Einraum-Leben
Eine Bernina-Nähmaschine steht auf dem Holztisch, darüber an der Wand pinnen Stecknadeln zwei große Blätter an die Wand: auf dem linken eine aufrechtstehende Figur, umrahmt von wilden, dunklen Formen und Strichen; auf dem rechten drei querformatige Malereien. Eva Beuys richtete das Objektiv ihrer Großformat-Plattenkamera auf eine Ecke des großen Raumes im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel, den sie 1961 mit ihrem eben zum Professor berufenen Mann bezogen hatte. Zur Hochzeit zwei Jahre zuvor hatte ihr die Schwiegermutter die Nähmaschine geschenkt, zum Einzug kaufte sich die Kunsterzieherin ihre Kamera und dokumentierte fortan das Leben am Drakeplatz 4, zunächst mit einem, dann mit zwei Kindern und immer mit dem Künstler an ihrer Seite. Während sich Joseph Beuys den familiären Raum aneignete, indem er ihn als Atelier und den Hausrat als Werkstoff verwendete, vollzog Eva Beuys bis 1975 eine hoch präzise und durchkomponierte fotografische Aneignung der Wohnung und seiner Kunst in rund 200 Bildern. Auf keiner der Schwarz-Weiß-Fotografien ist der Akademie-Professor zu sehen, immer wieder porträtierte die Fotografin jedoch die beiden Kinder. Vor allem aber schrieb sie durch Perspektive, Bildausschnitt und Lichtführung eine erste Interpretation der künstlerischen Arbeiten ihres Mannes auf den Glasnegativen fest.
Das Medium der Fotografie ist entscheidend für die Rezeption des Œuvres Joseph Beuys’, viele seiner ephemeren Kunstwerke haben sich allein auf Negativen und Abzügen erhalten. Im internationalen Forschungszentrum für den Künstler, dem Museum Schloss Moyland, befindet sich daher auch die größte Fotosammlung zum Schaffen von Beuys. Mit dem Ankauf der 63 von Eva Beuys signierten Silbergelatineabzüge aus dem Jahr 2016 unterstützt die Kulturstiftung der Länder diese institutionelle Ausrichtung und ihre konsequente Sammlungspolitik. „Die öffentliche Vermittlung der Fotografien Eva Beuys’ in der Sonderausstellung des Museums Schloss Moyland ist ganz im Sinne unseres Förderauftrags“, freut sich Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder. „Für die Forschung stellen die Arbeiten neue Quellen dar, mit denen das noch offene Feld ‚Joseph Beuys und die Fotografie‘ erschlossen werden kann.“
2016 entschied sich Eva Beuys, ihre Bilder zu zeigen – in der Publikation „Beuys Düsseldorf-Oberkassel Drakeplatz“ (2016) und in einer limitierten Auflage von 6 Portfolios. In beiden Vorhaben unterstützte sie der Verleger Lothar Schirmer als Herausgeber. Eine der Mappen erwarb nun das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Nordrhein-Westfalen. In klarer, entschieden inszenierter Bildsprache visualisiert Eva Beuys auf den Bildern den „erweiterten Kunstbegriff“ ihres Mannes: Leben und Kunst sind eins, Wohn- ist Atelierraum, für ihn wie für sie.
Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Kunststiftung NRW