Editorial

Die schönen Dinge des Lebens

Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder und Herausgeber von Arsprototo, stellt Ihnen das neue Heft vor

Liebe Leserinnen und Leser,

mit der aktuellen Ausgabe von Arsprototo erfüllt sich für mich ein langgehegter, persönlicher Wunsch: ein Heft, das Kunsthandwerk bzw. Kunstgewerbe in den Blick nimmt und der Frage nachgeht, ob und unter welchen Voraussetzungen es angebracht oder sinnvoll ist, zwischen ‚angewandter Kunst‘ einerseits und ‚hoher Kunst‘ andererseits zu unterscheiden.

Für die tägliche Arbeit der Kulturstiftung der Länder und die Erfüllung ihres Satzungsauftrags sind diese Fragen überaus relevant. Denn längst nicht jede Erwerbung, die wir im Auftrag der Ländergemeinschaft fördern, erfüllt den Anspruch, ‚hohe Kunst‘ zu sein, wenn man darunter herausragende, einzigartige oder äußerst seltene Kunstwerke mit beispielhafter Bedeutung für das gesamte kulturelle Leben in diesem Land verstehen will. Tatsächlich illustrieren gerade die auf den folgenden Seiten vorgestellten Erwerbungen, dass die Kulturstiftung der Länder sich vielfach auch für den Ankauf solcher Kulturgüter durch öffentlich zugängliche Einrichtungen engagiert, die zwar rar, aber nicht einzigartig, kunstfertig, aber nicht unbedingt künstlerisch, beeindruckend, aber nicht immer emblematisch sind. Dazu zählen etwa mechanische Uhren, Objekte aus Porzellan oder Glas, Elfenbeinschnitzereien, Teppiche und Tapisserien.

Was ‚hoher‘ und angewandter Kunst gleichermaßen gesellschaftliche Bedeutung verleiht, was sie miteinander verbindet und die eher akademische Trennung zwischen ihnen verschwimmen lässt, sind die Spuren, die diese Dinge in den Leben der Menschen hinterlassen oder die Menschen bisweilen auf ihnen hinterlassen haben; es sind die Geschichten, die sich um sie ranken und die sich eine Gesellschaft von ihnen erzählt; es sind die Handlungen, die Menschen an Ihnen voll­ziehen, wenn sie diese Dinge verwenden, über sie schreiben, sie erforschen, sie öffentlich ausstellen oder über Generationen hinweg mit ihnen leben. Irgendwann sind diese Dinge – sei es ein herausragendes Gemälde oder ein kunstvoll gestaltetes Trinkgefäß – nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken und wir würden einen Teil unserer Geschichten und damit unserer Geschichte verlieren, müssten wir auf diese schönen Dinge in unserem Leben verzichten.

Seit ihrer Gründung ist es die wichtigste und vornehmste Aufgabe der Kulturstiftung der Länder, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Dinge und die daran geknüpften Erzählungen, ohne die wir als Gesellschaft nicht leben wollen, auch für zukünftige Generationen in unserem Land erhalten bleiben und zugänglich sind. Seit jeher ist es uns dabei ein Anliegen, ‚hohe‘ und angewandte Kunst gleichermaßen zu fördern, als unterschiedliche Ausdrucksformen desselben Strebens nach Schönheit, derselben Sehnsucht nach Transzendenz.

Gerade in schweren Zeiten ist es ein großes Glück, daran erinnert zu werden, dass unser Leben nicht nur Dunkelheit und Schwere hervorbringt, sondern auch Leichtigkeit und Licht. Schöne Dinge können uns genau daran erinnern, wir müssen ihnen nur unsere Aufmerksamkeit und unsere Neugier schenken. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Freude bei der Lektüre dieses Heftes und friedvolle Feiertage.

Ihr Markus Hilgert

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