Die meistgemalte Frau Deutschlands
Selbst die Markisen vor Dresdener Geschäften waren nicht sicher vor Otto Dix. Der Künstler schnitt sich seine Leinwände einfach aus den Stoffen heraus. Die sich nach dem Ersten Weltkrieg in der Stadt an der Elbe formierende Dada-Gruppierung war berüchtigt für ihre Beteiligung an politisch motivierten Straßenhappenings: Protest gegen Arbeitslosigkeit oder gegen die mangelhafte Versorgung mit Nahrungsmitteln wurde in künstlerischen Aktionen auf der Straße artikuliert.
Otto Dix (1891–1969) selbst hatte sich den Ruf des Bürgerschrecks Nr. 1. erarbeitet, mit sozialkritisch zugespitzten Graphiken und Gemälden attackierte er die Dresdener Öffentlichkeit. Der künstlerisch Aufsehen erregende, aber mittellose Meisterschüler hatte im Juli 1920 einige Zeichnungen von Dresden nach Düsseldorf zu einer Kunsthändlerin geschickt, die sich um junge Künstler der Avantgarde, insbesondere im rheinischen Raum kümmerte. Johanna Ey, ursprünglich Besitzerin einer Backwarenhandlung nebst Kaffeestube, hatte 1916 den Ladenbetrieb aufgegeben, um eine Kunsthandlung zu eröffnen. In ihrem Kaffeehaus nahe der Kunstakademie hatte sie zuvor viele junge aufstrebende Künstler bewirtet, ihnen Kredite gewährt und als Rückzahlung vielfach Kunstwerke akzeptiert, die die Wände ihrer Stube wie in einem Museum tapezierten. Die „meistgemalte Frau Deutschlands“, wie sie später genannt wurde, entschied sich schließlich, als Galeristin die Künstler am Anfang ihrer Karriere zu unterstützen. Sie entwickelte eine intensive Ausstellungstätigkeit in ihrer Galerie „Neue Kunst – Frau Ey“, die mit feinem Gespür für die Kunst der jungen Moderne eintrat.
Die Zeichnungen, die Otto Dix nach Düsseldorf geschickt hatte, konnte Johanna Ey rasch verkaufen. So folgte er 1922 der Einladung Johanna Eys nach Düsseldorf, bis 1925 entstanden dort in seinem Atelier eine Vielzahl an Gemälden, Aquarellen und Graphiken. Dix entwickelte sich vom expressiv-veristischen Maler zum neusachlichen Porträtisten. Im Kreis der rheinischen Avantgarde, der Künstlerbewegung „Junges Rheinland“ um Gert Wollheim, Otto Pankok, Max Ernst u. a. etablierte sich Dix als Virtuose der Charakterporträts. Nachdem es Ey 1924 gelang, Dix Doppelbildnis „Eltern I“ an das Wallraf-Richartz-Museum in Köln zu verkaufen, bekam der Künstler den Auftrag, für seine Mäzenin ein Porträt zu malen: Zwischen robuster Lebensnähe und theatralisch-machtvoller Attitüde zeichnet der Künstler Johanna Ey, die als eine der einflussreichsten Kunsthändlerinnen der Weimarer Republik der rheinischen Avantgarde den Weg ebnete. Farben und Requisiten eines klassischen Herrscherbildnisses finden sich im Porträt der tatkräftigen Unterstützerin, der Dix damit auch ein Denkmal setzt.
Das Zeugnis der rheinischen Kunstszene in der Weimarer Republik befand sich seit 1999 bereits als Leihgabe in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und kann mit dem Ankauf nun dauerhaft in Düsseldorf präsentiert werden. Der Ankauf des Gemäldes wurde von der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung unterstützt.
Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, sagte: „Mit der Erwerbung des Porträts der Johanna Ey für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist es gelungen, ein Werk mit ausgeprägtem lokalem Bezug langfristig für das Land Nordrhein-Westfalen zu sichern. Die besondere gesellschaftliche Bedeutung von Kultur und Kunst entsteht zunächst immer bei den Menschen, die mit diesem kulturellen Erbe gelebt haben und noch leben. Insofern freue ich mich, dass die Kulturstiftung der Länder einen Beitrag zum Ankauf des Ey-Porträts leisten konnte.“