sommerausgabe von Arsprototo erzählen.
Und nicht nur das: Gemeinsam mit zwei weiteren Erwerbungen für Museen in Neuwied und Schwerin eröffnen wir ein Panorama auf zweihundert Jahre deutscher und internationaler Möbelkunst: Denn während der Stern Schinkels aufstieg, beendete David Roentgen in Neuwied seine Weltkarriere als Meister höchster Ebenistenkunst, die ihn und seinen Vater Abraham zu Lieferanten von Zaren und Königen gemacht hatte. Mit dem Tode Schinkels schließlich erhob sich seine Schülergeneration, die dem Historismus ihres Lehrers neue Facetten hinzufügen sollte. So auch Karl von Diebitsch, der zum Exponenten eines träumerischen Orientalismus wurde und von Ägypten bis Mecklenburg seine Spuren hinterlassen hat.
Naheliegend also, dass wir Mecklenburg die aktuelle Ausgabe von Arsprototo widmen möchten – naheliegend auch, dass wir dies mit dem Porträt eines Malers tun, der wie kein zweiter eine Innenschau seiner Jahrzehnte abgebildet hat: Georg Friedrich Kersting. Kaum ein Buch über Romantik oder Biedermeier kommt ohne seine Gemälde aus, die künstlerische und kulturhistorische Dokumente in einem sind. Denn während andere uns Landschaft zeigen, blickt Kersting in die Häuser seiner Zeit. Wohn- und Lebenswelten offenbaren sich da, die wiederum die Brücke schlagen zu der angewandten Kunst der Zeit. Wie passend, dass Kersting auch Entwerfer war, insbesondere für Porzellan.
Mir bleibt, Ihnen viel Freude bei der Lektüre zu wünschen – und einen schönen Sommer mit erholsamer Urlaubs- und Reisezeit!
Ihre Isabel Pfeiffer-Poensgen